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Die Gartenkunst — 2.1900

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Schneider, Charles: Eine kleine Wanderung durch Kew-Gardens, [1]
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Wieck, Hans: Fürst Pückler-Muskau in der Beurteilung seiner Zeitgenossen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0178

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166 DIE GARTENKUNST II, 9

von welchen über 50 im dortigen Garten selbst gezüchtet
sind. Sie erfreuen uns nicht durch ein sehr gutes Aus-
sehen, da man sonst oft in England Gelegenheit hat, sie
strotzen zu sehen. Es istdies jedoch auf die vielen Schwierig-
keiten, die sich dem Kultivateur entgegenstellen, wo so
viele verschiedene Gattungen in einem Hause kultiviert
werden, zurückzuführen, da man nicht jeder Gattung das
bieten kann, was sie vorlangt. Das Sortiment allein ent-
hält 200 Sorten Dendrobium, 150 Oncidium, 80 Odonto-
glossum, 90 Cattleya, 120 Epidendrum und 120 Cypripedium,

Im nächsten Hause sind prächtige Aroideen, Nepenthes,
Sarracenien in bester Kultur zu finden. Vor und zwischen
den Häusern stehen im freien Grunde ausgepflanzt prächtige
Puchsien-Sorten, förmlich übersäet mit Blüten, die einen
hübschen Anblick gewährten.

pas Succulentenhaus enthält viele seltene Cactus-Arten,
alte Pflanzen von Aloe- und Cereus-Arten, auch das herr-
liche Schlinggewächs Testudinaria olephantipes, ein sehr
altes Exemplar, in bester Kultur.

Das Cryptogamen-Haus, eine Perle des Gartens, wurde
vor wenigen Jahren mit den neuesten Einrichtungen erbaut
und enthält ein grofses Sortiment von Selaginellen, ferner
Moose sowie auch die sogenannten Höhlenfarne, welche
auf kleinen Pelsenpartien ausgepflanzt sind und sich in
bester Gesundheit befinden; sie werden mit fast fortwähren-
der Wasserspülung und unter gedämpftem Licht heran-
gezogen.

In nächster Nähe ist eine sehr alte Pflanze von Wistaria
sinensis, gegen 60 Jahre alt, von immenser Ausdehnung,
auf ein Eisengerüste gestützt, zu sehen.

Von hier aus gelangt man in das Herbaceum, wo
seltene Stauden familienweise geordnet zu finden sind,
auch ist hier ein Bassin vorhanden, worin Sumpf- und
Wasserpflanzen kultiviert werden.

Am nordwestlichen Ende des Systems steht das Museum
Xo. 2. Es enthält Kolonial-Produkte, auch die ersten Pläne
von Kew, welche im Jahre 17G4 von Rocque gemacht
worden sind.

Ein kleiner Pufsweg führt uns zur Rockery oder Alpinen-
flora, welche in einem kleinen Thale eingebettet ist und
im Jahre 1882 angelegt wurde. Hier sehen wir wieder
unsere lieblichen Kinder der Alpen, auf Pelsenpartien aus-
gepflanzt; sie scheinen sich ganz wohl zu fühlen.

Im Hintergründe sind verschiedene Zwerg-Ooniferen
(Pinns pumila) und andere Gehölze. Die dazwischen her-
vortretenden kleinen Wassertümpel sind mit Sumpf- und
Wasserpflanzen besetzt und bringen ein äufserst malerisches
Bild hervor. Seitlich hiervon sind auch die bei uns ein-
heimischen Insekten fressenden Pflanzen, wie Drosera
rotundifolia, intermedia, Pinguicula etc. untergebracht.

So sind wir am Ende dieses Thaies angelangt. Vor
uns breitet sieh auf einem kleinen Hügel eine Gruppe von
winterharten Farnkräutern aus, von schönen Castanea vesca
beschattet. Zur rechten, etwas erhöht, erblicken wir den
Tempel des Aeolus, des Gottes des Windes, von hohen
Birken und Ulmen umgeben. Der ganze Hügel ist mit
Crocus, Galanthus nivalis, Narcissen etc. bepflanzt und
gewährt im zeitigen Frühjahr einen sehr hübschen Anblick.

