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Die Gartenkunst — 32.1919

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Encke, Fritz: Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Hofgärten und ihre Erhaltung für das deutsche Volk
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0131

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Xotvbioaldvvgren.

Schloßpark Rheinsberg. Lageplan nach dem Meßtischblatt, ergänzt durch Aufnahmen von Hans Meyer,
Gartenarchitekt, Berlin-Friedenau. Maßstab ungefähr 1:5000.

verschiedener Zeiten mag der einen oder der
anderen den Vorzug geben. Kunstgeschichtlich
bedeutsam sind beide.

Als die Fürstenmacht zur Zeit des Sonnen-
königs Ludwig XIV. auf ihrer Höhe stand, war
auch der formale Garten in höchster Blüte. Die
Gärten jener Zeit sind riesige, waldbedeckte Ge-
ländeflächen, die sich an die Schlösser an einer
oder mehreren Seiten anschließen. Auf den Kern-
punkt des Schlosses bezogen, durchschneiden
breite geradlinige Sichten den Wald. Sie werden
aus Gras- oder Wasserflächen gebildet, die von
breiten, mit Heckenwänden begrenzten Wegen
begleitet werden. Vor den Schloßfronten er-
weitern sich diese Sichten zu Blumen-, Wasser-
oder Gras-„Parterren“. Wo diese höher liegen
als die waldige Umgebung, sind sie durch Mau-
ern gegen diese abgestützt. Treppenanlagen ver-
binden beide. Laubengänge, geschorene Alleen,
Baumwände, Hecken, aus Blumen und Buchs-
baum zwischen buntem Sand hergestellte Beete
sind die pflanzlichen Ausschmückung smittel. Hier-
zu kommen Wasserkünste, Bildsäulen, Vasen
und anderer bildnerischer Schmuck. Innerhalb
der Waldstücke befinden sich saalartige Aus-
schnitte, durch zierliches Gitterwerk umgrenzt,
entsprechend den Prunkräumen des Schlosses.

Die Lage der meisten Schlösser und Gärten
ist die Ebene, um durch möglichst lange Sichten
den Eindruck zu steigern. Aber es wurden auch
Bergabhänge benutzt. Dann werden Terras-
sierungen im Großen notwendig; vornehme
Treppenanlagen verbinden die einzelnen Ter-
rassen, und prächtige Kaskaden bereichern die
Gärten.

Dieser Gartenkunst des Barock steht die
naturalistische Gartengestaltung gegenüber,
welche auch wohl als englischer Gartenstil oder
Landschaftsgartenkunst bezeichnet wird. Ihre
Blütezeit ist in Deutschland die erste Hälfte des
19. Jahrhunderts.

Der Überdruß an den geschraubten, unnatür-
lichenFormen,diedashöfischeLeben angenommen
hatte, der Ruf: „zurück zur Natur“, den Jean
Jacques Rousseau erschallen ließ, waren die
Ursachen, daß man auch im Garten lieber ein
Stück Natur sehen wollte als die grüne Archi-
tektur, wie sie die Barockgärten zur Darstellung
brachten. Aber die neuen Gärten sind keine Na-
turausschnitte. Sie bestehen aus wohlüberlegten,
kunstvollen Gemälden gleichenden Einzelbildern
von bestimmtem Charakter, die dem Beschauer
von den günstigsten Standpunkten, zu denen
die Wege hinführen, gezeigt werden. Einheit-

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