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Die Gartenkunst — 32.1919

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Heicke, C.: Kleingartenbau und Siedlungswesen in ihrer Bedeutung für eine künftige deutsche Gartenkultur, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0026

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und forstwirt-
schaftlichen
Grundstücke ent-
nehmen dürfen.

In allen preußi-
schen Provinzen
ist den bestehen-
den Siedelungs-
gesellschaften
dieses Vorkaufs-
recht übertragen
und dadurch die
Möglichkeit ge-
schaffen, wirkliche
Siedelungspolitik
im größeren Maß-
stabe zu betrei-
ben.

Auch die Krie-
gerheimstätten-
bewegung scheint
in lebhaften Fluß
zu kommen, wenn
auch noch man che Widerstände zu überwinden sind. Der
Hauptausschuß für Kriegerheimstätten hat den Ent-
wurf eines Reichsgesetzes über Heimstättenrecht und
Kriegerheimstätten nebst Begründung herausgege-
ben und setzt seine Werbetätigkeit nachdrücklich fort.

Als weitere erfreuliche Erscheinung darf die
Berufung eines Nichtjuristen, des Geheimrats Scheidt,
zum Reichskommissar für das Wohnungs- und
Siedelungswesen begrüßt werden. Mit ihm, der sich
aus einfachsten Verhältnissen und ohne akademische
Vorbildung emporgearbeitet hat, ist ein Mann an
verantwortungsvolle Stelle gelangt, auf den große
Hoffnungen gesetzt werden dürfen, namentlich auch
in der Richtung, daß unter ihm dem technischen
und künstlerisdien Sachverständigen der im In-
teresse der Sache liegende Einfluß eingeräumt wird.

Auch in anderen Kreisen setzt sich die Erkenntnis
für die große Bedeutung des Siedelungswesens und
der Bodenreform durch, wie sich unter anderem
daraus ergibt, daß einer der größten Grundbesitzer
Schlesiens, der Fürst zu Pleß, sich bereit erklärt
hat, bis zu einem Drittel seines ausgedehnten land-
und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes für Krieger-
heimstätten und Siedelungen zur Verfügung zu
stellen, wenn das Gelände im Sinne der Forde-
rungen der Bodenreform dauernd der Bodenspeku-
lation entzogen wird.

Unter diesen Umständen glauben wir, erneut
auf die Notwendigkeit hinweisen zu sollen, daß auch
die Kreise der Gartenfachleute sich eingehend um
alle Vorgänge auf diesem Gebiete bekümmern und
nachdrücklich darauf bedacht sein müssen, Einfluß auf
die weitere Entwickelung des Siedelungswesens zu
gewinnen. Wie wir schon dargelegt haben, kommt
es hierbei nicht so sehr auf Fragen der Gartenbe-
wirtschaftung (Gemüse- und Obstbau und dergl.)
selbst an, sondern zunächst darauf, daß von vorn-
herein Fehler bei der Aufteilung und Erschließung
des Geländes und der Bemessung der Gartengrund-
stücke vermieden werden. Wir beziehen uns hier
auf das, was wir in dem Abschnitt III (Juliheft 1918)
über die Mißgriffe auf diesem Gebiete gesagt haben,
und halten das alles auch heute noch aufrecht.
Siedelungen, bei denen jene Fehler vermieden wer-
den, sind bis jetzt noch selten. In den meisten
Fällen wird immer wieder erheblich viel mehr Boden
für die Erschließung durch Straßen und Wege, für
die Ausstattung mit Plätzen und dergl. ver-
geudet, als sich vom wirtschaftlichen Standpunkt
vertreten läßt. Die Gärten kommen dabei natur-
gemäß zu kurz, und wenn das Einzelgrundstück
dann auch noch durch unzweckmäßige Stellung

des Hauses Jn
Vorder-, Seiten-
und Hintergarten
zerstückelt oder
der Garten auf
die Schattenseite
des Hauses gelegt
wird, dann kom-
men jene Miß-
gebilde zustande,
von denen wir da-
mals gesprochen
haben. Selbst Ar-
chitekten, die dem
Garten ein gewis-
sesMaß vonLiebe
entgegenbringen,
haben ihn, aus
Mangel an Kennt-
nis der Anforde-
rungen oder aus
Gedankenlosig -
keit, bei ihren
Siedelungsplänen gründlich mißhandelt.

Erfreulicherweise konnten wir im vorigen Heft
der „Gartenkunst“ auf das Buch von Peter Behrens
und H. de Fries: „Vom sparsamen Bauen“ hin-
weisen, in welchem mit gutem Erfolg der Versuch
gemacht ist, durch weitgehende Einschränkungen
bei der Aufschließung des Geländes viel Fläche
zugunsten der Gärten zu ersparen, die Gärten
durch Bevorzugung der Süd-Nordrichtung bei der
Straßenführung in günstige Sonnenlage zu bringen
u. a. mehr. Indessen haben die Verfasser es nicht
verstanden, bei den Gärten jene unglückliche Hosen-
trägerform von 5 m Breite und 40 m Länge zu ver-
meiden, die man aus vielen Siedelungsplänen kennt,
die aber sowohl vom wirtschaftlichen wie vom Stand-
punkt der Raumgestaltung die unzweckmäßigste
Geländeform ist, die man sich denken kann. Bei
allem, was ich persönlich an dem Behrensschen
Buch anerkenne, komme ich nicht darüber hinweg,
diese unglückliche Gartenform als einen schweren
Mangel zu bezeichnen, durch den viele andere Vor-
züge aufgewogen werden, Auch Muthesius, der in
seinem vor kurzem bei Brudcmann in München er-
schienenen Buche: „Kleinhaus und Kleinsiedelung“
dem Garten einen besonderen, wenn auch nicht sehr
umfangreichen Abschnitt widmet und darin die Un-
zweckmäßigkeit solcher langgestredcter schmaler
Gärten selbst anerkannt, unterläßt es, anzugeben,
auf welche Weise diese Gartenform zu vermeiden ist.

Wir müssen immer wieder betonen, daß hier
der Angelpunkt des ganzen Problems liegt. Dem
Garten mußimSiedelungswesen eine eben-
sogroße Wichtigkeit zugebilligt werden
wie demHause.und es istnichtangängig,
daß man ihn einer bequemen Lösung des
Hauses zu Gefallen verkümmern läßt. Wir
müssen unbedingt drei Forderungen stellen und
beanspruchen, daß sie erfüllt werden, auch wenn man
dazu genötigt ist, bei der Anordnung des Haus-
grundrisses Zugeständnisse zu machen. Der Sied-
lergarten soll eine einheitliche Fläche in
Rechteckform bilden, deren Länge zur
Breite sich ungefähr wie 3:5 verhält. Er
soll soweit als irgend möglich der Einwir-
kung des Sonnenlichtes ausgesetzt sein und
darf deshalb unter keinen Umständen an der
Nordseite des Hauses liegen. Er muß endlich
jederzeit bequem und leicht von den Wohn-
räumen aus zugänglich sein und mit ihnen
in enger Verbindung stehen. Je kleiner die
Gärten sind, um so restloser müssen diese For-
derungen erfüllt sein.

Breite Straße in einer oberschlesisdien Arbeiter-Siedelung.
Giesdiewald, Obersdilesien.

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