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Die Gartenkunst — 32.1919

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Bergfeld, Rudolf: Naturalismus im Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0056

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Entwurf eingefügt. Flaches Gelände ist in der
Bodenplastik fast ganz zu vermeiden und nur in
seinem Kontraste zu anliegenden Erhebungen wert-
voll. Etwas von dem Zufälligen, Unberechenbaren
in der Natur muß angestrebt werden, und zwar ohne
ängstliches Fragen, ob es auch geologisch berechtigt
sei. Es soll nur künstlerisch berechtigt sein durch
seine Wirkung. Dazu ist es notwendig, eine Häufung
von Motiven zu vermeiden und die möglichste Ab-
wechslung zu bringen. Die Natur selber bietet uns
in Hohlwegen, Schluchten, steilabfallenden, über-
hängenden oder ganz flachen Ufern, leichten Er-
hebungen oder solchen plötzlichen, romantischen
Charakters, in trodcenliegenden Betten von Ge-
wässern u. a. doch weit mehr Anregung, als sie in
den schematischen Gärten des vorigen Jahrhunderts
zum Ausdruck gelangt. An der Hand eines Modells
aus nassem Lehm oder Plastilin wird sich der
Entwurf kühner gestalten lassen und auch erfin-
dungsreicher, da so unsere Phantasie besser in
Fluß gehalten wird.

Je nachdem es die Örtlichkeit erlaubt, wird man
alle Mittel der Abwechslung heranziehen, vor
allem auch das Gewässer in seinen verschiedenen
Formen. So kann man den Bachlauf durch einen
Hain von Erlen, Weißbuchen und Maßholdern in
vielfachen Verzweigungen hindurchführen, mit
kleinen Inselchen, Erweiterungen und Teichen. Der
Ein- und Austritt des fließenden Gewässers muß
sorgfältig verdeckt werden. Das Wasser kann viel-
leicht aus dem Gestein heraus treten und aus
einem Teich, wieder unterirdisch abfließen. Pfützen,
Teiche und Seen dürfen in aller Mannigfaltigkeit
gestaltet werden, von der großzügigen Form an
bis zur abwechslungsvollen, mit kleinen Inselchen
und Buchten. Die Gefahr, dabei in den lächerlichen
Fehler des „Vierwaldstädtersees“ zu geraten, ist
nur gegeben, wenn ein Nichtkünstler sich einer
solchen Aufgabe bemächtigt.

Die Flächen des Gartens werden gebildet von
Wasser, blumigen Wiesen, von Rasen aus natür-
lichen Rasenbildnern, von moos- oder laubbedecktem
Boden. Selbst ganz kahle Stellen wie bei Sand-
boden können als Ausdrucksmittel sehr wertvoll sein,
wie überhaupt spärliche Vegetationsbedingungen,
die den malerischen Wuchs vieler Gehölze fördern,
nicht immer von Nachteil für die Gestaltung sind.
Anordnungen, die nicht mit dem Stil der Naturform
harmonieren, müssen vermieden werden, und wir
unterlassen deswegen auch das Umgraben unter
Beseitigen von „Unkräutern“, das Pflanzen von Ge-
hölzen, die im Winter eingebunden werden müssen,
das den Gebüschen und das Stechen ihrer Ränder,
das Aufputzen von Baumstämmen, Schneiden der
Sträucher und dergl. mehr. Eine vollkommene Har-
monie gehört zu den Voraussetzungen eines Natur-
formgartens.

Die Bodenbewegung kann durch das Linienspiel
ihres Profils an sich interessant wirken, besonders
wenn es sich gegen einen dunkelbewaldeten Hinter-
grund abhebt. Durch geeignete Bepflanzung wird
die Plastik des Bodens erst recht hervorgeho-
ben und in der Wirkung verstärkt. Bei steilab-
fallenden Hügeln wird man zumeist nicht ohne
Anwendung des Felsenbaus auskommen. Durch
geschickte Zusammenfügung einzelner Stücke lassen
sich unter Verwendung geeigneter Felsenpflanzen
recht gut größere Massen hersteilen und das zer-
hackte Bild eines Alpinums vermeiden. Die große
Masse ist beim Felsbau notwendig, um interessante
Verhältnisse zu gewinnen, wie überhaupt das Ge-
heimnis der Raumwirkung im Garten ein Problem
der Massenverhältnisse ist. Eine Mischung wirkt
bunt und gibt niemals Bilder. Andererseits weisen
die Proportionen des goldenen Schnitts, das Ideal

der alten Landschaftsschule, dem Künstler auch
keinen Gestaltungsweg. Denn, wiebereits gesagt,kann
ein Naturformgarten niemals konstruiert werden,
sondern ist aus der Phantasie heraus gefühlsmäßig
zu schaffen. Auch bei einem Landschaftsgemälde
läßt sich niemals die künstlerische Qualität unter
eine Regel beugen, sondern sie ist ihrem Wesen
nach transzendental.

