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Die Gartenkunst — 2.1900

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Wieck, Hans: Fürst Pückler-Muskau in der Beurteilung seiner Zeitgenossen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0215

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II, 11

DIE GARTENKUNST

203

enthält eine meisterhafte, etwas feuilletonistische Schilderung
seiner Reise, die ihn über Holland nach England führte. Natur-
schilderungen und Beschreibungen der verschiedensten eng-
lischen Parks, charakteristische Beschreibungen der vornehmen
englischen Welt mit ihren guten und schlechten Seiten sind
in interessanter Weise verbunden durch eingeflochtene, meist
freilich recht oberflächliche Meditationen, Raisonnements
und pikante Erzählungen: das Buch war eine der ver-
daulichsten Reisebeschreibungen. Die späteren Bücher sind
bei weitem schwächer und fanden auch nicht den Erfolg mehr.
Er gefiel sich später, z. B. in der Beschreibung seiner türkischen
Reise „Aus Mehemed Alis Reich" in allerlei Witzchen, die
dem Buch alle Vornehmheit nahmen. Während früher die
Abschweifungen vom Thema doch immer noch durch die Art,
wie er sie durchführte und den Stoff interessierten, werden
sie hier teilweise zur Zote und wirken abstofsend; und die
Albernheit, sie in griechischen Buchstaben oder umgekehrt im
Buche drucken zu lassen mit der Uberschrift: „Nicht für Damen",
konnten den unangenehmen Eindruck nur verstärken.

Immerbin überwogen nach den Anschauungen jener Zeit
die Vorzüge seiner Bücher die Mängel derselben und besonders
die Briefe eines Verstorbenen sowie „Tutti frutti" fanden einen
enormen Absatz. Der Verdienst aus seinen Werken war für
damalige und auch für heutige Verhältnisse ein enormer. Er
selbst schreibt gelegentlich, dafs er aus seinen Werken so viel
pekuniären Vorteil gezogen hatte, wie Goethe erst in seinen
letzten Jahren. Nun, dieser Vergleich besagt allerdings wenig,
denn zu Goethes Jugendzeiten wurde der Nachdruck noch im
grofsen Stil betrieben und wir wissen heute, wie viele Verleger
und Biicherdrucker sich an den Geistesprodukten Goethes be-
reichert haben.

Die Heiratspläne waren also gescheitert. Auch ein Versuch,
in Hamburg etwas zu finden, mifslang, und Pückler kehrte
nun wieder zu seiner Lucie zurück. Sein Hang zum Reisen
liefs ihm nicht lange Ruhe. Er ging mit der Absicht um, nach
Nord-Amerika zu fahren, wo er sich durch die sarkastischen
Schilderungen über die Engländer in seinen „Briefen eines Ver-
storbenen" ein grolses Publikum erobert hatte. Im Jahre 1835
beginnt er diese 4. gröfsere Reise, die ihn nicht nach Nord-
Amerika, sondern über Griechenland nach Algier und Egypten
führte. In Griechenland bietet ihm König Otto eine grofse
Besitzung in Kyparissia, unweit Sparta an, mit der Bedingung,
er müsse 30000 Drachmen zurVerschönerung derselben aufwenden.
Gewisse Umstände machten die ganze Angelegenheit später
scheitern, damals aber begann Pückler eifrig mit dem Abstecken
seines zukünftigen Besitzes und schreibt Lucie im November
begeistert: . . . Wenige 1000 Thaler werden hier solche Wunder
wirken, wie bei uns nicht Millionen zu Wege bringen würden
. . . die armen griechischen Beamten trauten ihren Augen
nicht, wie sie mich, den die Absteckpassion wieder zwanzig
Jahre alt gemacht hatte, bergauf, bergab klettern sahen, und
sie konnten nicht begreifen, warum ich ein gut bebautes Feld
aus meinen Grenzen auslasse und dafür sorgsam einen kahlen

Felsen mit ein paar überhängenden Bäumen auswählte.....

Ich taxiere den Umfang auf 1600—2000 Morgen, also halb so
grofs als der Muskauer Park." Ein flüchtiger Situationsplan
war bereits gezeichnet, als die Sache an verschiedenen Be-
stimmungen, die P. mit übernehmen sollte und nicht wollte,
scheiterte.

