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Die Gartenkunst — 2.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0069

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58 DIE GARTENKUNST Ii, ä

Wie in der Eingabe selbst zutreffend bemerkt wird, ist
die. „Landschaftsgärtnerei" als solche in dem landwirtschaft-
lichen Unfallversicherungsgesetz nicht erwähnt; es ist
vielmehr neben der Land- und Forstwirtschaft dort nur
der „Kunst- und Handelsgärtnerei" als versicherungs-
pflichtiger Betriebe gedacht worden — § 1 Absatz 1 und
5 des landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes —,
Hieraus ist zu folgern, und auch vom Reichsversicherungs-
amt in seiner bisherigen Praxis gefolgert worden, dafs die
Betriebe der Landschaftsgärtner nur insofern der Unfall-
versicherung unterfallen, als sie die Eigenart eines dieser
obengenannten Betriebe oder eines solchen Betriebes auf-
weisen, welcher nach einem der anderen Unfallversicherungs-
gesetze versicherungspflichtig ist, insbesondere eines Tief-
baubetriebes. Hiernach gehören der zuständigen landwirt-
schaftlichen Berufsgenossenschaft nur diejenigen Land-
schaftsgärtnereien (Betriebe der Gartenarchitekten, Garten-
künstler, Garteningenieure) an, bei welchen die Boden-
bewirtschaftung — sei es in Form der eigentlichen Land-
oder Forstwirtschaft, sei es in Gestalt der Kunst- und
Handelsgärtnerei — Hauptbetrieb, und die Anlegung von
Gärten für fremde Auftraggeber — durch Bodenbewegungen
und Anpflanzungen — nur Nebenbetrieb ist (zu vergleichen
Rekursentscheidung 1767, Amtliche Nachrichten des R. V.
A. 1899 Seite 583).

Unterhält der Landschaftsgärtner (G artenarchitekt,G arten-
kiinstler etc.) keine eigene Bodenbewirtschaftung oder nur
eine solche, welche nicht als Hauptbetrieb seines ganzen
Unternehmens zu betrachten ist, so kann seine Landschafts-
gärtnerei — sofern sie nicht etwa mit dem Hauptbetrieb
anderweit versichert ist — nur als Tiefbaubetrieb in die
Versicherung einbezogen werden.

Es wird seitens des Reichs-Versicherungsamts nicht ver-
kannt, dass dieser der derzeitigen Gesetzgebung ent-
sprechende Zustand die dortseitigen Wünsche nicht be-
friedigt. Das Reichs-Versicherungsamt hat indessen da-
von Abstand nehmen müssen, hierin zur Zeit eine Ände-
rung eintreten zu lassen, nachdem die weitaus überwiegende
Mehrheit aller befragten Berufsgenossonschafts-Vorstände
sich dagegen ausgesprochen hat, insbesondere die land-
wirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sich entschieden
geweigert haben, die Unfallversicherung der Landschafts-
gärtnereien in dem dortseits begehrten Umfange zu über-
nehmen.

Überdies ist seitens der verbündeten Regierungen eine
grundsätzliche Neuregelung der Unfallversicherungs-Gesetz-
gebung in die Wege geleitet; es wird sich empfehlen,
das Ergebnis der darüber schwebenden Verhandlungen der
gesetzgebenden Organe abzuwarten.

Herr Vogeler, der sich nunmehr zum Wort meldete, gab
der Befürchtung Ausdruck, dal's in der Eingabe an das Reichs-
Versicherungsamt die Erdarbeiten zu sehr hervorgehoben seien.
Der Landschaftsgärtner müsse sich, da das Gesetz diesen Beruf
nicht kennt, Kurist- und Handelsgärtner nennen, welcher im
Gesetz aufgeführt und der Landwirtschaft zugeteilt sei. Nach
seiner Ansicht blieben zufolge des Bescheides nur drei Schritte
zu thun übrig: Mit Bezug auf die dem Reichstag zur weiteren
Beschlufsfassung vorliegende Novelle zum Unfallversicherungs-
gesetz bei diesem vorstellig zu werden; zweitens zu versuchen,
einen der Herren Abgeordneten für die Angelegenheit zu
gewinnen und fürs ^dritte, durch die Presse auf diese Mifs-
stände aufmerksam zu machen. Redner machte dann auf das
Bedenkliche aufmerksam, dem Tiefbau zugeteilt zu werden,
bei welchem die- Beiträge für die niedrigste Gefahrenklasse

