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Die Gartenkunst — 2.1900

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Wieck, Hans: Fürst Pückler-Musaku in der Beurteilung seiner Zeitgenossen, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0231

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II, 12

DIE Gr AKTENKUNST

219

Lebensbilder bedeutender Gartenkünstler.

Fürst Piickler-Muskau
in der Beurteilung seiner Zeitgenossen.
Von Hans Wieck.

(SchJufs.)

1866 erhielt Piickler, als er sich gerade auf einer Beise in
Stuttgart aufhielt, die Nachricht von dem Kriege gegen
Österreich und meldete sich zum Hauptquartier des Königs
als Freiwilliger, dem er sich auch anschliefsen durfte. Auch
1870 bot sich der 85 jährige Greis wieder als Freiwilliger dem
Hauptquartier an, sein Gesuch wurde aber seines hohen
Alters wegen, das die Strapazen nicht ertragen würde, ab-
schlägig beschieden. In der Nacht vom 4.—B. Februar 1871
starb der Fürst in Branitz.

Laubes Urteil über Pückler als Gartenkünstler war bereits
1840 erschienen. Laube hatte sich durch Teilnahme an den
burschenschaftlichen Bewegungen eine Festungshaft von
mehreren Monaten zugezogen. Es wurde ihm erlaubt, diese
Zeit auf dem Jagdhause zu Muskau zu verleben. Wir haben
also auch hier nicht ein vollständig freies, jedenfalls aber
interessantes Urteil. Er schreibt in seiner „Deutschen Litera-
turgeschichte" (einem Werke, das heute von vielen anderen
übertroffen und infolgedessen wenig bekannt ist) u. a.: „Neben
Park und Gartenwerken Ps. erscheinen aber die eben erwähnten
Schriften (Briefe, Mehemed Ali etc.) durchaus nur wie etwas
Gelegentliches, keineswegs wie dasjenige, was den Kern der
P.-Existenz veranschaulichte.--

Hier ist ein Bereich der Ästhetik, der in unserer Kunst-
geschichte noch keine Polle zu spielen gehabt, eigentümlich
angebaut, ja in vielen Grundlinien eist erfunden. Was dieser
Art in Deutschland früher beschafft worden, namentlich durch
Hirschfeld, was in England sich zu einem theoretischen Prinzip
abgeklärt, das führte P. mit einer Hochachtung an, welche
gröfser ist, als der Gewinn, den er aus diesen historischen

Hilfsmitteln einer Gartenkunst gezogen hat----und

so hat er sich denn im wesentlichen eine vollständige eigene
Ästhetik geschaffen. Die Natur selbst ist hier Stoff der
Kunst. — — —.

Man hätte sich weniger verwundert über des Autors
seltenes Geschick, Landschaften durch die Schrift zu veran-
schaulichen, wenn man unterrichtet gewesen wäre, welches
Nachdenken er darauf verwendet, Landschaften schönster Art
selbst zu schaffen. Denn um eine menschliche Schöpfung der
Natur handelt es sich hier. P. begegnet im Grundprinzip
seiner Landschafts-Ästhetik ganz und gar der Hegeischen An-
sicht, dai's zur Natur der Menschengeist treten müsse, wenn
ein dauernder Eindruck entstehen soll.----

Indem man eine ganze Gegend zum Palaste macht, — —
nimmt jeder Teil an dem Vorteil, und der allgemeine Sinn für
Zweckmäl'siges, Erfreuliches wird gepflegt. Dies ist der Ge-
schmack, welcher in sich schon edler Genufs ist, denn er ist
nicht blofs eine Kritik, sondern ein wohlthätiges kritisches
Vermögen, was wohlthätige Eigenschaften in sich ausgebildet
hat.--— —

In der Naturkunst mufs unerbittlich darauf gesehen werden,
dafs nichts zwecklos erscheine. Wie schön es an sich und
einzeln sein möge, tritt es nicht in charakteristischem Ver-
bände auf, so ist es nur störend. Tempelchen, Ruinchen und
alles ähnlich erkünstelte Unverhältnismäl'sige sei zu verweisen.
Man müfste denn ein Ganzes in einer antiken oder mittelalter-
lichen Form aus einer Gegend schaffen wollen.

