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Die Gartenkunst — 2.1900

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Koopmann, Karl: Begründung des Schnittes der Gehölze aus ihrem natürlichen Aufbau, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0102

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DIE GARTENKUNST

Alten. Hin und wieder habe ich trotzdem die Beobachtung
gemacht, dafs eine Anregung dankbar angenommen wird;
und wenn sie nur zur Selbstbeobachtung und Selbstkritik
reizt, so hat sie schon ihren Zweck erfüllt. Ich betone
auch vorweg, dafs joder Versuch, Hantierungen mit Gehölzen
oder anderen Pflanzen einen gesetzmäfsigen Anstrich zu
geben, seine Mängel haben wird, und kann solch Versuch
daher nur die Bestimmung haben, zum Vergleich und
weiteren Selbststudium anzuregen, niemals aber als Schablone
zu dienen.

Ich schicke meinen Betrachtungen über Gehölzschnitt,
der dem natürlichen Aufbau der Pflanze Rechnung tragen
soll, eine kurze Entwickelung des allgemeinen Lehrganges,
durch welchen ich bestrebt gewesen bin. jungen Leuten
ein Interesse an der Sache aufzunötigen, voraus, weil
dieser Lehrgang in ursächlichem Zusammenhang mit dem
weiteren Ausbau meiner Theorie über Gehölzschnitt steht.

I »er einfachste, am leichtesten verständliche Gehölz-
schnitt, entwickelt aus dem Aufbau architektonischer Formen,
ist der Heckenschnitt; derselbe erfordert eine gewisse
Handfertigkeit, welche sich jeder Jünger des Gartenbaues
schon in der Lehre aneignen mufs. Bei einer Hecken-
Anlage liegt die künstlerische Idee in der Anordnung der
Linien; die Erhaltung erfordert nur eine gewisse technische
Begabung. Der eigentliche Heckenscherenschnitt befriedigt
aber das empfindlichere und verwöhnte Auge nicht; die
abgestutzten Zweige beleidigen das Auge namentlich bei
immergrünen Hecken. Diesem Übelstande abzuhelfen be-
dient man sich der Rosen- oder Baumschere, indem man
die Form der Heckenwände durch Herausholen der längsten
Verzweigungen aus dem Innern der Hecke zu erhalten
sucht; die schwächeren Zweige bleiben stehen, die gestutzten
oder vielmehr zurückgesezten Zweige sind unter den
ersteren versteckt, eine Schnittfläche tritt nicht zu Tage,
Eine solche Heckenbehandlung erfordert den doppelten bis
dreifachen Zeitaufwand und stellt an das Auge des Arbeiters
höhere Anforderungen. Durch diese Behandlungsart kann
man aber des weiteren jede zu breit werdende Hecke un-
merklich und allmählich verjüngen, ohne Anwendung von
Gewaltmafsregeln, welche wieder das Auge beleidigen
würden. Fichtenhecken, welche im guten Zustande einen
sehr angenehmen Eindruck machen, sind auf die Dauer
nur durch solchen Schnitt zu erhalten, weil jeder Hecken-
scherenschnitt die unteren Partien kahl macht: denn das
ununterbrochene Kappen der allein triebfähigen Endknospen
bedingt solche Wirkung. Der Jünger der Gartenkunst wird
in dieser kurz skizzierten Heckenbehandlung einen Fort-
schritt seiner Thätigkeit erblicken, weil sie gröfsere An-
forderungen bezüglich seiner Aufmerksamkeit und Gedanken-
arbeit stellt, ohne ihm gar schwer verständliche Probleme
zuzumuten.

