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Die Gartenkunst — 2.1900

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Encke, Fritz: Die gartenkünstlerischen Entwürfe und Zeichnungen auf der Pariser Weltausstelllung
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0174

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162

DIE GARTENKUNST

Von öffentlichen Anlagen waren vertreten: Friedhöfe,
Stadtwälder, Volksgärten, Schmuck- und Erholungsplätze,
Villenkolonien, „Palmengärten", Kur- und Badeanlagen,
Gärten von Genesungsheimen, Heilanstalten und Hotel-
gärten. Von Gartenschöpfungen für Private sah man fürst-
liche Besitzungen, Parks im Zusammenhang mit Gütern,
Parkanlagen in Villenkolonien, Villengärten his herab zum
kleinen Hausgarten. Der Örtlichkeit nach, in der die An-
lagen ausgeführt waren, verteilen sie sich auf ganz Deutsch-
land, von Hamburg bis Heidelberg, von Köln bis Posen.

Wie bekannt sein dürfte, wurden sämtliche Ein-
sendungen vor ihrer Zulassung zur Ausstellung von einer
Kommission geprüft, welche auf der vorjährigen Haupt-
versammlung gewählt worden war. Da ich selbst dieser
Kommission angehörte, enthalte ich mich einer Kritik der
einzelnen Stücke. Ich bin aber der Ansicht, dafs die aus-
gestellten Gegenstände jede Kritik wohl aushalten können.

Nächst den Darbietungen des Vereins deutscher Garten-
künstler, welche hier, als uns am nächsten stehend, zuerst
aufgeführt worden sind, sei 2. die Ausstellung von
Österreich-Ungarn, die gröfste der nicht französischen
Planausstellungen, aufgezählt. Besonders kostbar und vor-
nehm hat die Verwaltung der k. u. k. Parks und Gärten
in Wien ausgestellt. In Plänen und künstlerisch darge-
stellten Ansichten worden die bedeutendsten kaiserlichen
Hofgärten vor Augen geführt. Wir sehen Schönbrunn,
dessen früher wenig schöne Blumenbeetformen vor dem
Schlosse, wie die Ansicht zeigt, jetzt sachgomäl's umgestaltet
sind; ferner den Garten bei dem Lustschlosse Belvedero
in Wien, Miramare, Laxenburg und Hellbrunn. Von
städtischen Anlagen finden sich, durch Pläne und
Photographien vortreten, der vornehme Platz zwischen den
beiden Hofmuseen und der augenscheinlich neuerdings in
regelmäfsige Formen gebrachte Platz an der Votivkirche
in Wien, einige Thomayorsche Entwürfe von Plätzen,
Parterres u. s. w., welche durch ihre geschickte Behand-
lung architektonischer Formen angenehm auffallen, und
der Contralfriedhof von Wien. Wir sehen ferner, durch
alte und neue Pläne orläutort, die Anlagen von Eisgrub,
der hohen Warte bei Wien, von Kremsier in Mähren und
Königswart in Böhmen.

Getrennt von Österreich hat Ungarn ausgestellt. Die
gartonkünstlerisch interessanten Stücke dieser Ausstellung
sind ein Plan und eine Ansicht des Kgl. Hofgartens in
Ofen-Pest und des gräflich Esterhazischen Besitzes in Tata.
Ein Ofen-Pester Landschaftsgäftner bringt Pläne von Park-
anlagen, denen auch Gipsmodelle beigegeben sind. Die
Entwürfe nähern sich unserer gartenkünstlerischon Auf-
fassung im Gegensatz zu der französischen Manier, die
weiterhin besprochen werden wird. Auch die Ofen-Pester
Gartenbauschule hat allerlei Schülerarbeiten vorgeführt. Man
findet Blumen- und Fruchtmalercien, stilisierte Blumen als
Ornamente, Abbildungen von Werkzeugen, Freihandzeich-
nungen nach Gipsmodellen, Landschaften in Wasserfarben
und Pläne von Gartenanlagen. Wenn die letzteren immerhin
nur einfache Schülerarbeiten von Anfängern sind, so giobt
die Ausstellung andererseits erfreulichen Aufschlufs über
die Vielseitigkeit des Zeichenunterrichts der Anstalt.

