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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0286

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Kleine Kunst-Nachrichten.

DAS NEUE STADTHAUS VON BERLIN. Wie
alle großen Bauten Hoffmanns, so reifte auch
das neue Stadthaus sehr langsam und vorsichtig
zur Vollendung. Schon im Februar 1910 konnte
an dieser Stelle das Entscheidende der Architek-
tur geschildert werden; schon damals wurde fest-
gestellt, daß Berlin um ein Werk von starkem Aus-
druck reicher werden würde, zugleich aber auch
um ein Dienstgebäude, das weniger dient als re-
präsentiert. Solches Urteil läßt sich heute, nach
der Fertigstellung des Hauses, nur bestätigen. Hoff-
mann hat in sehr beachtenswerter Weise und mit
ausgezeichnetem Gefühl für die Organisation der
Valeure ein System aus dem Arsenal der Hoch-
renaissance kombiniert. Wie er die Pfeiler aus
den Fronten zu den Dreiviertelsäulen der Portal-
bauten und schließlich zu den Vollsäulen, die in
zwei Etagen um den Turm stehen, hinaufsteigert,
das ist schon meisterhaft. Aber: er hätte eigent-
lich ein Kontorhaus bauen sollen, Arbeitsräume für
tausend Beamte. Man muß sich damit abfinden und
darf nie vergessen, wie unendlich viel die Baukultur
der Reichshauptstadt Hoffmann zu danken hat.

Der Bauplarj war dem Format nach ein
schwieriger; andrerseits half aber gerade die völlige
Unregelmäßigkeit des Blockes dazu, Hoffmann in
architektonischer Bravour schwelgen zu lassen.
Es war ihm ein fühlbares Vergnügen, bei einer

Aneinanderreihung von Räumen, die er zentral durch
den Baukomplex, von Längsseite zu Längsseite
disponierte, die Achsen zu verschieben. Das mußte
er tun, weil die Mitten der beiden Längsseiten nicht
lotrecht über einander liegen; das tat er, weil sich
so eine Fülle interessanter Situationen und reicher
Perspektiven ergab. Zu dieser achsialen Raumfolge
gehört die große Ehrenhalle, eine sehr diskrete
und edle und im besten Sinne auch eine schöpfe-
rische Leistung. — Mit sicherem Geschmack hat
Hoffmann über das ganze Gebäude hin plastischen
Schmuck verteilt. Das ist prinzipiell zu loben; den
einzelnen Stücken von Taschner, Wrba und
Rauch kann man auch seine Zustimmung geben, b.

£

DER STREICHELBRUNNEN. Vox populi... die
Leute haben ihn lieb gewonnen. Sie bleiben
vor ihm stehen, beäugen die sechs Entlein und
streicheln sie. Diese tastenden Hände des Volkes
werden für August Gaul der beste Dank sein. Er
schuf in diesem Brunnen ein Werk von zarter
Liebenswürdigkeit und lächelnden Humoren. Die
Entlein scheinen eben aus dem Wasser gestiegen
und auf den Rand des Brunnens geflogen; zugleich
aber empfinden wir sie als ein Jenseits der Natur,
als ein bronzenes Geschlecht, darauf berechnet,
daraufhin erfühlt: einem steinernen Becken ein
metallischer Schmuck zu sein. r. b.

professor august gaul berlin. enten-brunnen in charlottenburg, hardenbergstrasse.

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