1837 bereits war P. in Egypten; seinen dortigen Aufenthalt
beschreibt er in dem schon erwähnten „Aus Mehemed Alis
Reich". Das gärtnerisch Wichtige finden wir in „Meyers
Gartenkunst". Als bemerkenswert möchte ich hier einige
Äufserungen, die P. bei Besichtigungen der Gärten Mehemed

Alis machte, hinzufügen. Er spricht die Ansicht aus, dafs für
das dortige Klima die englische Landschaftsgärtnerei, deren
Hauptelemente frische Waldwiesen und Rasenplätze seien, nicht
geeignet sei. Für die egyptische Gartenkunst müsse man ein
ganz neues Genre erfinden, in welchem Regelmäfsigkeit zwar
Grundprinzip, aber höchste Mannigfaltigkeit dennoch nicht
ausgeschlossen bleiben würde. Da die Bewässerung dort
die Hauptsache und unmöglich zu verbergen sei, so müfste
diese selbst zur Zeichnung der Formen dienen, was in ge-
schickter Ausführung eigentümliche Wirkung hervorbringen
könne." P. hielt es für möglich, in solcher Weise ein anmutiges
Arabeskenbild herzustellen, in welchem die Umrisse von den
unvermeidlichen Wasserkanälen, die Füllung und Schattierung
aber durch Vegetation aller Art, wie sie dem Klima an-
gemessen, von der riesigen Sykomore bis zur kleinsten Blume
gebildet wurden."

Noch bevor Pückler nach Muskau zurückkehrte, hatte er
sich, ohne Wissen Luciens, mit einem Grafen Renard über
den Verkauf von Muskau geeinigt. Der Graf Renard bot
1300000 Thaler sowie Übernahme sämtlicher Schulden, Renten
und Pensionen, die auf Muskau standen. Lucie erfährt dies
von anderer Seite und in der Verzweiflung, das letzte, was
ihr geblieben war, den alten Herrensitz Muskau zu verlieren,
sendet sie i lange ergreifende Briefe an Pückler nach ver-
schiedenen Adressen, in der Hoffnung, dafs einer ihn erreichen
würde (P. war auf der Rückreise von Konstantinopel nach
Wien begriffen; einer dieser Briefe befindet sich in der Bio-
graphie). Aufserdem erbat sich Lucie eine Audienz bei Fried-
rich Wilhelm II., bat dort um Hilfe, schrieb an den Fürsten
Wittgenstein und legte schliefslicll durch Grävell gerichtlich
Protest gegen den Verkauf ein. P. blieb nichts weiter übrig,
als vorläufig die Unterhandlungen mifsmutig und geärgert
abzubrechen. Später versuchte er, Lucie umzustimmen. Wenn
ihm das auch nicht gelang, so war er doch beim zweiten Ver-
such, Muskau zu verkaufen, vorsichtiger. Lucie fügte sich
diesmal in das Unglück, und Muskau wurde an den General
Grafen von Nostiz für 1700000 Thaler verkauft, mit der Be-
dingung, dafs P. ein Gut Waldstein mit in den Kauf zu nehmen
hätte. P. ging darauf ein, ohne sich dasselbe erst anzusehen,
und hatte einen für ihn völlig unbrauchbaren Besitz gekauft.
Das Schlofs war unbewohnbar; das Wasser mul'ste mit Eseln
heraufgebracht wrerden. Der Waldbestand war zum grofsen
Teil vorher abgeschlagen worden. Pücklers glücklicher Natur
machte das keine allzugrofsen Sorgen. Lucie erhielt eine
gemietete Wohnung und siedelte später nach Branitz über.

Wie s. Zt. Lucie die treibende Kraft der Verschönerungen
■der Muskauer Umgebungen war, so drängte sie jetzt darauf,
auch Branitz würdig zu gestalten. Sie wufste Ps. Widerstand
zu überwinden und ihrer dauernden Anregung ist es zu ver-
danken, dafs der Branitzer Park von der Hand Ps. begonnen
wurde. Derselbe ist für die Beurteilung von Ps. Talent wohl
insofern wertvoller als der Muskauer Park, als in Branitz in
der That nur eine öde Gegend vorhanden, Muskau hingegen
von der Natur bereits sehr bevorzugt war. Branitz war nur
'/io so gr°fs als Muskau. P. wandte hier seine Erfahrungen
von Muskau in grofsem Stil an. „Ich war hier ganz eigentlich
der Wohlthäter einer armen bedürftigen Natur und Gegend,
.während dort ich nur mit ihr im Reichtum geschwelgt hätte.
Verdienst und Erfolg waren hier gröfser", schreibt P. in seinem
Tagebuche. Er liefs Seen ausgraben, liefs im Umkreis von
wenigstens 8 Meilen Bäume ausgraben und in Branitz ein-
pflanzen, und bewegte auf diese Weise einen ganzen Wald.
Die aus den Seen erhaltene Erde benutzte er zu 2 grofsen
Pyramiden, von denen er eine zu seinem Grabdenkmal be-
 
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