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Die Gartenkunst — 2.1900

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Tubenf, Karl von: Über wichtige Baumkrankheiten und ihre Bekämpfung, [1]: Vortrag, gehalten im Klub der Landwirte am 13.Feburar 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0213

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II, 11

DIE GARTENKUNST

201

Im schroffen Gegensatz zum gemischten, bayerisch-
böhmischen Urwald, wo das Leben aus dem reichen,
feuchten Boden mit einer Ursprünglichkeit und Kraft quillt,
die unverwüstlich erscheint, stehen unsere sauberen, son-
nigen Kiefernbestände auf märkischem Sande. Sie zeigen nichts
mehr von der Wildheit der Natur und doch weisen auch
sie zahlreiche Spuren von Verletzungen auf, und in alle
Wundstellen dringt auch hier ein Baumschwamm ein, der
Trametes Pini, und zerstört das wertvolle Bau- und
Brettholz.

Es ist in Eberswalde eine statistische Erhebung über
die Häufigkeit dieses Parasiten in bestimmten Kiefern-
wäldern angestellt worden mit folgendem, wahrhaft er-
schreckenden Ergebnis.

Im Choriner Revier ist auf einer Waldfläche von 60 ha
ein Schaden von 48000Mk. durch den Kiefern-Baumschwamm
entstanden, d. h. der Holzertrag hätte um diese Summe
von 48000 Mk. mehr betragen, wenn der Schwamm nicht
soviel Holz zerstört hätte.

Eine weitere Ermittelung ergab, dafs in der Ober-
försterei Eberswalde mit zusammen 187 ha ein Verlust von
33000 Mk. entstanden ist.

Hier hilft nicht mehr der blofse Aushieb der kranken
Stämme, es würden sonst zu wenig gesunde übrig bleiben.
Hier mufs alle Sorge darauf verwendet werden, dafs Ver-
wundungen der Bäume durch Ästungen und Fällungen
vermieden werden, und es bleibt noch zu erforschen, ob
ein Sammeln der Pilzfrüchte zweckmäfsig ist und ob es
praktisch ausführbar und rentabel ist.

Wenn man aber schon im Walde anstreben kann,
Reinlichkeit zu halten, dann ist das viel leichter im
Park, im Obstgarten, im Gemüsegarten und auf
dem Acker.

In Oberitalien sieht man allüberall Olivenhaine, schon
bei Arco und Riva, wo die Sarca den blauen Spiegel des
klaren Gardasees trübt, erscheinen die Berglehnen am Pulse
der hohen Gebirgsstöcke durch das Graugrün der Oliven-
wäldchen dem Auge des Nordländers eigenartig gefärbt.
Vom Dampfer aus, der uns von Riva nach Desenzano
längs der Seeufer hinführt, sehen wir, dafs die Ölbäume
meist von keinem einheitlichen Stamme getragen werden,
sondern wie auf mehrfachen Stelzen stehen. Nur jüngere
Bäume haben einen ganzen Stamm noch, dann beginnen
sie zu erkranken, es zeigt sich auf ihrer Rinde der braune
Pruchtkörper von Polyporus fulvus, und der Italiener beeilt
sich, ihn auszuschneiden, um eine Verbreitung des Para-
siten zu hindern. Freilich das im Holze wuchernde
Mycel kann er nicht mehr ganz entfernen. So kommt es,
dafs sich an den Wundrändern immer wieder neue Frucht-
körper bilden, die er immer wieder ausschneidet, bis der
Stamm zerteilt, zerschnitten ist in einzelne stelzenartige
Stecken, welche noch immer reichliche Nahrung in die
Krone bringen, so dafs die Ernte nicht ausbleibt. Ohne
diese Reinigung wären wohl die Olivenhaine nicht zu
erhalten. Besser aber wäre es, die Italiener würden bei
allen Baumverwundungen noch eine weitere Mafsregel be-
folgen, die darin besteht, dafs die Wunde mit Teer zuge-
strichen wird.

Nicht blofs die Baumschwämme mit ihren weithin sicht-
baren Fruchtkörpern sind Wundparasiten, sondern noch
eine Reihe anderer Pilze.

Man hat hier in Berlin mit seinen grofsen Parks und
vielen Anlagen Gelegenheit genug, sowohl die grofsen
Baumschwämme an Eichen, Erlen, Pappeln, Birken, Buchen,
wie die kleineren Wundparasiten zu beobachten, von denen
einer besonders auffällig erscheint. Es ist dies die Nectria
cinnabarina. Ihre Fruchtkörper erscheinen teils fleischrot
(Conidienlager), teils karminrot (Perithecien). Sie entwickeln
sich erst auf den toten Zweigen und rufen dadurch den
Anschein hervor, als ob der Pilz gar nicht auf lebenden
Asten wachse. In Wirklichkeit aber wuchert der Pilz
im lebenden Aste, tötet ihn allmählich, und wenn der Ast
tot ist, entwickelt er seine Fruchtkörper, die als leuchtend
rote Kugeln gerade im Winter besonders auffallen. Die
Wirkung des Pilzes aber sieht man im Sommer bei einem
Spaziergang durch unsere Alleen oder Anlagen. Mitten im
Baume, besonders an der Rofskastanie und Ulme, fällt es
auf, dafs vollbelaubte Zweige ohne äufserlich erkennbare
Ursache welk werden. Die Blätter hängen schlaff herab
und vertrocknen, der Zweig stirbt, wird dürr und trägt im
Herbste schon die roten Kugeln. Schneidet man aber
einen Zweig im ersten Stadium des Welkens ab, so findet
man in ihm das Mycei unseres parasitären Pilzes.

Man sieht nun im Winter den Pilz entweder noch im
Baum oder in den zusammengeschleppten Reisighaufen der
Gärten oft in grofser Masse. Er überwintert hier und hat
im Frühjahr Gelegenheit, an allen Baumwunden, die durch
Astbruch, Hagelschlag oder beim künstlichen Beschneiden
der Bäume verursacht werden, einzudringen und seine
verderbliche Thätigkeit fortzusetzen. Darum ist hier wieder
Reinlichkeit zu empfehlen. Die abgestorbenen Äste ge-
hören herunter vom Baum, die Reisighaufen sollen ver-
brannt werden, denn sie sind nur zwecklose Infektionsherde.

Es mufs aber hier noch auf eine andere Mafsregel
aufmerksam gemacht werden, die bei den künstlichen
Baumwunden, also beim Beschneiden, nicht aufser Acht
gelassen werden darf.

Diese Regel lautet: Trockene Äste sollen entfernt
werden im Obstgarten, Park und Wald. Im Walde be-
sorgen dies gern die Leseholzsammler. Grünästung darf
nur mit Sachkenntnis und Vorsicht ausgeführt werden
und soll stets einen Verschlufs der Wunde im Ge-
folge haben.

Wenn sich früher ein Mensch oder Tier verletzte,
so trat meist Eiterung ein. Aus den Spitälern war der
Spitalbrand gar nicht hinauszubringen. Heute ist das
meist anders. Man weifs, dafs die Eiterungen und der
Brand von Bakterien erzeugt werden, welche durch die
intakte Haut dos Menschen nicht eindringen können.
Wenn also eine Wunde entsteht, sucht man diese kleinen
Lebewesen schnell abzuhalten durch einen antiseptischen
Verband oder neuerdings einfach durch einen aseptischen
Verband, d. h. durch sterilisierte Watte und dergl. Tau-
sende von Verwundeten werden so erhalten, die früher
die Schlacht überlebten, aber der Wundinfektion, den
Bakterien erlagen.
 
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