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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Fechter, Paul: Das Porträt und die Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0091

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Das Porträt und die Photographie.

FRANK EUGENE SMITH MÜNCHEN.

Bildnis: »Otto Graf La Rosce«

Hier dominiert das Objekt: seine Wirklichkeit
bestimmt der freien künstlerischen Willkür die
Grenze, zwingt die Produktion bis zu einem
gewissen Grade zur Reproduktion. Sir Thomas
Lawrence nannte als die einzige Chance des
Künstlers vor der Natur „selection and com-
bination". Gegen die Allgemeingültigkeit des
Wortes ließe sich manches einwenden: für das
Porträt besteht es noch heute mit vollem Recht.

Gerade darum aber haben bei dem Porträt
zuerst die Bestrebungen der Photographie ein-
gesetzt, mit ihren Mitteln ebenfalls künstle-
rische Resultate hervorzubringen. Die Be-
schränkungen, die dem Schaffenden hier aus
dem Sinn des Werkes erwachsen, entsprechen
denen, die der Photographie als einem physi-
kalisch-chemischen Verfahren von vornherein
auferlegt sind: die Freiheit, über die sie ver-
fügt, besteht in der Hauptsache ebenfalls in
t, selection and combination" — wenn auch
vielleicht in einem etwas anderen Sinne als
der Maler der Miß Farren das Wort ursprüng-
lich verstanden hat. Die Reproduktion, im
Gebiet der bildenden Kunst trotz des aristo-
telischen Wortes von der Nachahmung als dem
Sinn der Kunst (abgesehen vom Porträt) im

wesentlichen ein Mißverständnis, ist die Grund-
lage ihres ganzen Verfahrens: so galt es lediglich
Mittel und Wege zu finden, das künstlerische
Moment, das dort das eigentliche Medium der
ganzen Tätigkeit, auf einem Umweg in das
Resultat eines in seinen Grundzügen tech-
nischen Prozesses hineinzutragen.

Nach diesem Ziel tendieren im wesentlichen
die Bestrebungen der künstlerischen Photo-
graphie der letzten beiden Dezennien — vor
allem soweit sie auf dem Gebiet des Porträts
zum Ausdruck kommen. Von zwei Seiten her
versucht man das artistische Moment in den
unpersönlichen Reproduktionsvorgang hinein-
zutragen: von dem darzustellenden Objekt
und von dem schließlichen Resultat des ganzen
Verfahrens, dem fertigen Druck aus. Die
künstlerische Arbeit des Pholographen beginnt
beim Gegenstand. Das Wählen und Verein-
fachen, das der Künstler in seiner Arbeit voll-
zieht, muß er bereits, soweit das beim Bild-
nis möglich ist, am Objekt vornehmen. Er
muß seine Menschen in den Raum stellen, der
zu ihrer Art paßt, muß bildmäßig sehen, Far-
ben in Tonwerte umsetzen können, den Natur-
ausschnitt schon für sich zu einem geschlos-

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