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Die Gartenkunst — 2.1900

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Staemmler, Ferdinand: Das städtische Palmenhaus in Liegnitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0018

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DIE GARTENKUNST

flexuosa Mart. steht ein Cocos australis Mart., links von
letzterer steht wieder eine silberglänzende Brahea Roezlii
hört., die sogar auf dem Bilde zwischen den stumpffarbigen
Blättern der anderen Palmen wirkt, wie ein buntblättriger
Acer Negundo in der freien Landschaft. Die Wegkanten
sind mit Ober-Kauffunger Marmor-Bruchsteinen eingefafst
und die Wege selbst mit Marmor-Kies bestreut. Beide
prächtigen Materialien verdankt das Palmenhaus der Liebens-
würdigkeit der Direktion des Kalkwerkes Tschirnhaus
in Ober-Kauffung,

Wenden wir uns nun der Grotte zu. Bei dem Arran-
gement im Palmenhause hegte man die Meinung, das
Publikum, welches sich zwar über grofse und kleine
Pflanzen freut und sich von den mächtigen Palmen
imponieren läfst, vermisse in den blofsen Pflanzen-Arran-
gements den Kulminationspunkt, und dieser Punkt müsse,
wenn er seinen Zweck erreichen soll, dem Laien ein
bewunderndes „Ah" entlocken. Von diesem Gesichts-
punkte aus ist die Grotte entstanden. Der Erbauer
einer Grotte in einem Palmenhause hat mit ganz anderen
Faktoren zu rechnen, als der Landschaftsgärtner bei der
Errichtung einer Pelspartie im Park oder Garten. Während
man im Freien möglichst mit natürlichen und nicht
zusammengewürfelten verschiedenen Gesteinen die Natur
nachahmen soll, um einen einfachen und grofsartigen
Effekt zu erzielen, während man ferner, um eine natur-
getreue Darstellung der Flora zu erzeugen, die Pflanzen
welche geographisch zusammengehören, zusammen pflanzt,
kann der Grottenbauer im Palmenhause seiner Phantasie
die Zügel schiefsen lassen. Es ist ja ein Konzert, welches
von Tropenkindorn aller Weltteile- im. Verein mit- herrlichen
Treib sträuchern, Blumen u. s. w. veranstaltet wird. Farben-
pracht ist also vorhanden, da mufs der Fels, welcher in
seinen Spalten und Ritzen, Schluchten und Thälern die
blendenden Blumen aufnehmen soll, auch möglichst ein-
tönig gefärbt und gigantisch geformt sein.

Der Aufstieg zur Grotte wird nicht durch eine Treppe,
sondern wie die Abbildunng zeigt, durch einen allmählich
ansteigenden Aufgang bewirkt. Das Geländer der Grotte
ist mit Korkrinde verkleidet. Die Grotte ist 3 m hoch und
hat oben eine Plattform, auf welcher sich bequem 20 Per-
sonen bewegen können. Zu den Füfsen der Plattform er-
streckt sich ein ca. 15 qm grofser Teich, der auch vom
Aufstieg und Abstieg an den Seiten eingefafst wird. In dem
Teiche tummeln sich muntere Goldfische. Die Grotte selbst
ist nach bekannter Berliner Gewerbe-Ausstellungs-Manier
aus Holz, Faconleinwand und Gips hergestellt. Vorteil-
haft ist es nach meinen Erfahrungen, dem Gips vor
dem Auftragen Schornsteinrufs zuzusetzen, um dadurch
eine solide graue Grundfarbe zu erzielen. Die Schatten-
stellen sind durch passende dunkle Farben in groben Zügen
vertieft. Unter der Plattform befindet sich ein 10 m langer
imitierter Tropfsteinhöhlengang, der über den Teich weg
nach den Palmen zu einen weiten Ausblick gewährt und
zwar durch einen Schleier rieselnder Wassertropfen. In
diesem Winter sind über der Grotte und dem Teiche eine
Anzahl zierlicher Ampeln angebracht, welche nach der
Mitte mit einer grofsen Ampel durch Medeola-Ranken ver-

bunden sind. Dadurch wird das Auge abgehalten, die
langweiligen Glasflächen des Daches zu mustern. Der
grofse Wasserfall rechts ist seit einigen Wochen in einen
heiter rieselnden Gebirgsquell umgewandelt und die Anmut
des Bildes dadurch wesentlich erhöht.

