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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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liche BaulM-r gcnelimigt und gewollt hat. Von dem
Bilde, das die Westsront vor dem dreißigjährigen Ätnege
bot soll danach die iu Aussicht zu nehmende Restaura-
tion nicht abweichen. schon weil dies als Gebot der Treue
und Pietät erscheine, aber auch deshalb, weil der Ab-
schluß mit deni Doppelgiebel Non höchster Schönheit
und Eigenart sei und eine urdeutsche und dabei geradezu
glanzbolle Jdee darstelle. Alit der Wirknng dieses Gie-
belabschlusses verglichen, inllsse die Fassung des 17. Jahr-
hunderts eine „schwächliche" Lösnng genannt werden.
Sis sei dem Geschmack einer Zeit entsprungen. die fllr
eine malerisch e GruPPierung der Einzelpartien
eines Baukompleres bereits den Sinn verloren hatte
und dem Jdeal der Gleichsörmigkeit nnd Regelniäßigkeit
nachstrebte.

Den Entwurf der Z w i l l i n g s g i e b e l in
dem bearbeiteten Projekt anlangend, so hat sich die Haupt-
teilnng aus den Stockwerksassaden herauf von selbst erge-
ben. Für die Ornamentierung wird Verwendung des
sogenannten Katuschenwerks vorgeschlagen, da dasselbe
auch an dem obersken erhaltenen Geschoß bereits vorhan-
den ist. Ob in den neuen Nischen der Giebel wappenhal-
tende Löwen, wie in demProjekte angenommen, aufzustel-
len sein werden oder vielleicht auf diese Nischen mit
Ausnahnie der zwei fllr die Aufnahme der beiden noch
vorhandenen Figuren bestimmten zu verzichten und an
deren Stelle eine Pilasterarchitektur zu setzen wäre, wird,
wie das Projekt selber, noch näherer Prllfung bediirfen.

Der entworfene eiserne Dachstuhl ist von
dem Herrn Projektverfasser na-ch einem anderen System
konstruiert als dem gewöhnlichen, von den Baninge-
nieuren gehandhabten: so wie der Dachstuhl konstruiert
ist, wird das Dach billiger zu stehen kommen als nach
den sonst üblichen Konstruktionssystemen. Die oberste
Decke ist der Feuersicherheit wegen, wie beim Friedrichs-
bau, verdoppelt worden. Sie besteht aus zwei Valken-
lagen, von denen die untere ansbetoniert und mit einem
feuersicheren Estrich llberdeckt werden soll. Die obere
trägt einen mit Beton ausgefiillten und mit Ziegelplatten
belegten Wellblechboden.

Die ganze Restaurationsarbeit in den vorerwähnten
beiden Bauten wiirde, da der innere Ausbau zum Teil
sehr einfach, die reicheren Stiicke aber wenig zahlreich
sind, nach Ansicht des Gutachtens in vier Jahren voll-
endet werden können. Die Kosten für die vorgeschlagenen
Wiederherstellungsarbeiten sind für den gläsernen Saal-
bau auf 140 000 Mark, fiir den Otto Heinrichsban anf
470 000 Mark veranschlagt.

Deutsches Reich.

— Der in letzter Zeit viel geiiaimte frühere Komman-
dant der Gazelle, Korvettenkapitän Neitzke, wird, wie ver-
lautet, nicht in den Marinedienst zurückkehren, sondern sich
dem überseeischen K onsulat sdi s nst des Reiches widmen.

Ausland.

England.

London, 3. Jan. Das Kriegsamt veröffentlicht
einSchreiben, in welchem der Oberkomniandierende der
Armee, Lord Roberts, in Beantwortung einer An-
frage einer Dame die in auswärtigen Blättern enthal-
tenen Behauptungen llber grobe A usschreitunge n
englischer Offiziere und Soldaten gegen Burenfrauen
und Mädchenj namentlich sol-che ans den Fliichtlings-
lagern, fiir vollkommen unbegründet erklärt.

Spanien.

