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Die Gartenkunst — 2.1900

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Koopmann, Karl: Begründung des Schnittes der Gehölze aus ihrem natürlichen Aufbau, [2]
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106

DIE GARTENKUNST

Begründung des Schnittes der Gehölze ans ihrem
natürlichen Aufbau.

Von Karl Koopmann, Kgi. Gartenbau-Direktor und Vorstand
der Fürst!. Stolbergschen Gartenverwaltung Wernigerode.
(Schluss.)
(Hierzu eine Abbildung.)

Wir kommen endlich zu den Blütengehölzen, welche
am mehrjährigen Holze blühen — ein unglücklicher
Ausdruck. Am mehrjährigen Träger blühen die vorgenannten
Arten auch; an vielverzweigten Gebilden, Langtrieben und
Ruten. Hier handelt es sich aber um etwas ganz anderes.
Betrachten wir die Ziersträucher aus der Familie der
Pomaceen, Pirus, Malus, Sorbus, Amelanchior; am gut
aufgebauten Gerüst mufs erst der allein blüh-
fähige Kurztrieb entstehen, der auf altem Holz steht
und alljährlich meist ohne merkliche Verlängerung oder Ver-
ästelung , neue Blütenorgane hervorbringt, die wir in der
Astzucht mit Spiels, Ringelwuchs, Quirlholz etc.
bezeichnen.

Der Aufbau solchen Gehölzes ist unsere erste Auf-
gabe. Ob wir regelmäfsige Formen, pyramidenähnlich, oder
mehr freie Entwicklung erziehen, liegt in unserer Hand;
beides findet seine Berechtigung und seinen Platz. Die
Blüte ist hierbei zunächst, wenn wir es nicht mit Zwerg-
gebilden zu thun haben, für Jahre hinaus gleichgültig; wir
müssen im Gegenteil mehr durch Rückschnitt auf Ver-
ästelung und Füllung der Formen Bedacht nehmen,
weil das Gerüst anderenfalls vielfach zu dünn, unansehnlich,
unschön ausfällt. Daher ist auch in der Jugend ein
Stutzen der Langtriebe mehr angebracht, als bei
anderen früher besprochenen Gehölzen. Ist die Form aber
im wesentlichen aufgebaut, dann wird ein Aussetzen
jeden Schnittes die Kurztriebbildung fördern und
zur Blühbarkeit überleiten. Die Blühfähigkeit würde
auch später durch regelmäfsiges Ausschneiden, wie wir es
bei der vorigen Gruppe von Gehölzen notwendig erachteten,
immer wieder vermindert werden; dieselbe ist, wenn einmal
errungen, nur zu schonen und zu erhalten, bis in ein
verhältnismäfsig hohes Alter hinein, denn solche Sträucher
sind langlebiger, das Bedürfnis nach Verjüngung
tritt später ein, und mufs dann behutsam, meist durch
Reduzierung des Gesamtstrauches auf eine geringere flöhe
und Ausdehnung geschehen; solches geschieht aber nicht
durch Stutzen oder Ausschneiden, sondern durch Zurück-
setzen der einzelnen Partien auf je einen pafs-
rechten Zug. — Damit wäre auch diese Gruppe Gehölze
erledigt.

Genaue Kenntnis der Gehölze sowie Beobachtung
ihres Wuchses und ihrer Blüte führen in jedem Einzelfalle
allein zum Ziel; eine Anleitung zur Beobachtung soll aber
der letzte Abschnitt noch geben. Vorausgeschickt sei aber
noch an dieser Stelle, dafs vernachlässigte und verwilderte,
im Dickicht aufgespillerte Gehölze selbstverständlich jeder
Behandlung nach Regel und Gesetz spotten; da hilft oft
nichts weiter als Kröpfen und Abtroiben und darauffolgender
neuer Aufbau, wenn überhaupt noch etwas zu retten ist.

