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Die Gartenkunst — 2.1900

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Encke, Fritz: Gartenstudien aus Frankreich, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0191

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II, 10

DIE GARTENKUNST

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Plan von Chantilly. (Aus TArt dos jardins von A. Alphand.)
Ehemaliger Zustand.

ihn in manchen Fällen, die Hauptbahn nicht von dem
Schlol'sbau selbst ausgehen zu lassen. So in Chaniilly-
(Vergl. die obige Abbildung.) Hier handelt es sich um
ein unregelmäfsigos Gebäude, welches von Wasser um-
geben war. Er scheute sich nicht, die Hauptachse, welche
in grofsartiger Weise weit über den eigentlichen Garten
hinaus als lange Waldallee ausgebildet ist, an dem Schlosse
vorbei zu führen. Eine stattliche Stützmauer, welche den
grofsen Schlofshof jenseits der Zugbrücke und das Schlofs
selbst von dem tiefer gelegenen Wasserparterro trennt, ist
benutzt, um der Hauptachse durch grofsartige Treppen-
anlagen architektonischen Ausdruck zu geben. Auf der
einen Seite davon sieht man das turmbekrönte Schlofs,
auf der andern entspricht diesem ein untergeordnetes Bau-
werk aus einer späteren Zeit. (Vergl. die später folgenden
Ansichten von Chantilly.)

In Grofs-Trianon, einer Musteranlage in kleinen Ver-
hältnissen, ist die regelmäfsige Gartenanlage ganz ohne
eine Achsenbeziehung zu dem Schlofsgebäude. So scheint
es jedenfalls auf dem Plane.*) In Wirklichkeit ist jedoch
eine derartig geschickte Verbindung zwischen Schlofs und
Garten geschaffen, dafs man den losen Zusammenhang
des Gartens mit dem Schlosse keineswegs empfindet.
Ähnlieh unregelmäfsige Grundrisse weisen St. Germain
und St. Cloud auf. Bei dieser letzteren Anlage, welche
allerdings nicht ganz auf Le Nötre zurückzuführen ist,
waren die Höhenlage des Geländes, die Aussichten auf
Paris und der Lauf der Seine massgebend für die Grundrifs-
anordnung.

*) Siehe den Grundplau von Versailles 8. 177.

Man hat häufig, zumal als der englische Stil die regel-
mäfsigen Gärten ganz zu vernichten drohte, den letzteren
den Vorwurf gemacht, sie seien durch ängstlich durch-
geführte Symmetrie langweilig und entbehrten der malerischen
Reize. Der Dichter Pope sagt im Anfang des 18. Jahr-
hunderts von ihnen: „Grove nods at grove, each alley has
a brother and half the platform just reflects the other."
Und Nicolai sagt von den Naturgärten: „Die Gärten, die
das Haus umziehn, stehn nicht mit der Natur im Streite;
verraten keinen Zwang, kein ängstliches Bemühn; es
wiederholt die linke Seite die rechte nicht. Die Gänge
ziehn sich nicht in unfruchtbarer Breite nach ekler Schnur
einförmig hin." In Le Notre's Werken ist selbst in den
Gärten von regelmäfsigerHauptgliederung weder langweilige
Symmetrie noch ein Pehlen malerischer Wirkungen zu
finden. Versuchen wir dies an Versailles nachzuweisen.
Steht man auf dem Hauptparterre vor dem Schlosse, dem
sog. Wasserparterre, welches durch die Form des letzteren
bedingt, selbstverständlich symmetrische Anwendung ver-
langt, so geht der Blick nach der einen Seite in die weite
Landschaft, auf der anderen ist er eng begrenzt. Auf der
einen schliefst sich das Orangerieparterre an, auf
der andern das mit reichen Wasserkünsten ausge-
stattete Neptunsbecken. Wie aus der Beschreibung des
Planes zu ersehen und wie die Wirklichkeit dem über-
raschten Auge zeigt, gleicht kein point de vue dem anderen,
kein ausgesparter Platz im Walde dem ihm entsprechen-
den. Und welcher Kontrast der Hauptsicht mit den Blicken
in den seitlichen Wegen! Im ersteren ein freier, in die
Weite gehender Blick über Rasenbahnen und lange Kanäle
in unendliche Perne, in den letzteren ein durch überwölbte

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