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Die Gartenkunst — 32.1919

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Leibig, Joseph; Loth, Ulrich: An der Schwelle einer neuen Zeit, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0082

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menbruch die Kunstgewerbeschule ohnedies ver-
schwinden.

Ich hoffe nunmehr Verständnis zu finden, wenn
ich die Forderung erhebe, an unseren Gärtner-
lehr anstalten Gartenkunst als Lehrfach
ganz abzusetzen. Nach allem Vorhergesagten
erfüllen diese ihre Aufgabe, wenn sie ihren Schü-
lern das Rüstzeug mitgeben, daß sie alle Garten-
bedürfnisse restlos zweckhaft zu gestalten vermögen.
Offen lasse ich die Fragen der Vorbildung zum
Besuch der Gärtnerlehranstalten, des Lehrplanes
derselben und die Form des Überganges zu den
Gartenkunstklassen an dem Weimarer „Bauhaus“
ähnlichen Schulen. Zwedc meiner Zeilen soll sein,
auf Merkzeichen am Wege der neuen Zeit hinzu-
weisen, die auch für unseren Beruf von Bedeutung
sind und bei der Behandlung der Äusbildungsfrage
des Gartengestalters nicht übersehen werden dürfen.

Meine bisherigen Ausführungen drängen mich
naturgemäß auch zu einer von Heicke abweichen-
den Stellungnahme hinsichtlich der Frage der Garten-
meisterprüfüng (auch staatl. Obergärtnerprüfung).
Will man daran festhalten, dann die Wege gehen,
die Heicke weist. Ich selbst lehne diese Prüfung
ab. Sie unterscheidet sich schließlich nicht von
Diplomprüfungen anderer Art. Ihr uneingestandener
Hauptzweck war doch der der gesellschaftlichen
Schichtung. Ich bezweifle, daß solche Diplome
unsere Arbeit zu veredeln vermögen. Drum fort
damit! Gelten soll uns nur der Geist und die Güte
der Arbeit. Der Nachweis liegt in ihr selbst.

Im gleichen Heft mit dem angezogenen Heicke’-
schen Artikel sind zwei Stellenangebote veröffent-
licht, die sinnfällig zum Ausdruck bringen, was ich
über alte und neue Zeit sagen will. Zwei größere
Verwaltungen suchen je einen Gartenarchitekten.
Die eine verlangt ein ganz bestimmtes Maß von
Leistungsfähigkeit, ohne Examen und Diplome. Die
andere umschreibt weniger die gewünschte Leistungs-
fähigkeit; als Bevorzugung gilt neben Tierlieb-
haberei der Besitz des Einj.-Freiw.-Zeugnisses und
des Gartenmeisterdiploms. Ganz im Stil der Blüte-
zeit der glanzvollen Äußerlichkeiten. Wo ist da
der Sinn für gesundes Arbeiten?

Nach vorne! Lassen wir die Zeit nicht an uns
vorbeistürmen. J. Leibig, Dresden.

* *

*

Gartenbauhochschulen. Die Ausführungen des
Herrn Heicke über Ausbildungsfragen (Januarheft
1919) sind sicher zeitgemäß und haben sittliche
Berechtigung, nur waren sie nicht scharf genug Um-
rissen, damit Mißverständnisse, wie sie sich aus den
dagegen erhobenen Einwendungen, Seite 31 u. f.,
ergeben, ausgeschlossen blieben. Es hätte betont
werden müssen, daß es sich doch zunächst darum
handelt, einen Ausweg für die jetzige Generation zu
finden, die auf die Segnungen unseres zukünftigen
idealen Schulwesens nicht verzichten möchte, selbst
wenn sie sich zum Teil bereits in leidlich guten
Stellungen befindet. Man wird auch späterhin eine
bestimmte Schulbildungsgrenze annehmen ohne un-
gerecht zu sein, wenn allen Staatsangehörigen die
gleichen Ausbildungsmöglichkeiten offen stehen.
Allen durch die früheren Verhältnisse Benachteiligten
die Möglichkeit eines Ausgleichs einzuräumen, sollte
man sich aber nicht scheuen. Die Anzahl der In-
betrachtkommenden wird nicht groß sein, zumal es
sich doch nicht um Leute handeln kann, die zufällig
auf einem Teilgebiet etwas Tüchtiges leisten, sondern
um solche Intellektuelle, die bestrebt waren alles
Versäumte durch Selbststudium oder durch Privat-
unterricht nachzuholen, also schon durch diese Tat-
kraft gezeigt haben, daß sie in jeder Hinsicht ihren
Mann stellen.

