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Die Gartenkunst — 2.1900

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Mathieu, C.: Der Schnitt der Ziergehölze, [1]
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Fetisch, Karl: Verwundete Obstbäume
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0021

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DIE GARTENKUNST

Strauch und eine runde Krone herstellen; wie gedrechselt
sieht solcher Zierstrauch nach diesem Verfahren aus und
der Gartenkünstler, der dieses schöne Werk vollbrachte,
sieht mit Genugthuung auf seine Arbeit und" freut sich
dessen.

Ich sehe dies jahraus, jahrein, wenn ich mit der Stadt-
bahn von Westend nach Berlin fahre. Wie hübsch sind
nicht die Philadelphus. Caraganen, Syringen, Symphori-
carpus etc. rund geschnitten, und wie erfreut sich das
Auge an dem frischen saftigen Grün der so verhunzten
Gehölze, aber eine Blume, einen Blütenstand, ein Blüten-
meer verlange man nicht nach diesem Verfahren, nur eine
einförmige grüne Wand ist alles, was die mit Carbolineum
gestrichene braune Holzwand deckt. Gedankenlos und ohne
Verständnis für die einzelnen Genera oder Arten schneidet
solch ein sogenannter Gärtner jährlich diese Anlage er-
bärmlich zusammen, er frägt nicht, was soll der Zweck
des Schnittes sein, worauf gründet er sich, welches ist der
Erfolg, den man dadurch zu erwarten hat? Geschnitten
mufs werden, folglich wird geschnitten. Merkwürdig ist
es, dafs noch niemand der dort interessierten Beamten sich
frägt oder gefragt hat, wie es denn komme, dafs man
stets grüne Sträucher sieht, die selten oder noch nie eine
Blüte zeigten, wo doch die Farben weifs, gelb, lila etc.
gewifs für längere Zeit zur Ausschmückung des Bahnkörpers
dienen würden, oder will man kein derartiges Farbenspiel,
sondern nur die grüne Fläche? De gustibus . . .

Man könnte die Frage aufwerfen: Ist es überhaupt
notwendig, die Ziergehölze zu beschneiden? Man könnte
im allgemeinen mit Baltet behaupten: Nein, in gewissen
Fällen: Ja! Ein Zierstrauch, sich selbst überlassen, wirft
rechts und links seine Triebe, bedeckt sich mit Blüten
mehr oder weniger in diesem Jahre, im folgenden weniger
oder mehr, um nach zwei Jahren in voller Pracht sich zu
zeigen und sich nach etwas Ruhe wieder der Entfaltung
des Holzes und der Blüten zu widmen. Ehe man schneidet,
mufs man vor allen Dingen sich fragen, was ist der
Zweck? Man kann behaupten, dafs zunächst die Form der
Pflanze gewahrt bleibe, und in der That ist wohl dieser
Grund stichhaltig. Die beschnittenen immergrünen Ge-
hölze mit ihren geometrischen, selbst oft tierischen Formen
sind naturwidrig, aber annehmbar, handelt es sich dagegen
um blühende Gehölze und Sträucher, so mufs ihre Form
eine natürliche, gefällige und hübsche sein. Man entferne
daher aus derselben alle unschönen Triebe, Wasserreiser
und Loden, die auf Kosten der andern Triebe sich breit
machen, die Form beeinträchtigen und verschlechtern, und
lichte den Strauch durch Entfernung der abgestorbenen,
alten, abgetragenen Zweige aus, ohne denselben mit der
Schere schablonenmäfsig zu verkürzen.

Es frägt sich nun, zu welcher Zeit soll man den
Blütenstrauch beschneiden ?

Baltet in seinem Werke: Die Bäume und Sträucher
zur Zierde im Freien u. s. w. sagt: Im allgemeinen könnte
man den Grundsatz für den Schnitt der Ziersträucher
folgendermafsen aufstellen:

»1. Man schneide während der Zeit der Saftruhe die-
jenigen Arten, welche während des Wachstums an den

jungen krautigen Trieben blühen; dies ist der Winterschnitt
vor dem Erscheinen des Saftes oder der trockene Schnitt.
(Z. B. Rosen.)

2. Man schneide im vollen Wachstum, sobald die Blüte-
zeit vorüber, diejenigen Arten, welche ihre Blüten bei der
Saftaufsteigung öffnen, auf die Triebe des vorigen Jahres
oder noch ältere Triebe; dies ist der Frühjahrsschnitt oder
der grüne Schnitt. (Z. B. Flieder.)

In beiden Fällen mufs man so schneiden, dafs die
Blüten gut entwickelt in die Periode des Aufblühens
gelangen.

Das Abkneipen und das Auslichten im Frühjahr kräftigt
die langen Triebe oder läfst sie sich verzweigt entwickeln,
wenn sie im Winter oder im kommenden Frühling blühen
sollen.

Der Schnitt ist lang, wenn man der Pflanze mehr Holz
läfst, kurz, wenn man ihr mehr entnimmt, ein vereinigter
Schnitt, wenn man die beiden Arten auf demselben Ge-
hölz anwendet; es ist vorzuziehen, diese Art und Weise
des Schnittes wechselweise zu bewerkstelligen. Übrigens
ist der lange Schnitt oder die Unterlassung jeglichen Schnittes
den übermäfsigen Verstümmelungen vorzuziehen.

Wir empfehlen überall und immer bezüglich des
Schnittes der Bäume, Halbsträucher und Sträucher das
Auslichten des zu dichten Astwerkes, das Verjüngen durch
die Entfernung der alten, ermüdeten, unfruchtbaren Triebe
durch neue, kräftige, endlich in Bezug auf Sauberkeit das
Wegkratzen der Rindenstückchen, der Moose, Flechten, die
Entfernung des toten Holzes, der Aststumpfe, der „Weiden-
köpfe" und der Überreste der abgeblühten Blütenstände."

Baltet giebt nun eine Liste derjenigen in Frankreich
im Freien aushaltenden Gewächse, Sträucher, Halbsträucher
und Bäume, die auch für uns interessant und wichtig
genug ist, um bekannt gemacht zu werden; sie wird be-
sonders in landschaftlicher Gärtnerei, wo man den Schnitt
der Blütensträucher so hübsch, wie oben bemerkt, ange-
wendet findet, ein Hilfs- und Nachschlagebuch für diejenigen
sein, die auf diesem Pferde nicht sattelfest sind, und bei der
ersten Gelegenheit Aussicht haben, in den Sand zu fliegen.

Prüfen wir also nach der Anweisung Baltets kurz die
holzigen Gewächse, die im blühenden Zustande ein Schmuck
unserer Anlagen sind, indem wir hierbei die Behandlung in
Betracht ziehen, deren sie im Schnitte bedürfen. Zuerst
die kleinen Bäume, dann die grofsen und niedrigen Sträucher,
zuletzt die Bäume von grofsem Umfange.

(Fortsetzung folgt.)

Obstbau.

Verwundete Obstbäume.

Von Karl Fetisch, Kreisobstbautechniker in Oppenheim.

Wohl selten ist ein organisches Wesen so häufig Be-
schädigungen und Verwundungen ausgesetzt, als gerade
der Baum. Steht derselbe im Felde, so beschädigt den-
selben ein unachtsamer Arbeiter mit dem Ackergerät,

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