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Die Gartenkunst — 32.1919

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Heicke, C.: An der Schwelle einer neuen Zeit, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0051

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Teile des Oranienburger Sdiloßparks für eine
Kleinsiedlung beansprucht werden, so kann einem
derartigen Vorhaben nicht entschieden genug
entgegengetreten werden. Wir gehören zu denen,
die Siedlungsbestrebungen zu fördern suchen
wo es nur möglich ist, können es aber nicht
gutheißen, daß ein Kulturbedürfnis durch
Preisgabe von Kulturwerten befriedigt
werden soll.

Auch das Vorhaben, von dem eine zeitlang
ganz ernsthaft gesprochen wurde, die landwirt-
schaftliche Hochschule von Berlin nach Sanssouci
zu verlegen und dafür die dortige Orangerie in
Anspruch zu nehmen, muß als durchaus verfehlt
bezeichnet werden, denn Sanssouci ist uns als
Ganzes doch zu wertvoll, als daß wir die Preis-
gabe von Teilen befürworten könnten, wo nicht
abzusehen ist, welche Folgen (Umbau von Bauten,
Eingriffe in die Gärten usw.) noch kommen
können. Es ist mit Genugtuung zu begrüßen,
daß dieser Plan bereits als abgetan be-
trachtet und die Gefährdung des künstle-
rischen und geschichtlichen Charakters
dieser hochbedeutsamen Anlage abge-
wendet ist.

Gewisse Gefahren bestehen indessen auch bei
Verwendungszwecken, die zunächst unbedenklich
erscheinen. Schon die Benutzung als Volkspark
setzt Eingriffe und Veränderungen voraus, die
Takt und künstlerisches Feingefühl erfordern,
wenn der Charakter der in Frage kommenden
Anlage unverfälscht erhalten werden soll. Man
braucht noch garnicht an „Modernisierung“ sol-
cher Anlagen zu denken, worunter wir nicht nur
Verlandschaftlichung alter architektonischer An-
lagen verstehen, sondern umgekehrt auch die
Sucht, einen alten Landschaftspark in seiner
überkommenen geschichtlichen Form zum Gegen-
stand neuzeitlicher Gartengestaltungsexperi-
mente zu machen. Auch gute landschaftliche An-
lagen wollen als Beispiele einer zeitlichen Ent-
wicklung der Gartenkunst betrachtet urd als
solche erhalten werden. Man denke nur an den
Wörlitzer Park, um das Gefährliche solchen Ta-
tendranges zu erkennen, wobei gleichgültig sein
mag, von welcher Seite solche Anregungen aus-
gehen könnten.

Dagegen muß hier auf die Möglichkeit hin-
gewiesen werden, daß die kommende Zeit mit
ihren neuen Besitz-, Verwaltungs- und Nutzungs-
verhältnissen Gelegenheit geben kann, manche
an sich gute und wertvolle Gartenanlage fürst-
lichen Besitzes, die durch willkürliche spätere
Einfügungen verunstaltet wurde, wieder zu
reinigen. Solche Dinge können im Laufe derZeit,
sei es aus Liebhaberei des betreffenden Besitzers,
sei es aus Tatendrang des jeweiligen Gärtners,
hineingekommen sein, ohne daß es gehindert
werden konnte, da sie als Privatbesitz, für den

nur die Wünsche und Neigungen des Besitzers
maßgebend waren, jeder Beeinflussung von außen
entzogen waren. Wir denken hierbei an An-
pflanzungen und sonstige Veränderungen, die
weder dem guten Geschmack noch dem Charakter
der Anlagen entsprachen, an Versündigungen
hinsichtlich ihrer stilgerechten Erhaltung und
dergleichen. In Zukunft, wenn diese An-
lagen der öffentlichen Kontrolle unter-
stellt sind, wird sich manche Besserung
und Wiederherstellung erreichen lassen.
Ich brauche, da ich hier in der Hauptsache zu
Fachkreisen spreche, nicht deutlicher zu werden,
auch nicht Namen zu nennen, um verstanden
zu werden.

Nicht alle einst fürstlichen Anlagen werden
nun künftig Staatseigentum werden. In den Aus-
einandersetzungsverhandlungen mit den bisher
regierenden Familien wird deren Privatbesitz
voraussichtlich als solcher geachtet, vielleicht
gegen anderweitige Zugeständnisse und Abfin-
dungen auch die eine oder andere Besitzung von
nicht unzweifelhaft privatem Charakter ihnen
belassen bleiben. Das Gerechtigkeitsgefühl, das
in unserem Volke nicht ausgestorben ist, wird
derartige Maßnahmen verstehen und billigen.
Es wird sogar zu erwarten sein, daß man auf
Seiten der neuen Gewalten hierbei nicht klein-
lich verfahren und das Gute, welches wir man-
chem unter den deutschen Fürsten zu verdanken
haben, dadurch anerkennen. Wenn solche Gesin-
nung bei den Verhandlungen auf der einen
Seite zum Ausdruck kommt, darf auch Ent-
gegenkommen von der andern Seite erwartet
werden. Dieses könnte sich darin äußern,
daß für die eine oder andere Anlage,
ohne sie dem Privatbesitz zu entziehen,
eine gewisse öffentliche Kontrolle zuge-
standen wird, durch die ihr besonderer
Charakter und Kulturwert auch für die
Zukunft gesichert bleibt.

Zum Schlüsse möchten wir den Wunsch aus-
sprechen, daß bei den zu treffenden Ver-
einbarungen Fachleute von anerkanntem
Rufe als Sachverständige gehört werden,
damit nichts versäumt wird, was zur Sicherung
des Bestandes an wertvollen Anlagen fürstlichen
Ursprungs dienen kann. Die Gartenkunst ver-
dankt den deutschen Fürsten viel. Durch sie
haben die geschichtlich und künstlerisch wichtigen
Anlagen allezeit Hebung und Mehrung erfahren.
Wir haben in diesen Gartenschöpfungen
der Fürsten einen Kulturschatz, um
deren Besitz uns andere Völker be-
neiden können; ihn über die un-
ruhevollen Zeiten der politischen und
sozialer Neugestaltung Deutschlands
hinüber zu retten, ist unser aller
Pflicht. Heicke.

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