Barcelona, 4. Jan. Mehrere tausend a u s-
ständige Männcr und Franen, denen sich zahlreiche
Dorsbewohner ans-chlossen, durchzogeu gestern die Vor-
städte und bewarfen die Fabriken, die stark beschädigt
wurden, nüt Steinen. Einige Arbeiter, die die Arbeit
nicht eingestellt hatten, wurden durch Steinwllrfe ver-
letzt. Die Polizei wollte die Fabriken schlltzen, und es
kam dabei zu Z u s a m m e n st ö ß e n mit den Arbei-
tern: einige Arbeiter schossen. Schließlich mußte Ka-
vallerie eingreifen: mehrere Personen wurden verwnn-
det. Der Generalkapitän gab den Kavallerieregimentern
Befehl, sich zur Besetzung der Straßen Lereit zu halten.
Die nach der Umgegend fllhrenden Straßen sind von
der Polizei bewacht. Der Gouverneur untersagte die
Versammlungen. Trotzdem hielten die Arbeiterinnen
eine Versammlnng ab, in der sie Unterstützung der Arbei-
ter und den Ausstand beschlossen. Sie verlangen einen
neunstündigen Arbeitstag.

rmglücklicherweise gerade der Kapitün, mit dem die junge
Delltsche das Renkontre im Krankenhause gehabt hatte.

„Was geht hier vor?" fragte er. Noch ehe aber Frie-
derike oder einer der Soldaten geantwortet hatte, setzte er,
die jnnge Dame erkennend, hämisch hinzu:

„Ach so, die Dentschel Diese Leute müssen doch überall
herumspionieren! Führt sie znm wachthabenden Offzierl Da-
mit ging er.

Deutsche . . . spionieren . . . die beiden amerikanischen
Soldaten, echte Uankees, roh und eingebildet, wutzten nun
genug. Trotz ihres Protcstes banden sie der jungen Deutschen
die Hände auf den Rücken und stietzen die „Spionin" zum
Wachthabenden.

„Mein Herrl" braustc Friederike hier auf, „wie tverde
ich behandeltl Sie mützten mich kennen, und selbst wenn das
nicht der Fall wäre, sollten Sie sich schämen, eine Frau von
Ihrer Soldateska also behandelt zu sehen!"

Der Offizier zuckte mit den Achseln.

„Jch mutz Sie in Gewahrsam nehmenl"

„Jch werde beim deutschen Konsul Beschwerde führenl"

„Können Sie. Wird Lbrigens nicht viel nützen. Vor-
läufig sind Sic Gefangenel"

Damit lieh er die junge Dame in einem Schuppen unter-
bringen, vor welchem eine Menge Soldaten lagen, die sobald
fie hörten, eine Deutsche sei gefangen, anfingen, Spottlieder
AU singen auf die Deutschen, den deutschen Admiral Diederichs
und den deutschen Kaiser. Dazu erzählte man sich die im
Lager umherlaufenden albernen Geschichten von der Behand-
lung, welche sich angeblich die deutschen Seeoffiziere von
Amerikanern hätten gefallen lassen müssen und fuchten fo
auf alle Weise die Gefangene in ihren patriotischcn Gefühlen
zn kcänken.

Das dauerte an zwei Stunden, bis ein höherer Offizier
auf die Station kam, welcher die junge Deutsche endlich
aus ihrer peinlichen Lag« befreite. Zornbebend sagte sie dem
Manne ihrc Meinnng über amerikanische Soldaten, dann eilte
ste ins Hospital. Jhr verwundeter Landsmann war rhr

KLeLne Zeitung.

— Frankcnthal, 3. tzan. Ueber den gransjgen
M o r d, der vergangene Nacht in hiesiger Stadt verllbt
worden ist, wird sotgendes Nähere berichtet: Das Opser
ist die ani Ktndergnrten der Znckerfabrik thäkige, elwa
80 Fahre alte Lehrerin Fränlein B e l s e r. Diese, die
in einem der Znckersabrik gehörigen, an der Flöiners-
heimerstraße gelegenen Hanse wohnte, wnrde hente
srüH anf der zn ihrer zn ebener Erde gelegenen Wohnnng
gehörigen Veranda tot anfgefunden. Die nähere Besich-
tignng ergab, daß sie dnrch Stiche niit einem dolchartigen
Messer getöket worden war. Der Mörder hat das arme,
wehrlose Weib fnrchkbar zugerichket. Wurden doch nicht
weniger als zehn Stichwnnden gezühlk, von denen drei
das Herz nnd einer die Lunge getroffen Haben. Jeder
einzelne dieser vier Stiche war tötlich. Der Thäler bat
es zweifellos auf eine Veranbung der Belser abgesehen
gehabt. Er mnßte mit den Verhältnissen vertraut ge-
wesen sein und gewnßt haben, daß diese eine tleine Geld-
snmme, die sie anlätzlsch der jllngst stattgefundenen Ge-
neralversanimlung der Zuckerfabrik als Gratifikation ev-
hielt, in ihrer Wohnnng ansbewahrtc. Vertraut mit der
Oertlichkeit die Tote bewohnte die eine Seite eines
einstöckigen sogenannten Doppelhauses ganz allein —
hat der Mordbube, nachdem er borher die in nächster
Nähe des Hauses besindliche Straßenlaterne verlöscht
hatte, die Arme entweder dnrch die Hausglocken oder
durch das von ihm bei dem Versnche, in die Wohnung zn
dringen, vernrsachto Geränsch aus dem Bett gelockt. Als
sie, mit einem Leuchter verseh«l, an der nach der den
Eingang bildenden Veranda fübrenden Hausthllre er-
schienen ist und diese geöffnet hat, ist sie bon dem Thäter
mit gezückter Mordwaffe empfangen worden. Jeden-
falls ist der gransame Mörder nach Tötnng seines Opfers
in seinem Beginnen gestört worden, denn. er hat den
Thatort? wie die vorgefnndenen Fnßspuren zeigen, in
größterEile verlassen, ohne den gePlantenRanli znr Aus-
fllhrung gebracht zu haben. Die Ersparnisse der Belser
wurden noch nnberührt vorgofunden. Auch ließ die in
der Wohnnng herrschende Ordnung erkennen, daß sie
von dem Mörder Nicht betreten wvrden war. Die Poli-
zei nnd Gendarmerie entfaltet eine eifrige Thätsgkeit,
nm des Mörders habhaft zn werden. Der That verdäch-
tigt wird ein mit einer Militärmütze versehener jnnger
Mensch im Alter von 18 oder 10 Jahren. Die .Kleidnng
des Thäters mnß nnbedingt mit Blut befleckt sein. Eine
große Festlichkeit, die die Direktion der Zuckerfabrik
inorgen aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums eines
Siedmeisters ihren Arbeitern veranstalten wollte, ist mit
Rllcksicht anf das blntige Ereignis verschoben worden.

