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Ferrand, Gedichte. Neue Sammlung.

sind ; nur des Heuchlens noch so kunstvoll geschraubte Reime
über dieselben Gegenstände lassen uns kalt und widern uns an.
Der Dichter vergleicht seine Lieder bescheiden mit den Ein-
tagsgeschöpfen des Frühlings :
Ach, der Tag hat euch erschaffen.
Und der Tag der euch gebracht,
Wird euch sterbend mit sich raffen
In die dunkle Todesnacht.

Und mit stillem, bangen Sinnen
Schau ich euer heitres Spiel;
Aber tief im Herzen innen
Bebt ein leises Wehgefühl.
W ie ihr gaukelt auf und nieder,
Süls berauscht von Duft und Licht,
Gaukeln meine kleinen Lieder
Um ihr Blumenangesicht.
Ueberhaupt knüpft der Verf. seine Lebensgefühle auf’s An-
muthigste an die nächsten Naturerscheinungen. Lieblich besingt
er das erste Blatt des jungen Rosenstrauches, der so lange ge-
krankt hat :
Die kleine ßlüthenknospe*
Keimt aus der Blätter Grün,
Und quillt und schwillt allmahlig
Um prangend zu erbltihn ;
Bis sie in süfsem Beben
Die grüne Hülle sprengt,
Vor holder Scham erglühend ,
Sich langsam vorwärts drängt.
Erst lauscht ein rothes Blättchen
Bang schüchtern nur hervor :
Noch zögert sie — bald steht sie
ln vollem , duft’gpn Flor.
So, sagt der Sänger, hat auch Er lange gekrankt, und
— dieses kleine Liedchen
Ist wohl das erste Blatt,
Das aus der vollen Knospe
Sich still gestohlen hat.
Aber alle Blumen, die seiner Brust entblüht sind, sein Leben
und sein Lied, weiht er seiner Liebe. Im »ersten Schnee«
grüfst ihn in den kalten Winterflocken ein holder Frühlings-
traum, denn in der Stunde, wo er Sie zuerst gesehen, wirbelten
die Flocken, wie heut. Im »Stübchen zu vermiethen,« einem
 
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