Wir gelangen jetzt zur vierten und letzten Stufe der
Lehre vom Gehölzschnitt, welches dem natürlichen Aufbau

der Gehölze vornehmlich unter dem Ein Hufs des
Stutzens Rechnung trägt. Diese Betrachtungen kommen
vorwiegend bei der Formgebung der Gehölze, insbesondere
der gröfseren Sträucher, Baumsträucher und Bäume zur
Geltung. Nicht aber allein in der Baumschule behufs
Stamm- oder Kronenbildung, im Park und in der Allee, in
jedem Garten wird die Gestalt mancher Gehölze, insbesondere
der Solitärpflanzen mehr oder weniger der Nachhilfe in
ihrem Aufbau bedürfen. Oft handelt es sich um Förderung
des Wachstums, oft um Beschränkung zu üppiger Ge-
stalten. — Da heifst es Naturstudium und Mitleben mit
den Pflanzen. Nicht alles, was uns zu beobachten geboten
ist, läfst sich durch Worte in Regel und Gesetz einkleiden,
immerhin lassen sich doch auch nach dieser Richtung hin
Anleitungen geben.

Es handelt sich um starke und schöne Stämme -
um eine der Art angepafste schöne und vollkommene
Krone — um Förderung des Wuchses beim Verpflanzen -
um Nachhilfen insbesondere bei anormalen Bildungen.

Die Stammerziehung liegt uns am nächsten. Bin
schöner Stamm ziert den Baum, womit nicht gesagt sein
soll, dafs ursprünglich buschförmig, vielstengelig auf-
gewachsene Bäume zu verwerfen sind; jedes an seinem
Platze. Man denke an Linden, Weifsbuchen und Acer dasy-
carpum in dieser Tracht! Ebenso imposant wirkt aber
ohne Zweifel auch der einstämmige Baum; je kräftiger
der Stamm, desto sicherer das Gedeihen der Krone, desto
harmonischer das Verhältnis zwischen Krone und Stamm,
desto behaglicher das Verweilen unter seinem Schutze.

Auf zweierlei Weise wird solch Stamm gezogen, auf
forstkultur- und baumschuleninäfsigc Weise. —
Durch Aussaat oder Anpflanzung im jugendlichsten Zu-
stande, in enggestellten Reihen zieht der Forstmann die
Stämme hoch, ein Stamm stützt den andern. Durch
dichteren Stand wird der einzelne Baum gezwungen, in
seinem Streben zum Licht sich zu strecken; die stärkeren
überwuchern und unterdrücken die schwächeren, erst durch
Lichtung Avird dem Stamm die Möglichkeit gegeben, das
Stärken Wachstum nachzuholen. Längenwachstum, Streckung,
Schaftbildung ist das Ziel, weil die Erfahrung lehrt, dafs
der Lichtungszuwachs an Dicke nach Durchforstung ein
ganz aufsergewöhnliches Mafs erreicht; urplötzlich frei-
gestellt, würde der schlanke Schaft eines solchen Baumes
allerdings dem ersten Sturm zum Opfer faflen. - Im
Parkwalde wachsen uns solche Bäume oft genug durch
die Gruppen durch und einzelne solcher „Wilden" lassen
wir gerne gehen, weil sie einen Nachwuchs darstellen.
Für Anpflanzungen, zum Verpflanzen sind solche Bäume
aber nicht zu gebrauchen, daher ist die Aufgabe und das
Ziel unserer Baumschulen ein anderes. Der Baum soll von
Jugend auf selbständig, ohne Stütze, aus eigener
Kraft sich halten. Solches wird erreicht, indem man
anstatt dem Längenwachstum der Stärkenent-
wicke lung von Anfang Vorschub leistet; die Mittel dazu sind
wiederholtes Verpflanzen, tiefe Bodenbearbeitung,
reiche Ernährung, weitere Pflanzung. Unser Wissen
über den letzten Punkt liegt zwar noch sehr im Argen.
Pflanzweiten von 40X50, 50X60, 60X70, 80X100 cm
 
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