Wir verlassen nun aber die Hecken-Anlage, um im
schroffsten Gegensatze zu ihr den Parkwald zu betreten
und um hier unser Studium an den natürlichen Formen
in der Wald-Einsamkeit zunächst weiter auszubauen. Wir
lassen den Eindruck, den ein Misch- oder Plänterwald
auszuüben vermag, voll auf uns einwirken; wir sind natürlich
nicht zum Spazierengehen dort, sondern in Ausübung

unserer beruflichen Thätigkeit und diese gipfelt in der
Aufgabe, die Schönheit des Waldparkes zu erhalten oder
gar zu mehren; und nun schildere jemand den grellen
Mifston, welcher unser Empfinden und unsere Stimmung
herabsetzen würde, wenn uns hier ein Mensch mit der
Heckenschere in den Weg träte.

Vor einigen Jahren fiel mir die Aufgabe zu, unter
Tausenden von Hektaren Waldes Fürstlichen Besitzes in
Oberschlesien ein Plätzchen aussuchen zu helfen, welches
geeignet erschien zur Anlage eines Jagdschlosses, dessen
Umgebung gelichtet und waldparkartig ausgestaltet werden
sollte. Bewegtes Terrain, ein kleiner Flufslauf mit Wiesen-
terrain und schöner Baumwuchs im Mischbestande waren
mafsgebend und der Platz war festgelegt. Aussichten,
Waldschluchten, schönste Bäume mufsten freigelegt werden,
und in 5 Tagen Arbeit mit geschulten Holzhauern war der
Waldpark in seinen Grundzügen fertig gestellt. Eine
bequeme Art, Parks anzulegen; gewifs, wenn auch nicht
jeder Gärtner in der angenehmen Lage sich befindet, auf
solche Weise wirken zu können, so gehört es doch zweiffellos
zur Aufgabe und Schulung des angehenden Fachmannes,
sich in Wäldern selbst Probleme zu stellen und in seiner
Phantasie Bilder zu schaffen. Was lehrt uns aber solch
Ausholzen, Freistellen und Bildermachen für den Schnitt
der Gehölze? — Es lehrt uns die Hauptregel allen Gehölz-
schnittes im grofsen Stil und Rahmen: Ganze Arbeit
dort, wo sie Not t h u t Und Ausschluls aller
Schnippeleien und Nörgeleien mit den Gehölzen,
welche ihren Charakter bewahren sollen. Wie wir einen
Wald auslichten durch Fortnahme ganzer Bäume oder gar
ganzer Partien, so werden wir auch einem einzelnen
Gehölze zu Leibe gehen müssen, wenn es sich dem Kultur-
zweck oder der Formen-Schönheit zuwider aufgebaut hat.

Da steht so ein breitspuriger Mafsholderbusch im
Walde, der die schönste Aussicht vordeckt; von der Kehr-
seite jedoch deckt er, gruppiert sich zwischen anderen
Gehölzen am abschüssigen Hange aufserordentlich an-
sprechend in seiner schönen, dichten, mooskrausen Be-
laubung. Ein Ausroden ist daher ausgeschlossen, aber in
seiner Ausdehnung, vornehmlich nach oben, mufs er
reduziert werden. Da hilft uns in einfachster Weise der
Heckenscherenschnitt; was eine bestimmte Höhe überragt,
wird fortgeschnitten. Es giebt keine Thorheit, welche
so grofs wäre, dafs sie nicht gar oft gemacht
würde; so auch hier. Heckenscherenschnitt liefert
Besen-Vegetation, und je länger wir diesen Schnitt zur
Anwendung bringen, desto wandarttger wird die Deckung,
desto struppiger der sprossende Trieb, desto unnatürlicher
das Aussehen des Holderbusches.

Das Kappen der Bäume und Baumsträucher im Park
spricht ebenso wie das Stutzen und der Heckenscheren-
schnitt an Alleebäumen jeder natürlichen Entwickelung
Hohn; und dabei ist es so unendlich leicht, einen anderen
Weg einzulenken, welcher dem natürlichen Aussehen und
namentlich der natürlichen ferneren Entwickelung keinen
Abbruch thut. Der gröfste und höchste buschige Bäum-
st rauch kann, wie auch die meisten Hochstamm-Kronen -
wenn es not thut — auf die Hälfte, ja auf ein Viertel
 
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