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Die Gartenkunst — 2.1900

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Goethe, Rudolph: Die Luisenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0082

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II, 4 DIE G ARTENKUNST 71



Scenerie sieht, wie sich eine solche nur
die kühnste Phantasie ausmalen kann. Da
stehen und liegen nicht etwa nur einzelne
gewaltige Pelsblöcke, sondern ganze Fels-
wände von einer mit menschlichen Begriffen
kaum zu erfassenden Gewalt durch einander
geworfen, wild und manchmal drohend über-
einander lagernd.

Durchklettern wir nun an der Hand
einer kleinen, hier beigefügten Orientierungs-
karte von E. Trümbach (siehe Seite 70)
das gesamte Gebiet der Luisenburg, welches
nach den Angaben von Ch. K. Perlsch
650 m lang und 270 m breit ist und bis zu
seiner höchsten Stelle ca. 100 m ansteigt
Nach demselben Autor stand in früherer
Zeit auf dieser Höhe die Luxburg (Luchs-
burg), von der noch einige Überbleibsel
unter der Bezeichnung „altes Schlofs" vor-
handen sind. Erst in neuester Zeit hat man
noch die Reste einer zweiten Burg entdeckt.
Ende des vorigen und Anfang dieses Jahr-
hunderts machte man die einzelnen Partien
zugänglich und 1805 taufte man aus Anlafs
eines Besuches des preufsischen Königs-
paares die Luxburg in „Luisenburg" um.
Seither hat es der Magistrat von Wunsiedel,
welcher Stadt das Gebiet gehört, an Eifer,
Mühe und Kosten zur Erhaltung und Ver-
schönerung der Anlage nicht fehlen lassen,
wofür ihm der wärmste Dank aller Natur-
freunde um so mehr gebührt, als die Luisen-
burg jedermann kostenlos zugängig ist.
Und es gehört immerhin etwas dazu, so
viele teilweise recht hohe Treppen, allerlei
Brücken und zahlreiche Wege so zu unter-
halten, dafs man sich ihnen unbesorgt an-
vertrauen und trockenen Fufses darauf vfad in den Ltüsenburg-Anlagen bei Wunsiedel.

gehen kann.

Dem Wanderer tritt vielleicht zu oft in Gestalt von das Theater, dessen natürliche Bühne nach Art eines
vielen Inschriften die empfindsame, gemütlich überreiche Amphitheaters mit Sitzplätzen aus Fichtenholz umgeben
Anschauung entgegen, wie sie Ende des vorigen und zu ist. Hier wurde Ende des vorigen Jahrhunderts Theater
Anfang dieses Jahrhunderts herrschte und deren Inhalt gespielt und es soll auch heutigen Tages noch mitunter
unwillkürlich an Biedermaier erinnert. Aber der mensch- geschehen. Selten wohl findet man eine solche Schau-
lich-weiche Ton mildert ganz wohlthuend die Schroffheit bühne, wo Felsen und Bäume die Kulissen bilden und die
der Natur und man fühlt sich unwillkürlich auf dem Wege Zuschauer im Schatten des Waldes, inmitten einer so
durch das Felslabyrinth in steter Gesellschaft von guten, grofsartigen Natur den Werken der Dichtkunst lauschen
sanft empfindenden Menschen. können. Hier ist der richtige Boden zum Vortrage eines

Eine genaue Aufzählung und Schilderung der schönsten Heldengedichtes, wie es den Kampf von mutigen Rittern

Punkte zu geben, liegt um so weniger in der Absicht, als mit Riesen und Zwergen schildert!

diese Zeilen recht viele Freunde grofsartiger Natur zu Vom Theater steigt man 5 Treppen mit 78 Stufen
einem Besuche der Luisenburg veranlassen sollen. Eine zwischen Felsblöcken steil empor zum Luisensitze, einem
Beschreibung im eigentlichen Sinne des Wortes würde aucli Platze inmitten wunderherrlicher Waldeseinsamkeit. Nun
bei voller Begeisterung nur kleinlich ausfallen und die biegt ein schmaler Pfad seitwärts hinab durch die Wolfs-
Wirklichkeit nicht entfernt erreichen. Darum mögen einige schlucht und zieht am Bergeshange hin (Fig. 2) oder er
Streiflichter genügen. führt wieder hinauf zwischen die Felsblöcke hinein. Zur
Wenn man das Restaurations-Gebäude vorlassen hat wirkungsvollen und naturgetreuen Beschreibung fehlen die
und sich etwas nach links wendet, erreicht man sehr bald Worte. Bald geht es unter gewaltigen Felsmassen halb-

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