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Die Gartenkunst — 2.1900

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Der Centralfriedhof zu Hamburg - Ohlsdorf
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184 DIE GARTENKUNST 11,8

Etwa 3/n des Terrains, und zwar der höher gelegene
Teil, ist drainiert. Der übrige, tiefer gelegene Teil besteht
aus sandigem Boden, der stellenweise mit einer dünnen
Lehmschicht überlagert ist.

Die Teiche liegen an den tiefsten Auffangstellen. Das
überschüssige Wasser strömt über ein Wehr, bildet einen
kleinen Wasserfall und fliefst in einem schmalen, flachen
Bache weiter, um im Boden zu versickern. Bei gröfserem
Andränge wird das Wasser von einem Rohrwerk auf-
genommen und von beiden Teichen in die Thalstrafse ge-
führt. Hier verteilt es sich im Boden, und zwar ist zwischen
den Alleebäumen das Rohr unten offen, so dafs das Wasser
von einem Rost von Drainröhren den Wurzeln zur Be-
wässerung zugeführt wird. Angebrachte Ventile gestatten
jederzeit eine Regulierung der ablaufenden Wässer."

Nach Erläuterung der Bedingungen, die für die Zweck-
mäfsigkeits formen der Plangestaltung gegeben waren,
um den weitesten hygienischen Anforderungen, den Sitten
und Gebräuchen, sowie der Identifizierung und untrüglichsten
Nachweisung der Verstorbenen völlig zu entsprechen, fährt
der Verfasser folgendermafsen fort:

„Der Kunst fällt nun die Aufgabe zu, diese oft sehr
spröden und heterogenen Verhältnisse in schöner Gestal-
tung zur Erscheinung zubringen. Der Friedhof soll nicht
eine Stätte der Toten und der Verwesung sein; freundlich
und lieblich soll alles dem Besucher entgegentreten und
dadurch der Ort aus der umgebenden Landschaft heraus-
gehoben und geweiht werden.

Mit der Erweiterung des Kompositions-Materials von
Erde, Pflanzen und Wasser durch Bauten, Strafsen und
die mancherlei kleinen Bedürfnisse, die Anregung zu
kunstgewerblichen Arbeiten geben, erweitert sich auch der
Begriff der sogenannten „Landschaftsgärtnerei" und führt
zur „Landschaftsbildnerei".

Bilder schaffen ist der Grundgedanke überall, und
alles, sei es Pflanze oder Bau, Grabmonument oder Gräber-
komplex, Wegständer oder Plakatpfahl, alles mufs sich ein-
fügen in das Gesamtbild, in dem Gebilde aus Stein, Holz
oder Eisen mit den Gebilden aus Blumen, Pflanzen und
Bodenplastik ohne Bevorzugung des einen oder anderen
Teiles das Mafs ihrer Berechtigung erhalten.

Dieser Gesichtspunkt befriedigt am leichtesten den
Landschaftsmaler, weil alles malerisch sich anpafst; der
spezialistische Beschauer wird oft eine stärkere Betonung
seines Spezialgebietes wünschen. Architekten werden oft
kleine Kirchen in den gewohnten historischen Formen für
die Kapellen richtiger halten, der mehr botanisch als
malerisch schaffende Gärtner wird in mancher Gruppe der
Einzelpflanze mehr Berechtigung wünschen, und der Wege-
und Strafsenbauer wird oft nicht befriedigt sein, wenn
durch die Bodenplastik seine gewohnten Regeln nicht er-
füllt sind.

Bei Abwägung der harmonischen Gesamtstimmung wird
aber eine gewisse Beschränkung nach der einen oder
anderen Richtung der beteiligten Bau- oder gärtnerischen
Arbeiten stets stattfinden müssen.

In der richtigen malerischen Vereinigung von Archi-
tektur, Skulptur und Landschaftsgärtnerei liegt ein

weiter Spielraum für die Phantasie und ein unerschöpfliches,
freies Arbeitsfeld; und ein Friedhof, naeh diesen Ge-
sichtspunkten geleitet, könnte vorbildlich werden für
das harmonische Zusammenwirken von Architektur,
Skulptur und Landschaftsgärtnerei.

Zwei Hauptgesichtspunkte sind es, unter denen die
Pflanzenwelt betrachtet zu werden pflegt: der wissen-
schaftliche und der malerische, den man auch ganz all-
gemein den künstlerischen nennen könnte. Beiden
Richtungen ist auf dem Ohlsdorfer Friedhofe nach Möglichkeit
genügt. Der Botaniker, sowohl der Dendrologe wie der
Blumenkenner, findet reichen Stoff für seine Anschauung.
In ausgezeichneten Exemplaren ist z. B. so ziemlich alles
zusammengestellt, was an Coniferen auf der Welt existiert;
sind doch die Nadelhölzer für einen Friedhof ganz be-
sonders als Schmuckbäume geeignet. Aber auch unsere
Laubbäume, z.B. Linden, Buchen (im Waldrand), Eichenu. s.w.
sind in sehr reichhaltigen Sortimenten vertreten, nicht
minder Stauden- und Strauchgewächse aller Art, so dafs
jeder Besucher, der sich für Baumkultur interessiert, be-
friedigt sein wird.

Auch dem Blumenfreund wird zu jeder Jahreszeit irgend
etwas geboten, was sein Auge erfreut. Auf die Christrose,
die ihre schönen weifsen Blüten aus dem Schnee hervor-
streckt, folgen bei den ersten wärmeren Sonnenstrahlen
Schneeglöckchen und Märzveilchen, dann andere Anemonen,
Primeln und mancherlei frühblühende Gesträuche, worauf
sich Pirus, Syringen, Rhododendron und der gröfste Triumph
der Natur, die Rose, anschliefsen. Den Schlufs machen
spätblühende Gewächse, wie Dahlien, Astern u. s. w. in
ihren sehr zahlreichen Spielarten, bis der eintretende Winter-
frost die letzten Rosen entblättert.

Es ist Sorge getragen, dafs sich die blühenden Gewächse
möglichst über den ganzen Friedhof verteilen, dafs aber
jede der Haupt-Gattungen an einer Seile gewissermafsen
einen Höhepunkt hat. So blüht z. B. die Christrose an dem
Waldwege, Leberblümchen (Anemone hepatica) und Schnee-
glöckchen finden sich an beiden Teichanlagen und im
hinteren Waldgürtel, Pirus und Primeln haben ihren Glanz-
punkt am Südteich; Syringen sind überall verteilt, aber die
schönsten Exemplare und. reichsten Gruppen bietet die
Teichstrafse und die Umgebung der 3. Kapelle. Rhododendron
und Azaleen blühen in kaum anderswo noch zu findender
Fülle am Nord- und Südteich, auf dem Ehrenfriedhof und
beim Geologischen Hügel. Die Rosen haben ihren Centrai-
punkt im Rosarium am Südteich, wo sie in überwältigender
Fülle in Bezug auf Vollständigkeit der Arten und Menge
der schönsten Exemplare zusammengestellt sind. Die
winterharten Landrosen sind besonders reich vertreten,
ebenso wie die alten, sonst fast vergessenen Klosterrosen;
sie übertreffen an Menge noch die Remontanten. Weitere
Sammelplätze für Rosen bilden die Gräberquartiere am
sogenannten Rosenweg, sowie der Ehrenfriedhof, und über-
all ist die Königin der Blumen aufserordentlich reich als
Grabschmuck verwendet. Georginen finden sich am reich-
haltigsten in der Umgebung des Nordteichs und der Anlage
vor der 3. Kapelle.

Dieser ganze Pflanzen- und Blumenreichtum ist überall
 
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