Zwischen hohen Baumgruppen verborgen liegt das
Museum No. 1, die ehemalige Orangerie, welches jetzt
seltene Holzarten aus den Tropen enthält. Nach wenigen
Minuten erreichen wir den Kew-Palast, einen alten ehr-
würdigen Bau, welcher z. Zt. für ein Museum eingerichtet
wird.

Eine Allee von Birken führt uns an einer sehr alten
Baumgruppe vorüber, genannt „The seven sisters" (die
sieben Schwestern); sie besteht aus Ulmen, welche noch
unter Georg III. gepflanzt wurden und über 100 Jahre alt
sind. Auf breiten, in schönen, weiten Kurven angelegten
Wegen gelangen wir in die waldigen Teile des Parkes und
geniefsen so mancherlei Abwechslung nicht nur im Be-
stände der Gehölze, die sich teils durch ihre Blüten und
Blätter, teils durch ihre Früchte auszeichnen, sondern auch
durch die Bewegung der Bodenfläche, durch die Veränderung
der Scenorien und durch die weiten Durchsichten und
Fernblicke. Wir gelangen zu einer Gruppe von über 100
Jahre alten Rofskastanien, durch ihre Gröfse besonders
imponierend.

Zu unserer linken, in einem Thale eingebettet, befindet
sich die Rhododendron-Avenue. Sie wurde im Jahre 1770
angelegt. Auf beiden Seiten sind die Abhänge mit herr-
lichen Rhododendron von 4—6 m Höhe bepflanzt. Das
Sortiment zählt gegen 180 Varietäten. Sie strotzen vor
Gesundheit und sind jetzt mit zahllosen Knospen besetzt.
Diese Avenue übt im Frühjahr zur Zeit der Blüte einen
unbeschreiblichen und unvergefslichon Eindruck aus. Bald
stehen wir mitten unter prächtigen Bambusen und anderen
Gramineen. (Sciüuss folgt.)

Lebensbilder bedeutender Gartenkünstler.

Fürst Pückler - Muskau
in der Beurteilung .seiner Zeitgenossen.
Von Hans Wieck.

(Portsetzung.)

Fürst Hermann von Pückler-Muskau entstammte einem
alten adeligen Geschlecht, das seine Ahnen bis auf den in der
Nibelungensage vorkommenden Rüdiger von Bechlarn zurück-
zuführen suchte. (Wenn dies auch nicht gelungen ist, so ver-
ehrte ihn Pückler doch stets als seinen Stammvater, wie das
im Park von Muskau stehende Denkmal zeigt.) Am ?0. Oktober
1785, einem Sonntag, wurde Pückler von einer kaum lFjährigen
Mutter geboren. Diese hatte sich in dem Alter von 14 Jahren
mit dem 30jährig.en Grafen Pückler auf Branitz vermählt und
brachte ihm die prachtvolle Standesherrschaft Muskau zu. Die
Ehe war aber keine glückliche. Klementine von Kallenberg
soll sehr schön, aber auch leichtsinnig und flatterhaft gewesen
sein und zu dem bedeutend alteren, schwer zugänglichen Mann
wenig gepulst haben. Die Erziehung des ersten Sprölslings
war bei der Jugend und den erwähnten Eigenschaften der
Mutter keine gute. Der Vater konnte sich nicht damit be-
lassen, da er sich mit der Verwaltung seiner beiden grofsen
Güter Muskau und Branitz beschäftigen mufste und seine
Stellung als kursächsischer wirklicher Geheimrat den übrigen
Teil der freien Zeit beanspruchte. Die Mutter vertauschte
gewissermal'sen ihren Erstgeborenen mit der Puppe und be-
handelte und erzog ihn demgemäl's. Sie „erzog", je nach der
 
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