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Die Gartenkunst — 2.1900

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Janson, E. A.: Ästhetische Briefe über Gartenkunst, [1]
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Verschiedenes
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0125

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DIE GARTENKUNST

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bringen, dafs der Anschauende erkennt, was damit gesagt
werden soll. Selbst wenn der Gartenkünstler zugleich Dichter
wäre, sollte er dazu imstande sein'? — Noch einmal, nein!
Aber, können Sie mir einwerfen, man hört doch fast täglich
die Behauptung, dafs z. B. ein lauschiges Plätzchen, eine
mondbestrahlte Wiese, eine düstere Tannengruppe oder eine
malerische Eichenpflanzung poetisch sei. Ja, ich las selbst kürz-
lich noch von einer phantasiereichen Romanschriftstellerin den
blühenden Unsinn: „Der Park lag im Lichte des aufgehenden
Mondes da wie ein duftiges Gedicht." Lassen wir der Dame
diese kostbare Stilblüte, und untersuchen wir nur, ob ein
Garten oder ein Teil von ihm poetisch oder gar ein Gedicht
sein kann. Ich behaupte, dafs, wenn eine solche Aufserung
gethan, nie der Gartenkünstler, stets aber die Person, von
der sie kam, der Dichter ist. Erst diese Person unterlegt
dem, was der Landschaftsgärtner schuf, eine tiefere Bedeutung,
einen poetischen Sinn, und sie ist somit der Dichter. Ihre
Phantasie wird poetische Anhalte finden bei vielen Kleinigkeiten
oder Zufälligkeiten, mit deren Einrichtuug der anlegende
Gartenkünstler gar keinen besonderen dichterischen Gedanken
verband. Sie wird Poesie sehen, wo ein mit weniger Phantasie
begabter Mensch achtlos und kalt vorübergehen würde. Gewifs
kann auch der Landschaftsgärtner beim Schaffen eines Werkes
Dichtergedanken haben, warum nicht, aber solche sind und
bleiben ihm stets nur persönlich. Er vermag dieselben auch
nie durch die Anlage selbst kund zu thun. Höchstens könnte
er allgemeine Stimmungen seiner Seele ausdrücken, so
z. B. Todesgedanken durch eine Gruppierung von Nadelgehölzen
in Verbindung mit solchen Pflanzen, mit deren Anblick wir
den Begriff der Trauer verbinden, als z. B. aller Trauerbäume.
Setzen wir aber wirklich einmal den Fall — und derselbe kann
vorkommen — ein Vorübergehender würde bei dem Anblick
einer Pflanzung dieselben dichterischen Gedanken haben — wie
der gärtnerische Autor, so müfste er, um nicht Gefahr einer
Täuschung zu laufen, erst nähere Erkundigungen bei diesem
einziehen. Solche hönnten ihm nur durch Wort oder Schrift
werden und der Gartenkünstler würde zum Dichter, denn
er giebt seine dichterischen Gedanken durch die Sprache wieder.
Haben aber beide, Autor wie der Beschauer, dieselben
poetischen Gedanken, so sind diese Gedanken fast nie ihre
eignen, sondern stets die eines dritten; sie waren aber auch
immer beiden bekannt. Suchen wir nach einem Beispiel. Mit
einer in einem Parke vorhandenen Felsschlucht verbindet
sowohl Gartenkünstler wie Beschauer die poetischen Gedanken,
die Schiller seinem Wilhelm Teil in den Mund legt, als dieser
in der engen Gasse nach Küfsnacht auf Gefsler wartet. Das
rührt aber nicht daher, dafs der Gartenkünstler es verstand,
beim Schaffen dieser Schlucht ihr seine Gedanken aufzuprägen,
sondern einfach nur, dai's beiden der Anblick dieser „hohlen
Gasse" die Schillersche Dichtung ins Gedächtnis ruft. In
beider Gedächtnis sind Dekoration (d. h. die örtliche Umgebung)
und Dichtung so zu einem Ganzen verschmolzen, dafs
eines ohne das andere nur eine unvollständige Vorstellung
dessen, was der Dichter fühlt, bildet. Versuchen Sie es einmal
an sich selbst, mein lieber Freund, ob sie die betreffenden
Scenen aus dieser Dichtung lesen können, ohne sich dabei eine
düstere felsige Schlucht zu vergegenwärtigen oder auch um-
gekehrt. Aber, wohl gemerkt, es sind dies dann nicht mehr
die persönlichen dichterischen Eingebungen jedes von ihnen,
sondern die eines dritten. Der äufsere Anlafs, von dem ich
weiter oben sprach, ist damit also vorhanden. Wenn es so
nun Leute giebt, die da behaupten, dafs ein Garten oder einer
seiner Teile poetisch sei, so müfste nach deren Meinung ja
auch der Dichter, der z. B. eine verborgene Bank besingt,