Auch der Landesform angemessen mufs die Naturkunst
produzieren. Wo grofse Fernsichten, Gebirgshintergründe sich
bieten, da hat sie nur zu öffnen, nicht durch vordringende Eigen-
that das menschliche Unvermögen zu veranschaulichen. Eine
gebildete harmonische Kuhe mufs entgegentreten, das ist der
Endzweck.

Nur wo die Natur an sich grofs und schön, empfiehlt er
den Kontrast zu erzeugen. — Das wirkt allerdings frappant,
aber nicht hoch künstlerisch, und diese einzelne Äul'serung
des Autors gehört mehr in die Briefe (!) des Autors, als in
den sonst ganz anders gehenden Sinn seiner Naturkunst. Wo
der Stoff selbst schön ist, da wird der Künstler wohl ebenso
wie der Dichter, welcher ein schön erfolgtes Faktum erzählt,
nur den Zutritt wählen und in der Kleinigkeit zu- oder weg-
nehmen. ---Die Natur soll gemacht sein, nicht aber sich

gemacht ankündigen und je mehr sie absticht und sich ab-
sondert von dem, was zunächst sichtbar angrenzt, desto un-
künstlerischer ist der Eindruck. —----

Einander erklärend und fördernd erscheinen solcher Gestalt
die beiden Hauptformen des Autors, der Brief und der Park.
Welch eine Eroberung ist es nicht für eine unfertige Zeit, und
welche geniale Perspektive deutet es an für diese Zeit, die
gröl'sten Verhältnisse der draufsenden webenden Natur selbst
unter das bewältigende Gesetz der Kunst zu ziehen. Und
zwar in welch grofser Art! Möge England das Vorrecht des
Anfanges bleiben, so ausgebildet und dem künstlerischen Be-
wufstsein einer neuen Zeit einverleibt und angemessen ist
dieses Bereich erst durch den Fürsten Pückler geworden."

Ungefähr in denselben Jahren, in denen Laube an seiner
Literaturgeschichte und an dieser so überaus günstigen Kritik
über Pückler arbeitete, liefs Immermann seinen „Münchhausen"
erscheinen. Man erkannte damals sofort in dem „Helden"
dieses Romans den Fürsten Pückler.

„Glänzend begabt, aber ohne jedwede Vertiefung, unglaub-
lich eitel, undeutsch in seinem Tone, vom Glänze des Goldes
bothört, das ist in kurzem die Charakteristik von Immermanns
Pückler-Münchhausen, eine grimmige Kritik gegen den noch
lebenden. Immermanns „Münchhausen" wird heute leider selten
im Zusammenhang gelesen. Meistens wird das Polemische
übergangen und nur die kostbare Episode „Der Oberhof" her-
ausgenommen. Als ein Beispiel, wie scharf Immermann auf
die persönlichen Schwächen Pücklers anspielte, diene hier die
witzige Ordensgeschichte in Dünkelblasenheim. Münchhausen
schildert sein leeres Knopfloch und seine brennende Sehn-
sucht nach Ausfüllung dieses Vakuums. Der Herzog ist ein
guter, alter Mann, seine Bildung datiert noch von Gellerts
Fabeln; darüber ist er nicht hinausgekommen, und in heiterer
Bückerinnerung an dieses kindliche Lehrmittel hat er den
Orden vom grünen Esel gestiftet, mit Komturen, Grofskreuzen
und Kleinkreuzen. Der Esel frifst unter einem Sternenhimmel
Disteln, und die Ordensdevise heilst: l'appetit vient en man-
geant: „Nun, nach diesem grünen Eselorden verlangte ich heftig,
denn man war in Dünkelblasenheim kaum noch beim Wege
angesehen, wenn man nicht zu den „Eseln" gehörte. Eines
Tages kommt mein damaliger Stiefelputzer Kalinsky vor mein
Bett, hält mir den Frack, der in der Stube gehangen hatte,
ausgespreizt vor die Augen und ruft: „Herr von Münchhausen,
Sie sind in der Nacht auch ein Esel geworden." Ich sehe hin
und erstaune denn doch etwas, denn richtig sitzt im dritten
Knopfloch das changeante Band und daran hängt das Kreuz
mit dem Distelfreunde und der Devise. „Der Orden ist da,
aber wo stecken deine Verdienste?" frage ich mich selbst.
„Hast du irgend Verdienste um Dünkelblasenheim '?" Ich prüfte
aui das ernsteste mein Gewissen; ich löste die letztgedachte
 
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