Die Gartenkunst (32.1919)

Aus dem Obstgarten des Jardin Vauban in Lille.
Mit Spalieren bekleidete Umfassungsmauer.

Von Gartenarchitekt C. Loether, Hamburg.

etwas mehr um Politik bekümmern dürfen, ohne
damit den Charakter einer unpolitischen Körper-
schaft aufzugeben.

Und wenn eine deutsche Gesellschaft für
Gartenkunst auch keine politische Gesellschaft
ist,politischenEinfluß kann sie üben schon
allein durch ihr Bestehen. Je entschiedener
sie in der gegenwärtigen Zeit sich betätigt und
die ihr obliegenden Aufgaben zu erfüllen strebt,
desto mehr wirkt sie, wie alle solche Körperschaf-
ten, gegenüber den auseinanderstrebenden Zer-
setzungstendenzen einigend und zusammen-
haltend. Sie hat Mitglieder in allen Gesell-
schaftsschichten, in allen Teilen des Vaterlandes,
zwischen ihnen bildet die Gartenkunst ein Band
idealer Art und bringt ihnen zum Bewußtsein,
daß es Güter gibt, die über die politischen
Gegensätze hinweg die Zusammengehörigkeit

der Kulturmenschen betonen. Erhalten wir uns
solche einigende Bänder, wir haben sie nötig,
wenn die gegenwärtigen Wirrsale durdigefoch-
ten sind und aus dem gärenden Streit der
Meinungen, aus den politischen Schwierigkeiten
des Kriegsausganges die Beruhigung hervor-
gehen wird, ohne die der Wiederaufbau des
Reiches, das uns über allem stehen soll, nicht
möglich ist.

Halten wir uns bereit, diese Aufgabe trotz
allem Unglück, das uns widerfahren ist, würdig
zu erfüllen. Ohne Macht, ohne Gewalt, allein
durch die Kraft der sittlichen Idee. Wir stehen
am Ende einer überlebten, am Anfänge einer
neuen Zeit! Wir stehen vor der größten Auf-
gabe, die ein Volk in der Welt jemals zu lösen
hatte. Wir haben keinen Grund, an der Möglich-
keit, sie zu erfüllen, zu verzweifeln. Heicke.

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