Interessant ist das ebenfalls aus Bordighera stammende
Dasylirion juncifolium, welches sich an der Wasserpartie
vorzüglich ausnimmt. Die Blüten des Vorbeetes am Teich-
rande und an der Grotte wechseln selbstverständlich der
Jahreszeit angemessen. Jetzt im November ist das Beet
mit Chrysanthemum-Hochstämmen, Buscbformen und Einzel-
blumen geschmückt, besonders fallen die Sorten „Modesto",
„President Nonin", „Phoebus" und „Sonne von Blanken-
burg" durch schöne Färbung und Form auf. Mitte Dezember
bis Weihnachten wird der ganze Grund aus Alpenveilchen
und Primula obconica gebildet. Als Hintergrund zu den-
selben, im Kontrast zu den Palmen, werden getriebene
Coniferen, besonders Knieholz mit Maitrieben verwendet.
Später kommen dann die vielen Sträucher, Rosen, Zwiebel-
gewächse u. s. w., so dafs bis Mitte März eine stete Blumen-
wanderung stattfindet. Von den grofsen Palmen sind der
Cocos flexuosa in der Mitte, der Phönix canariensis da-
hinter und der Phönix silvestris rechts mit vielen anderen
Palmen im verflossenen Frühjahre verpflanzt worden, die
Pflanzen haben 6—8 Wochen auf einem Lohebeet mit
40° R. Wärme gestanden. Ende Mai war die Durch-
wurzelung beendet; der Cocos hat z. B. im Laufe des
Sommers 3 neue Wedel und die beiden Phönix je 15, resp.
21 Wedel erzeugt. Am 10. Juni sind sämtliche Pflanzen
des Palmenhauses mit den Musen zusammen ins Freie ge-
bracht worden und haben bis zum-25. September im Freien
bei voller Sonne dort gestanden und sich sämtlich vor-
züglich weiter entwickelt. Der Phoenix silvestris wiegt
nach dem Verpflanzen 25 Centner. Für den Transport
habe ich einen Wagen bauen lassen, dessen äufserst ein-
fache, aber zweckentsprechende Konstruktion ich gelegent-
lich beschreiben, resp. veranschaulichen werde.

Eine interessante Bereicherung haben unsere Pflanzen-
schätze durch Überweisung einer 3 m hohen und 0,75 m
Stammumfang zeigenden Aloe plicatilis Mill. erhalten. Die
Pflanze hat vor knapp einem halben Jahre noch in der
Nähe der Kaserne in Dar-es-Salaam gestanden.- Das Alter
dieser Aloe wird auf einige hundert Jahre geschätzt. Wir
verdanken dieses seltene Geschenk der Liebenswürdigkeit
des hier ansässigen Grafen von Bethusy Huc, dessen
Sohn, Offizier der Schutztruppe, die Pflanze mit nach
Deutschland brachte.

Das Palmenhaus ist Sonn- und Feiertags, sowie Mitt-
wochs nnd Freitags an mehreren Stunden dem Publikum
zugänglich und zwar am ersten und dritten Sonntag jeden
Monats ohne Entgelt, sonst gegen Zahlung von 10 Pfg. pro
Person. Aufser der festgesetzten Zeit ist das Palmenhaus
mit Ausnahme Sonnabends und in der Mittagzeit gegen
ein etwas höheres Eintrittsgeld zugänglich. Im Januar
v. J. haben an manchen Sonntagen über zweitausend Per-
sonen das Palmenhaus besucht.

Jedenfalls wird der Zweck, dem Publikum ein schwaches
Abbild einer Tropen-Landschaft zu geben, sowohl im Palmen-
 
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