bedeutend höhere seien, als diejenigen bei der landwirtschaft-
lichen Berufsgenossenschaft. Zweifelhaft wäre ferner, wo denn
die Versicherung für die mit dem Beschneiden der Bäume
beschäftigten Leute stattzufinden hätte; am nächsten dürfte
die Forstwirtschaft, wo Bäume gefällt und ähnliche Arbeiten,
wie in unserem Betriebe verrichtet werden, liegen, umsomehr
noch, als der Betrieb der Kirchhöfe, wo alltäglich Erdgruben
hergestellt werden, wie sie höchst selten im gärtnerischen
Betriebe vorkommen, zur letzteren Genossenschaft gehörten.

Der Schriftführer konnte sich den vom Vorredner empfohlenen
Schritten nicht anschliefsen, da gerade auf Wunsch des Reichs-
tages in der neuen Novelle durch das Genossenschaftsstatut
bestimmt werden kann, dal's die Versicherung auch bei den
dem Betriebe der Land- und Forstwirtschaft dienenden Neben-
betrieben gewerblicher Betriebe nach den Bestimmungen des
Gewerbe-Unfall-Versicherungsgesetzes zu erfolgen hat. Es soll
ferner bestimmt werden, dafs mit dem Inkrafttreten des Ge-
setzes die Betriebe, die die Einweisung in eine höhere Gefahren-
klasse bedingen, aus der Versicherung bei der Landwirtschaft
ausscheiden.

Herr Encke wollte die Sache noch nicht als erledigt an-
sehen und schlug vor, beim Reichsversicherungsamt nochmals
mit dem Ersuchen vorstellig zu werden, diesseitige Vertreter
anhören zu wollen. Diesem Antrage stimmte die Versammlung
zu und beauftragte den Vorstand, das diesbezügliche Weitere
zu veranlassen.

Nunmehr hielt Herr Vogeler den angekündigten Vortrag
über „Modernes Buschobst". Redner ging in seiner Einleitung
ausführlicher auf die Geschichte des Obstbaues und dessen
Ausbreitung in diesem Jahrhundert ein. Buschobst sei nichts
Neues, höchstens der Name; denn schon in allen bekannten
Werken über Pomologie, die im Anfang und Mitte des 19. Jahr-
hunderts herausgegeben wurden, wird von Buschbäumen, zu
deneh Zwergbäume auch gerechnet wurden, und deren Anzucht
gesprochen. In den 60er und 70er Jahren waren sie dann
aul'ser Mode gekommen, da man in den Unterrichtsanstalten
zu sehr dem strengen Formschnitt zuneigte und diesen viel
verbreitete. Nachdem man nun zu der Einsicht gelangt war,
dafs der strenge Schnitt nicht angebracht sei und dieser die
Obsternte geringer gestaltete, habe wieder eine freiere und
ungezwungenere Anzucht der Obstbäume Platz gegriffen. Mit
nichten dürfe aber gesagt werden, dafs an den Buschbäumen
garnicht geschnitten werden dürfe. In den ersten Jahren nach
der Veredelung müsse geschnitten werden, ebenso dürfe später
eine zweckentsprechende Auslichtung des Baumes nicht ver-
säumt werden. Die Buschbäume dürften sich vorzugsweise
zum Bepflanzen von Eisenbahndämmen, deren Verwendung zu
anderen Zwecken leider sehr beschränkt sei, eignen; nicht
minder aber auch für Gutsgärtnereien, wo es oftmals an der
erfahrenen Kraft mangele. Trotzdem sollte anderseits nicht
verkannt werden, dafs für gröfsere Betriebe der Halbhochstamm
geeigneter sei, da dieser noch eine anderweitige Bestellung
des Bodens zuliefse.

Redner besprach dann noch die Unterlagen und diejenigen
Arten unseres Obstes, die sich für Buschobst eignen und schlol's
seine äufserst interessanten Mitteilungen mit dem warmen
Appell an die Anwesenden, beim Schnitt der Obstbäume nicht
allzu akademisch vorzugehen, aber auch anderseits nicht, den
neuen Lehren einiger Herren folgend, jedweden Schnitt zu
unterlassen.

Der Vorsitzende erstattete dem Vortragenden warmen Dank,
welchem die Versammlung durch Erheben von den Plätzen
zustimmte, für seine auf innerer Überzeugung beruhenden
und in langjähriger Erfahrung gesammelten Ausführungen.
 
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