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u4 Busch, Anleitung zur Mitteilung der Religion.
Theilen frischer und reiner gestaltet.« Der umsichtige Vorredner
gehört nicht zu den trübsinnigen Tadlern der Zeit ; er preist
Gott, dafs er in dieser Zeit geboren ist; er sieht Leben und
Fortschritt und freut sich darüber. Aber jede Zeit hat ihre Ge-
brechen, und die verliebte Lobpreisung, die alles unter uns gut
und vortrefflich findet, als wäre das Reich Gottes seiner Vollen-
dung schon ganz nahe, ist ihm zuwider. »Das Christenthum ist
immer noch vorhanden in seiner unvergänglichen Schönheit und
ewigen Wahrheit. Es hat seine angestammte Gotteskraft, selig
zu machen alles, was wahrhaft sich ihm hingiebt, nie verleugnet.
Aber es liegt am Tage, dafs es in unserer Zeit bei aller Aufklä-
rung des Verstandes und bei aller Lebhaftigkeit des Gefühls seine
volle Kraft nicht äufsert. Es müfste sonst anders und besser
um uns stehen. An ihm selbst kann die Schuld nicht liegen. Wo
wäre jemals die Wahrheit Schuld, wenn der Mensch sie nicht
erkennt und recht gebraucht? So liegt es also an uns? Aller-
dings! Wir sind nicht aufmerksam und eifrig genug, geben uns
dem Evangelium nicht genug hin, dringen nicht tief genug ein
in sein innerstes Wesen und Herz. Wir fassen es nicht lebendig
genug als Ganzes auf, nehmen noch zu sehr den Buchstaben
ohne den Geist, die Lehre ohne seine heilige Geschichte, das
Menschliche darin ohne das Göttliche, dieses ohne jenes. Nur
das ganze volle Christenthum, wie es in der heiligen Schrift
einfach und lebendig, ebenso klar als tief, geschrieben steht,
nur dieses, und nur dann, wenn wir es in seinem Geist in unser
Herz fassen und lebendig und frisch darin erhalten, — hat es
die Macht, das Reich Gottes unter uns zu mehren und zu vollen-
den. Aus einseitiger, ungeistiger, unlebendiger Auffassung ent-
stehen ungeschickte Lehrweisen und Mittheilungsarten, und so
geschieht es, dafs das Evangelium, die Kraft Gottes, — von Ge-
schlecht zu Geschlecht wirkungsloser und fremder, durch Aber-
glauben und Unglauben, Lauheit und Halbheit, Zorn und Ueber-
treibung immer mehr entkräftet und entstellt wird.« Alle diese
Worte sind dem Ref. wie aus der Seele geschrieben, und er
möchte für sich nur noch dieses hinzusetzen. Die Wissenschaft
der Theologie steht bei uns auf einem glänzenden Höhepunkte;
die bedeutendsten Virtuositäten erscheinen auf ihren verschie-
densten Feldern; die unermefsliche Erudition der deutschen Got-
tesgelehrten wird von den Fremden mit Erstaunen betrachtet;
die mannigfaltigsten Systeme der scharfsinnigsten Dialektik und
tiefsinnigsten Spekulation liegen zur bequemsten Auswahl dem
 
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