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Die Gartenkunst — 32.1919

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Völckers, Otto: Zwei Altmünchner Herrengärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0169

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Zwei Altmünchner Herrengärten.

In der Plansammlung des bayerischen Reichs-
archivs befindet sich eine Anzahl von Garten-
plänen des 17. und 18. Jahrh., von denen die
meisten Gärten darstellen, die außerhalb der
Tore, zum Teil auf und in den Bastionen der
Stadtbefestigung lagen. Die Mehrzahl von ihnen
zeigt nur eine ganz einfache, selbstverständlich
regelmäßige Aufteilung der vorhandenen Fläche
in Beete (Greidl-Better) und Rabatten (Rabatl),
die nicht einmal immer mit dem stets vorhande-
nen, gewöhnlich als „gemauert“ bezeichneten
Gartenhaus in engere Beziehung gesetzt sind.
Nur selten findet sich bei diesen einfachen An-
lagen eine besondere Zugabe, eine „Kuglstatt“,
also eine Kegel- oder Bocciabahn oder ein Spring-
brunnen. Mitunter aber gab es auch aufwändi-
gere und nach einem bestimmten Plan sorgfältig
ausgeführte Anlagen, von denen ich hier zwei
vorführen möchte, die, obwohl in der Entstehung s-
zeit an 100 Jahre verschieden, dennoch eine ge-
wisse Ähnlichkeit im Programm und in der Anlage
zeigen. Die beigefügten Pläne sind frei nach den in
zarten Farben behandelten Originalen gezeichnet,
da eine photographische Wiedergabe eben wegen
der Farbigkeit der Vorlagen nicht gut tunlich ist.

Der ältere der beiden Gärten gehörte dem
„Edlen und Gestrengen Herrn Georgen Heigl,
Hof Camer Rhat“; der Plan ist 1675 von C.
Stenglin gezeichnet. Am Kopfe des langrecht-
eckigen, vorm Tore gelegenen Grundstücks liegt
das Gartenhaus, dabei, etwas seitlich verschoben,
ein Brunnen. Vor dem Hause nimmt ein Drittel
des Geländes der eingefriedigte Baumgarten ein;
hinter diesem folgt eine deutlich ausgeprägte
und durch ein Sommerhaus noch besonders be-
tonte Querachse. Diese besteht aus einem teil-
weise in Mustern ausgelegten Parterre und aus
einem Laubengang. Der letztere trennt den aus
Baumgarten und Parterre bestehenden „Lust-
garten“ gegen den nun folgenden Nutzgarten ab.
Dieser „Kreudelgartten“ ist, wie der Baumgarten,
besonders eingefriedigt; seine Fläche faßt die
Hälfle des ganzen Grundstücks, und ist einfach in
viele schmale Beete aufgeteilt ohne besondere
Gliederung.

Die Merkmale des Heigl-Gartens: Garten-
und Sommerhäuser, Baumgarten, Parterre und
Gemüsegarten finden wir etwas über hundert
Jahre später immer noch als Hauptbestandteile
eines Herrengartens, also eines größeren Bürger-
gartens, vor. Die Abb. gibt eine Darstellung nach
einem Plan von 1781, der den Garten des Rats-
angehörigen Herrn Anton Tusch zum Gegenstand
hat. Hier ist alles schon kunstvoller, und statt
der einfachen Aneinanderreihung des Heiglschen
Gartens finden wir eine geistreiche Komposition.
Der Garten liegt auf einem rings vom Graben

und einer teichartigen Erweiterung umgebenen
Ravelin der Stadtbefestigung. Ein normaler
Ravelin sah etwa aus, wie Abb.unten links zeigt;
der, auf dem unser Garten liegt, weicht nur in
der äußeren Umrißlinie von diesem Schema ab.
Das Gartenhaus — die andern Bauten, außer
dem Gärtnerhaus, dem Glashaus und der Schiff-
hütte, sind nur „Sommerhäuser“ — steht im
Mittelpunkt der Anlage und fast im Winkel des
inneren gedeckten Dreiecks, mit einem Fuß auf
der Krone, mit dem andern auf der Sohle der
inneren Wallböschung. Zu seinen Füßen liegt
nach Süden zu das als richtiges parterre de
broderie mit „geschnörkelten“ Zierbeeten, Spring-
brunnen und Vasen ausgestattete Parterre, das
offenbar auf einer Aufschüttung liegt, sodaß es
zwischen der Höhe des eigentlichen Walles und
der Tiefe des inneren Dreiecks eine mittlere
Terrasse bildet. Als Abschluß dieses Teils nach
Süden dient ein Sommerhaus. Vor der Nordseite
des Hauses erstreckt sich nun der Baumgarten,
mit streng reihenförmig angeordneten Bäumen,
mit Springbrunnen und Statuen geschmückt. Auch
dieser Gartenteil ist in sehr geschickter Weise
durch Baulichkeiten markiert: am Nordwestende
liegt wiederum ein Sommerhaus, zu dem man
seitlich auf einer doppelarmigen Treppe hinauf-
steigt, das also für die lange Perspektive des
Baumgartens einen erhöhten Standpunkt bietet,
während die gleiche Lage, hoch über Wall und
Graben, auch nach der andern Seite einen schönen
Blick auf die in dieser Richtung liegende Stadt
gewährt; am südöstlichen Ende wird der Baum-
garten durch ein auf dem höchsten Punkt des
Ravelins liegendes „chinesisches Sommerhäus-
chen“ abgeschlossen. Audi der Gemüsegarten
fehlt nicht, er ist in zwei rechts und links vom
Parterre liegende Abteilungen getrennt. Die
größere, östliche von ihnen hat einen Mittelweg,
der auf eine kleine Zieranlage mit einer Statue
zuführt. Es ist sehr hübsch zu sehen, wie die
notwendigen und, wie wir sahen, althergebrach-
ten Bestandteile des Bürg erg artens, Baumgarten,
Parterre,Gemüsegarten, zu denen hier noch eine
Wiese mit Einzelbäumen tritt, zusammen mit
den verschiedenen Gebäuden auf einem immer-
hin ungewöhnlichen und in sehr ausgeprägten
Formen schon vorhandenen Gelände mit gutem
Geschick zusammengebracht sind. Interessant ist
auch die in den beiden Beispielen zutage tretende
Tradition, die unverändert an den Grundbestand-
teilen der Anlage festhält und nur die Formen
und den Geist der Gestaltung modelt. Und es
beschleicht uns ein leises Bedauern, daß alle diese
lieben und heiteren Gärten, Wall, Graben, Baum
und Haus auf ewig unter dem Asphalt begraben
sind. Otto Voelckers, Arch. D. W. B.

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