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Ness, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 1): Stadt Hannover — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44751#0058

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ertürmen bewehrt (etwa 35), die den sonst
üblichen Wehrgang an der Innenseite ersetz-
ten. Die älteren Türme waren halbkreisför-
mig aus Bruchstein errichtet, die jüngeren
auf rechteckigem Grundriß waren in Ziegel-
mauerwerk aufgeführt.
Die Mauer umschloß den gesamten mandel-
förmigen Stadtgrundriß: Vom südlichen Ägi-
dientor führte sie zwischen Oster- und Ge-
orgstraße in weitem Bogen zum Steintor,
von dort über den Marstallplatz bis zur Burg-
straße, folgte im Westen unmittelbar dem
Leinelauf und führte am Nothelfergraben,
einem alten Leinearm, über den heutigen
Friedrichswall zum Ägidientor zurück.
Von der mittelalterlichen Befestigung sind
noch an drei Stellen im Stadtgebiet Reste
erhalten: Der umfangreichste und anschau-
lichste Teil der ehemaligen Stadtmauer ist
der Beginenturm Am Hohen Ufer. Es ist ein
dreigeschossiger Schalenturm, dessen ober-
stes Geschoß zur Stadtseite hin offen ist, in
dem bis zu drei Meter dicken Fundament
sind Quader der romanischen Georgskirche
verbaut; das Erdgeschoß ist gewölbt, die
Obergeschosse haben zur Leineseite hin

jeweils drei kleine, spitzbogige Öffnungen,
der Turm ist mit flachem, kegelförmigem
Dach abgeschlossen. Ein kleines, von außen
nicht sichtbares Stück Stadtmauer schließt
sich nördlich an den Beginenturm an. 1643
—49 war diagonal über diesem Teil der Stadt-
mauer das herzogliche Zeughaus errichtet
worden, dessen westliche und nördliche
Wände aus Bruchstein mit den teilweise er-
haltenen gekuppelten Fenstern in den 1962
—65 entstandenen Neubau des Historischen
Museums (Architekt: Dieter Oesterlen) ein-
bezogen wurden. Unmittelbar nördlich des
Museums markiert das freistehende Sand-
steintor des Marstalls, das zu dem 1714 von
Remy de la Fosse errichteten Gebäude an
der Burgstraße gehörte und nach dem Krieg
hierher versetzt wurde, den ältesten West-
ausgang der Stadt, den Standort des Brühl-
tors, 1301 als „valva Brulonis" erwähnt,
das bis 1332 den Zugang zur Burg Lauen-
rode und zu der Vorsiedlung auf dem Brühl
bildete.
Das Brühltor, Verbindung zwischen Burg
und Lehnshofsiedlung, wurde funktionslos
durch das von der Stadt 1340 weiter südlich

Altes Rathaus und Marktkirche von der Schmiedestraße


angelegte Leintor am Ausgang der heutigen
Schloßstraße. An seiner Stelle steht heute
das Neue Tor (erbaut 1782), — vier gequa-
derte Sandsteinpfeiler mit Abdeckplatten
und Helm7Trophäenschmuck —, das 1961
von der Waterloostraße hierher versetzt
wurde (vgl. 02 Calenberger Neustadt).
Der zweite Rest der Stadtmauer befindet
sich am Knappenort (Friedrichswall) auf
dem ehemaligen Grundstück des Marienroder
Klosterhofs. Der sogenannte Borgentrik-
turm, einbezogen in den Bau der Volkshoch-
schule, ist ein bis zur ehemaligen Stadtmau-
erhöhe in Bruchstein errichteter, halbrunder
Turm, die Aufstockung des 15. Jh. in Zie-
geln. Südlich schließt sich ein kleines Stück
Stadtmauer an.
Der dritte Befestigungsrest steht an der
Osterstraße/Georgswall (heute Landeszen-
tralbank) auf dem ehemaligen Grundstück
des Loccumer Hofes, dessen Abt sich hier
zum Mauerbau verpflichtet hatte. Der etwa
4 m hohe und 0,80 m breite Stadtmauerrest
aus Bruchstein ist zwischen 1320 und 1337
entstanden.

Der Stadtmauerbau, in der Mitte des 13. Jh.
begonnen, wurde erst 1297 urkundlich er-
wähnt, als im Norden der Stadt die Mauer
gebaut wurde. Sie schnitt die nach Norden
freie Fortsetzung der Burgstraße ab, so daß
der Fernverkehr der Leineuferstraße durch
das Steintor aus der Stadt herausgeleitet
werden mußte. Damit war der älteste Stra-
ßenzug der Lein- und Burgstraße in die
Stadt eingegliedert, die Lehnshofsiedlung
wurde funktionslos, die Lehnshöfe wurden
zu Beginn des 13. Jh. an Bürger der Stadt
aufgeteilt. Die westliche Stadtbefestigung er-
folgte erst nach der Zerstörung der Burg
Lauenrode im Jahr 1371. Steintor, Ägidien-
tor und Leintor sind bei der Schleifung der
Wälle im 18. Jh. zerstört worden.
MARKTPLATZ
Die Entwicklung der Altstadt Hannovers zu
einer unabhängigen Stadtgemeinde im Laufe
des 14. und 15. Jh. wird deutlich durch
die drei großen Kirchenneubauten und durch
den Bau des Altstädter Rathauses auf dem
Marktplatz.
Marktkirche

Um 1335 wurde der Neubau der Marktkir-
che mit dem Chor begonnen, der 1340 Fen-
ster erhielt und 1342 fertiggestellt war. Die
dreischiffige gotische Hallenkirche wurde zu-
nächst um den romanischen Vorgängerbau
herumgebaut, dessen Lage und Ausdehnung
etwa der des heutigen Mittelschiffs ent-
sprach. 1347 begann der Bau des Westturms,
der 1366 vollendet war. 1349 wurde die alte
Kirche abgebrochen, an die Stelle ihrer
Längsseiten traten acht mächtige Rundpfei-
ler aus Ziegelmauerwerk. Die Gewölbe wa-
ren 1352/53 im Bau. Bereits 1342 wird die
Marktkirche als St. Jacobi und Georgii be-
zeichnet.

Die Marktkirche ist die einzige mittelalterli-
che Backsteinkirche in Hannover. Gleichzei-
tig markiert sie die südlichste Grenze des
Verbreitungsgebiets der großen norddeut-

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