Landschaftsgärtner sein. Ich komme nun nach dem früher
Gesagten zu dem Schlufs, dafs zwei Kunstgattungen, um ver-
wandt zu sein, dieselben oder wenigstens ähnliche Ausdrucks-
mittel haben müssen. Die Poesie verfügt über das Wort, der
Gartenkunst fehlt dasselbe, es kann somit eine nähere Ver-
wandtschaft zwischen beiden nicht bestehen.

Die Schauspielkunst, die als Schwesterkunst der Poesie
ebensowenig Beziehungen zur Gartenkunst haben kann als
diese selbst, kann ich wohl kurz übergehen. Ich würde auch
gegen nähere Beziehung zwischen diesen Künsten nahezu
dieselben Gründe einwenden müssen, wie bei der Poesie; denn
die Schauspielkunst spricht ja nur das aus, was der Dichter
gewollt und gedacht hat, sie ist daher, man könnte sagen, die
Dienerin der Poesie. —

Mit Hinweis darauf, dafs auch Musik und Gartenkunst
wesentlich verschiedene Ausdrucksmittel haben, könnte ich
jede Verwandtschaft kurzweg leugnen. Sie würden aber ein-
werfen, dafs z. B. der Gesang der Vögel, das Rauschen eines
Wasserfalles oder einer Quelle, das Säuseln und Wispern des
in den Bäumen spielenden Windes von dem Begriff „Garten"
ganz untrennbar ist und unter Umständen als Musik angesehen
werden kann und oft auch angesehen wird. Die Dichter,
deren Poesien als der Ausdruck des Volksgefühls, des Volks-
mundes angesehen werden müssen, sprechen oft von dem
Sturm „der mit Orgeltönen durch die Bäume braust", oder von
den Wellen, die einen „ewigen Gesang" singen, oder auch von
„dem Zephyr, der die Zitterpappel wie eine Äolsharfe ertönen
läfst". Dagegen muls ich indessen einwerfen, dafs auch der
gröfste Gartenkünstler aufserstande ist, über Wind und Wellen
nach Gefallen zu gebieten. Beide können gewifs in hohem
Mafse sein Kunstwerk verschönen und beleben, aber sie ge-
hören nicht zu den Ausdrucksmitteln, die ihm stets und
ständig zur beliebigen Verfügung stehen. Es geht ihm wie
dem Maler, der eines seiner Gemälde ausstellt. Dasselbe ge-
winnt bedeutend in günstigem Lichte an Leben und Schönheit,
aber der Himmel thut ihm nicht immer den Gefallen, ein solch
gewünschtes Licht zu spenden. Den Wolken zu gebieten hat
er nicht die Macht. Auch der Gesang der Vögel ist nicht dem
Gartenkünstler beständig zur Hand. Er kann wohl die An-
siedelung der kleinen Sänger begünstigen, aber er ist abhängig
von einer Reihe von Umständen, die ihm auch einen Mifs-
erfolg seiner Bemühungen bereiten können. Können wir aber
andererseits das Sprudeln und Brausen eines Wasserfalles als
Musik betrachten? — Ich glaube nicht! Wir Menschen ver-
binden mit dem Rauschen des Wassers zugleich die Vorstellung
der Fruchtbarkeit und des Segens, und sind daher auch leicht
geneigt, dem reichtumerschliei'senden, erquickenden Gewässer
alle möglichen guten und schönen Eigenschaften zuzuschreiben,
die es in Wirklichkeit garnicht besitzt. Wir reden von einer
Quelle als silbern, wo ihre Wasser doch nur das Sonnenlicht
wiederspiegeln, jugendfrisch hüpfend, wo sie einfach dem Ge-
setze der Schwerkraft unterworfen ist, melodisch singend und
klingend, wo sie ein manchmal gar nicht sehr schönes und
angenehmes Geräusch hervorbringt.

(Schluss folgt.)

Verschiedenes.

Zur Prüfung der Frage, in welcher Weise die landschaft-
lichen Schönheiten des Bodethaies im Harz durch die
Errichtung mehrerer Thalsperren beeinflufst werden, hat

der Regierungspräsident in Magdeburg eine Kommission er-
 
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