Solchen Tatmenschen sollten wir schon aus ande-
ren Erwägungen den Weg zum Aufstieg nach Möglich-
keit ebnen. Denken wir doch daran, daß neben Be-
gabten und Mittelmäßigen immer wieder versucht
wird, die schwächsten Elemente der Gärtnerei zuzu-
führen. Ich schäme mich oft für meinen Beruf, wenn
Eltern an mich herantreten und erklären: Mein Sohn
hat zwar das Einjährige, ist aber etwas schwach
begabt und soll nun Gärtner werden. Gewöhnlich hat
sich der „junge Mann“ schon als Buchhändler, Kauf-
mann, Posteleve usw. versucht. Die sich hier zu er-
kennengebende Meinung von Gartenbau ist noch
ziemlich verbreitet. Schreibt doch, wenn ich nicht irre,
Liliencron: „Taugt der Junge nicht zum Studium, dann
wird er Offizier, reicht es auch dazu nicht aus, so gibt
es noch die Gärtnerschule Wildpark-Dahlem“. Also,
seien wir nicht ungerecht gegen starke Talente. Ich
stimme Herrn Sheerer zu, eine übertriebene Bewer-
tung von Zeugnissen und Prüfungen findet wohl nicht
statt, dafür spielt aber Protektion und Fürsprache
bei der Besetzung besserer Stellungen eine nicht un-
bedenkliche Rolle.

Nun komme ich zum Kernpunkt: „Die Zukunft
unserer Fachschulen“. Ein Mindestmaß von Schul-
bildung muß selbstverständlich vorgeschrieben wer-
den, und zwar sind die drei staatlichen Anstalten
gleichzustellen. Außerdem müßte eine wenigstens
fünfjährige praktische Tätigkeit gefordert werden.
Zunähst muß ih nohmals zurückgreifen, um voll
verstanden zu werden. Herr Sheerer beklagte, daß
unser Bildungsgang niht klar zu Tage läge und
die Persönlichkeit sih immer erst durhsetzen müsse.
Das trifft zu! Ob aber in der heutigen Zeit eine
Milderung eintreten wird, bleibe dahingestellt. Die
Landwirte u. a. besuhen mit dem „Einjährigen“ die
Hohshule, ganz abgesehen davon, daß Dorfshüler,
die eine Wintershule und 10 Monate ein landwirt-
schaftliches Seminar besuht haben, auh zur Hoh-
shule zugelassen werden. Sollen wir auh hinter
diesen zurückstehen? Aber niht nur eine Garten-
kunst-Hochschule in Dahlem, sondern auh je eine
in Proskau und Geisenheim für die anderen Garten-
baugebiete. Die Einrihtungen sind da, es fehlt nur
noh an den nötigen Lehrern. Dahlem hätte es in
dieser Beziehung leiht, denn es könnte tüchtige
Dozenten von den Berliner Hohshulen bekommen,
oder die Hörer könnten in den letzten Semestern
Fäher in Charlottenburg belegen. Unsere Studienzeit
müßte auf 6 Semester verlängert werden, was auh
in manher anderen Beziehung von Bedeutung ist.
Auh von den Landwirtshaftslehrern werden bekannt-
lich 6 Hohshul-Semester verlangt. Bei der geplanten
Vermehrung der Gartenbaulehrer in den einzelnen
Kreisen seitens der Kammern wäre es sehr wesent-
lich, den oben genannten Berufen gleihberehtigt zu
sein. Wer glaubt, die Kultur-, Obst- und sonstige
Gärtnerei benötige keine Hohshule, der beweist,
daß sein Urteil von Sahkenntnis niht getrübt ist.

Der Ausbildungsgang wäre demnah folgender:
Mit 16 bis 17 Jahren verläßt der junge Mann die
Shule mäht sih in 2 bis 3 Jahren in einem
oder mehreren tühtigen Betrieben oder an einer
Gartenbaushule mit Lehrlingsausbildung mit den
Berufserfordernissen praktish vertraut, arbeitet
dann 2 Jahre an vershiedenen Stellen als Garten-
baugehilfe, und kommt nun, 21 bis 22 Jahre alt,
gereift zur Hohshule. Die ersten 4 Semester
bleiben ungefähr wie bisher, in den ersten beiden
Unterriht in allen Fähern, in den beiden fol-
genden Spezialisierung und int 5. und 6. letzter
Schliff. Über die Lehrstoffverteilung wäre später
zu reden. Für die zukünftigen Lehrer könnte noh
ein Seminar-Jahr oder -Halbjahr eingerihtet wer-
den. Ih habe mih sehr beshränkt, und nur in
groben Zügen gezeihnet, um Raum zu sparen.

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