— Stnttgart, 4. Jan. Herzogin Akbrecht von
Wllrtteinberg, die Gattin des einstigen Thronerben, ist
heute Nacht von einem Mädchen glllcklich entbnnden wor-
den. (Das ist das sechste Kind der Ehe des Herzogs
Albrecht, Generalleutnants und Kommandenrs der 26.
Division (1. königlich wllrttembergische), und der Erz
herzogin Margarete Sophie von Oesterreich. Von den
sechs Klndern sind drei Knaben nnd drei Mädchen. Red.)

— Einc Milliarde Minntcn. Die Minnte erscheint
nnserem Gefllbl als ein nnbedentend kleiner Zeitab
schnitt, nnd sollten wir größere Zeitränme in Minnten ab-
schätzen, wiirden die Meisten sicher rasch genng die größ-
ten Zahlwörter zu Hilfe nehmen. Es ist daher interessant,
auf die verhältnismäßig wenig bekannte Thatsachs hin-
zuweisen, daß seit Christt Gebnrt, also seit dem Anfangs-
termin nnserer Zeitrechnnng, erst jetzt eine MMarde
Minnten perstrichcn ist. Denn da ein gewöhnliches Jahr
525 600 Minuten nmfaßt, so bedentet Lies für 19 Jahr-
hnnderte erst 998 640 000 Minnten. Znm Vergleiche
sei darauf hingewiesen, daß selbst eine Milliarde Sekun-
den ksin so qanz winziges Zeitmaß ist. Gehören doch
immerhin schon fast 32 Jahre dazu, und nur noch eine
geringe Answahl der Sterblichen dnrchlebt diesen Zeit-
raum zweimal. tlnd endlich die Seknndenmilliarde, die
mehr äls hnnderttausend Jahre umfaßt, gehört schon zu
den Maßen, die fllr nns reine Zahlen sind ohne greifbare
' Vorstellnng.

Berlosungen.

Meininaen, 2. Januar. Serienzikhung der Meininger 7-
Gnlden-Lose. Gczoaene Serien: 12 168 211 899 864 1657
1129 1142 1248 1515 1589 1648 2" 18 2145 2223 2273 2293

2428 2145 2459 2494 2586 2L5 2742 2763 3082 3108 3184

S348 8501 8522 3569 3750 3954 4005 4017 4^30 4072 4236

4282 4427 4176 4512 4574 4619 4705 4992 5151 5222 524S

5248 5552 55W 5655 5954 5988 60-8 6138.6268 6302 6359

6480 6738 6790 6879 6 03 6974 7117 712 1 7242 7250 7296

7419 7180 7851 7868 7969 8004 8058 810 8142 8178 3269

8293 8323 8597 8665 8706 8913 8916 895 ' 9043 9073 9144

9258 9323 S358 9452 9532 9555 9579 9589 96 3 9632.

Äerantwortltch fiir den redaktionellen Teil A. Montua. für --

_Jnseratenteil Th. Berkenbusch, beide in Heidelbsrg._

KMeMrger Zcbnrlldrner , .