Die Pflanze ist in ihrer Naturform das Haupt-
gestaltungsmittel des Gartens. Die relative Schön-
heit einer Pflanze, welche sich aus einer geeigneten
Kombination ergibt, und ihr Naturform Charakter
können erst im Natur formgarten in vollkommener
Harmonie zur Erscheinung gelangen. Die botanisch-
ästhetische Seite ist es, welche stets wieder zu einer
naturalistischen Gestaltung führen wird. Beim
Pflanzen sollte man den Senkblei ganz aus dem
Spiele lassen, die Natur läßt niemals korrektes
Aufwärtswachsen zu. Wind und Beleuchtung,
Stellung am Abhang, Bedrängung durch die Nach-
barschaft u. a. Faktoren arbeiten dem Triebe des
Aufwärtswachsens entgeqen. Die Pflanzenökologie
ist von Nutzen für die Kenntnis dessen, was tech-
nisch möglich ist, steht aber sonst in keinerlei Be-
ziehung zu unserer Kunst. Kleine Wälder ver-
langen eine interessante Ausbildung des Grundes
durch die Bodenplastik unter Verwendung von Ge-
steinen, Waldgrundpflanzen und Schlingern. Die
Schlinger und Klimmer bieten gerade unserem
Garten überhaupt eine unerschöpfliche Gestaltungs-
quelle. Audi die Gartenzüchtungen der Stauden
dürfen verwendet werden, wenn sie nicht zu laut
schreien, durch Aufhören der Pflege bis zu einer
gewissen Rückbildung in den Urzustand gelangt
sind und sich besser der Harmonie ihrer Um-
gebung eingefügt haben. Zusammenpflanzen ver-
schiedener Bäume in einer Pflanzgrube, das Am-
bodenliegen eines Baumes oder einer Cupress-
idee, am Ende aufwärtswachsend, das Abhauen
von Erlen u. ä. Gehölzen bis zum Wurzelhals,
um mehrere Stämme zu erhalten, sind von guter
Wirkung.

Nach Festlegung der Massenverteilung der Ge-
hölze bietet die Ausarbeitung der Komposition im
Einzelnen noch große Schwierigkeiten, denn sie muß
für alle Jahreszeiten erwogen werden. Das Ge-
hölzstudium bez. Form und Farbe, Blüte und
Blütezeit, Belaubungs- und Entlaubungszeit, des
kahlen Baumes und die stete Beobachtung des ästhe-
tischen Verhältnisses der Gehölze untereinander
bildet für den Architekturgarten eine untergeord-
nete Sache, für den Naturformgarten ist es die
wichtigste Voraussetzung. Durdi zahllose Nuancen
im grünen und farbigen Laub, durch die Farbe des
Holzes, ferner durch die Blüte so vieler dankbarer
Blütenbäum e und Sträucher, im Verein mit der blumen-
reichen Fläche des Grundes kann der Naturform-
garten ein äußerst farbenfrohes Bild geben. Wir
sind leider zu sehr daran gewöhnt, in dem Land-
schaftsgarten die eintönige Grün- in Grünmalerei
mit dem gleichmäßigen Unterton des geschorenen
Rasens zu suchen. Es darf aber kein einziges Mittel
außer acht gelassen werden, um dem Garten, welcher
des Großartigen, der Fernwirkung entbehren muß,
alle Reize des Abgeschlossenen, Intimen zu ver-
leihen. Auch was die Form der Gehölze betrifft,
hat sich der Gartenkünstler noch nicht alle Möglich-
keiten zu eigen gemacht. Mit Hilfe der Zwergbäume
und Zwergkoniferen, die gewöhnlich nur als sogen.
Pygmäen vor dem Gebüschrand verwendet werden,
lassen sich ganz besondere Raumwirkungen erzie-
len, wie wir sie aus japanischen Gärten kennen.
Ohne in den Fehler ihrer Buntheit zu verfallen,
können wir gerade aus diesen Gärten viel An-
regung schöpfen.

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