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Die Gartenkunst — 32.1919

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Bromme, Max: Die Kleingartenkolonie als dauernde Anlage im Stadtgebiet
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Z mit seiner Waffe eroberte, dem Kleingärtner

■ wieder streitig gemacht werden, nachdem er
Z neben zäher saurer Arbeit auch. Geldopfer in

■ sein Ländchen hineingesteckt hat? Es wäre
Z jammerschade: schade nicht nur um seine Ern-
; ten, die er nach einigen Jahren von Kultur-
* erfahrung und Bodenverbesserung erst redit zu
; steigern hofft, sondern auch um die Garten-
Z freu de, die ihn gepackt hat beim Schaffen und
n beim Beobachten seiner Pfleglinge. Es wäre
Z auch schade um des Kleingärtners Zukunfts-
| träum: daß er, wenn einmal die Not um den
Z knurrenden Magen nicht mehr nötigt, jedes Beet

mit Kartoffeln und Rüben zu bestellen, im Schat-
! ten s elb s t gepflanzter Obstbäume, im Duft
; selb st veredelter Rosenbüsche wandeln darf,
i — ja, daß er gar vielleicht einmal ein Häuschen
; drein bauen darf für sich und die Seinigen, ein
i richtigesHäuschen zum Wohnen und zum
; Feierabendhalten vom Lebensgetriebe!

: Nun vielleicht ist die Zeit ihm günstig. Wie

■ sie weiß, daß alle Mittel beitragen müssen, die
Z geschwächte Volkskraft zu beleben, so hat sie
; auch Verständnis gewonnen für den Gartenhunger
Z der Gegenwart. Und die Umwertung aller Werte
; wird auch auf den Grund und Boden in der
Z Umgebung der Städte nicht ohne Einfluß bleiben.
; Vor dem Kriege war das Land um die Großstadt
Z „baureif“ — schon der Ausdruck besagt, worauf
; allein die Bewertung allen Geländes hinausging.
I Garten- oder landwirtschafllicheNutzung unterließ
; man besser, um plötzlich auftretende Bauprojekte

■ oder Verkäufe nicht zu hemmen, und weil die
; Bestellung oder Verpachtung sich nicht verlohnte.

Der unglückliche Ausgang des Krieges mit
; allen Folgen der Rohstoff- und Materialnöte,

■ mit dem Verzicht auf so manches großzügige
; Bauprojekt, mit dem Mahnen zur Sparsamkeit

■ allerorts, rückt die spekulative Verwertung des
Z Bodens vielfach um Jahrzehnte in die Ferne,

■ wenn sie überhaupt an vielen Stellen je ein-
Z treten wird. Die bitterste Notwendigkeit, den

■ natürlichen Ertrag des Grund und Bodens neben
5 anderem auch durch Gartenbau, Landwirtschaft

■ und Obstbau auf das höchste zu steigern, um
Z neue Werte gegenüber dem Ausland zu er-
jj zeugen -— die volkswirtschaftliche Pflicht, das
5 im Kriege erprobte System der „Selbsterhaltung

■ soviel als möglich aus eigner Scholle“ beizu-
" behalten, wird die Verzinsung des Großstadt-
; geländes auch ohne bauliche und industrielle
Z Nutzung auf erträglicher Höhe erhalten.

: So steht zu erwarten, daß manches Klein-

I gartenland, das nur kurzfristig verpachtet
J war, seinem Pächter für eine längere Zeitspanne
£ wird erhalten bleiben können. Damit soll eine
j dauernde Erhaltung solcher Kleingärten
| in ihrer gegenwärtigen Aufteilung noch
; nicht gefordert werden: sie würden, weil es sich

■ häufig um eine zu vorübergehender Benutzung



entstandene Einteilung und Ausstattung handelt, Z
nicht einmal dem Interesse der Kleing artenbau- ■
bewegung förderlich sein. Denn an die klein- 5
gärtnerische Daueranlage müssen höhere ■
Ansprüche in mancherlei Beziehung gestellt !
werden. Daher wird diejenige Stadt, welcher die ;
Förderung des Kleingartenbaues und seine !
Ständigmachung am Herzen liegt, vielfach nach ;
anderem Gelände Umschau halten müssen, und Z
der Kleingärtner wird mit einer Umlegung seiner ;
Parzelle zu rechnen haben.

Schon die gegenwärtige Wohnungsnot, die ;
eine schleunige Errichtung von Tausenden von Z
Wohnungen in allen Städten zur Folge hat, ;
gibt den Anstoß dazu. Selbst über halbreife 5
und vorzeitig abgeerntete Gärten und Äcker ;
schreitet die größere Not um Herd und ■
Dach hinweg und läßt eiligst erbaute Wohn- ;

barocken erstehen, ohne daß die Betroffenen, Z



Kleingärtner und Ackerbauer, ein Recht haben, ;
gegen solche Vergewaltigung mit ihrem Schick- ■
sal und mit der Behörde zu hadern. -

Es ist zu erwarten, daß die Menge der T
gegenwärtig fehlenden Wohnungen binnen ;
wenigen Jahren geschaffen sein wird. Bei der ■
Bauweise, in der sie zum großen Teile errichtet i
werden, wird dem Gartenbedürfnis in Form von !
Hausgärtchen zum Teile Rechnung getragen. 5
Für die in den Mietskasernen verbleibenden 5

B

Städter bleibt die Gartennot trotzdem bestehen. ■
In diesem Zusammenhang interessiert uns die [
Frage, ob ein starkes Anwachsen der Großstädte Z
auch fernerhin zu erwarten ist, so daß also dem ■
Laubengärtner die ihm überlassenen Flächen Z
früher oder später wieder entrissen werden •
müssen. Oder wird ein Stillstand im Wachsen Z
der Bevölkerungsziffer der Großstädte eintreten, l
vielleicht sogar ein Rückgang sich zeigen, ver- jjj
ursacht durch starke Auswanderung, geringe «
Geburtszunahme oder, was erfreulicher wäre: Z
durch „Stadtftucht“, durch gesteigerte Wert- ■
Schätzung des Landlebens? Ich glaube eher an !
Stillstand und an Rückgang, als an Zunahme ■
der Einwohnerzahl, — und ich halte das noch Z
nicht einmal für nachteilig, sofern der ver- ;
bleibende Teil Nutzen daraus zu ziehen weiß: !
auf dem Wege weitläufiger Entlastung der j
Innenviertel und mit dem Ziele, Gesundung der Z
Wohnungs- und Gartenverhältnisse überhaupt. ;

Die Anfänge zur Besserung sind in dem Z
Auftauchen zahlreicher Siedlungs- und Heim- ;
Stättenprojekte vorhanden: die Durchführung Z
erfordert freilich m. E. eine wesentliche grund- ;
legendeReform: nämlich die Umstellung aller ■
Bodenpolitik und Bodenbewertung. Soziali- ;
sierungspläne dürften wohl auf diesem Gebiete Z
nicht ausbleiben, und gesetzgeberische Maß- ;
nahmen würden sich für unseren Zweck, die Z
Seßhaftmachung des Kleingartenbaues, ■
sicherlich günstig auswirken.

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