Als Vertreter der Schweiz hat J. Allemand aus
Genf eine Anzahl Pläne ausgestellt, die in französischer
Art gehalten sind. Bilden diese auf der einen Seite die
Nachbarschaft unserer Vereinsausstellung, so thun dies auf
der andern Seite einige ziemlich mangelhaft ausgeführte
und dürftig ausgestattete Pläne eines Russen.

In der französischen Abteilung befinden sich die
Ausstellung einer Anzahl französischer Gartenarchitekten
und die Pläne des internationalen Plan-Wrettbewerbes. Unter
den ersteren entsprechen die Entwürfe von E. Redont-
Reims und Ed. Andre-Paris am meisten unserer deutschen
Auffassung, sowohl hinsichtlich der Wegeführung als auch
der Verteilung und Gliederung der Gehölzpflanzungen. Die
übrigen Pläne zeigen mehr oder minder die spezifisch fran-
zösische Manier. Ihre Hauptmerkmale sind 1. möglichst in
geometrische Formen gebrachte, oft Kreise und Ellipsen
bildende Wege; 2. langgestreckte Wasserformen, deren
Ufer glatto, schlanke Kurven bilden, welche von damit
gleich laufenden Wegen begleitet worden; 3. Pflanzungen,
deren Material entweder ganz willkürlich und bunt gemischt
oder streng artenweise von einander geschieden ist. Auch
die Ränder der Gruppen zeigen nicht wie bei uns tiefe
Buchten und Vorsprünge oder sind durch Vorpflanzung
aufgelöst und gelockert, sondern sie begrenzen in wald-
artiger Massigkeit, meist ohne kulissenartiges Vor- und
Zurückspringen der einzelnen Teile und ohne Gliederung
der Umrisse die Grasbahnen, so dafs man an die von
Hecken umsäumten Sichten des französischen, geometrischen
Gartenstiles orinnert wird. Die Eigenart der französischen
Gartenkünstler, welche sich von der unsrigen so wesentlich
unterscheidet, mag in der That in mancher Hinsicht von
der Bekanntschaft mit den zahlreichen mustergültigen
Schöpfungen des Lenötreschen Stiles herrühren. Man
möchte behaupten, dafs die heutigen Gartenarchitekten sich
von der damaligen Art des Schaffens auch da nicht frei
gemacht haben, wo es sich um rein landschaftliche Ge-
staltungen handelt. Andererseits scheint mir in den fran-
zösischen Schöpfungen das bei uns Deutschen so gepflegte
und geschätzte Naturempfinden weniger stark zum Ausdruck
zu kommen, während wir die Einzelheiten einer landschafts-
gärtnerischen Anlage gerade nach der Feinfühligkeit ein-
schätzen, mit welcher der Künstler die Zusammenstellungen
der Pflanzenindividuen der Natur abgelauscht hat. Die Aus-
steller P. Quenat, Perrault Als aine, Pean, Martinot, Lusseau,
Deny und Marcel, Breton und Touret in Paris und H. Ninot in
Limoges sind der spezifisch französischen Schule zuzurechnen.
Von der riesigen Ausdehnung ihres Geschäftes legen besonders
die Firmen Ed. Andre und Martinot Zeugnis ab, von denen
zumal der erstere in allen Erdteilen Anlagen geschaffen hat.

Fast sämtliche französische Aussteller hatten ihre Ent-
würfe durch mehr oder weniger wirkungsvolle, in Wasser-
oder Ölfarben ausgeführte Ansichten erläutert. Man ersah,
dafs sie teils in ihren Geschäften geeignete Kräfte zur
Herstellung solcher Landschaftsgomäldo besitzen, teils sich
von Malern derartige Ansichten anfertigen lassen. — Hoffent-
lich ist die Zeit nicht mehr fern, wo auch der angehende
deutsche Gartenkünstler an einer geeigneten Anstalt tüchtig
aquarellieren lernen kann!
 
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