1-r s«ne oranen Ltr Sr!ele. Uer!»n,en r>e M-Ne, «m> Seelill»«« »»,
k'Lbrilc 8Lol2eub«rx, Os« S«<1eu,

Vsctcetsc in Nsilielbscg, Nauptstcnsss 121: kc a s t Vo ik.

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sovis ülrsvli- unä Itedxeiveike suipgeült

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Tissks ^aörrLats. 7tss/(s 7>erss.

Für die Buren-Frauen nud -Kinder

sind ferncr eingegangen: 1) Bet Gust. Kökter, Hauptstr. 60

(3. Ltste): Von Frau W. 2 Mk., Frau N. 2 Mk., Dr N. 10 Mk.,
Fr. St. W. 30 Mk.. Frl. Fr. W. 5 Mk.. Frl. E. W. 5 Mk.,
W. L. 50 Mk.. Fil. St. 2 Mk.. T. W. 3 Mk.. Frau E. L. Ww.
100 Mk., L. S. L. 100 Mk . Ph. O. B. 5 Mk., E. L. 2 Mk.,
Prof. H. 3 Mk, H. M. 5 Mk., durch Frl. Wcber gesammelt
26 Mk, Fr. H. Fl. 20 Mk.. llnqenannt 5.50 Mk., O- B. 2 Mk.,
We. 3 Mk., Wa. 2 Mk.. K H. 3 Mk., H. R. 20 Mk., L. 1 Mk..
Fr. L. 3 Mk.. Ungen. 5 Mk, Ungcn. 5 Mk., Fr. Dr. E. 10 Mk.,
Frl. A. u. M-Fr. 10 Mk., Ungen. 5Mk., Frau Prof. Spr.2 Mk.,
Frl. M. E. 3 Mk., Frl. E. E. 3 Mk-, Fr. B. 2 Mk.. Frl. Schm.

E. 1 Mk.. Fr. Pf. 1 Mk , H. M 2 Mk.. F. 10 Pf., Stud. G.
5 Pfg.. Flor 60 Pfg.. zus. 459 Mk. 25 Pfg. - 2) Jn H o ch-
steins Musikalie n ha>i d lun g: K. H. 2 Mk., G. Schp.
2 Mk.. W. Clmmi. 1 Mk.. K. W. 2 Mk. G. Wner. 2 Mk.,
W. Tr. 1 Mk., Graf v. Wlt. 5 Mk, N. Krckr. 5 Mk.. M.Schn.
I- A ^ A. Sg. 3 Mk., H. 1 Mk., Snnenfch. 1 Mk.,
A. Mx. 2 Mk., F:l. Wdng. 2 Mk., E. Bch. 5 Mk., Kßml. 10 Mk.,
R. Vglmnn 2 Mk.. Dr. Wls. 5 Mk.. Mds. 2 Mk., Ärcher 1 Mk.,
L. H. 1 Mk. I. Htm. 1 Mk.. Hrchg. 2 Mk , P. Ktze. 1 Mk.,
v. Sch. G 15 Mk., K.Krth. 1 Mk., C. Vllmd. 2Mk W 1 Mk-,
C. K. 2 Mk.. H.Stl.2Mk., E. Rslr. 2 Mk.. M. Kschm. 1 Mk.

F. Ehrm. 2 Mk, I. Wlf. 3 Mk, A. Mllr. 1 Mk., A. Hlr.
1 Mk., N. Wllb. 5 Mk., Frau S. 2 Mk.. Ungeu. 2 Mk.

eingefallen. Wenn man sie schon so bchandclte, wie würde
man diesem Verlvundeten entgegenkommen, der außerstande
war, sich zu helfcnl

Die Befürchtungen Friederikens wurden noch übertrof-
fen. Als sie in das Krankenzimmer trat, auf welchem der
Deutsche mii noch eiingen Verwnndeten lag, fand sie diesen
außerhalb des Bettes errcgt auf und ab gehen, und fast
weinte er vor Wut!

„Mein Früulein!" rief er, als er Friederikens ansichtig
wurde, „besorgen Sie mir eine Waffe, damit ich dieser Ge-
sellschaft hier einmal zeige, lvas ein deutscher Bürger
ist! Doüner und Dorial Bin ich ein Spion? Wie kann man
es ioagen, mich also zu behandelnl Biu ich unter Christen-
menschen oder unter dem philippinischen Ränbergesindel?"

„Aber beruhigen Sie sich", sagte Friederike, „was ist
Jhnen denn?" Wenn man Jhnen zu nahc getreten ist, werde
ich Beschwerde führen. Sie haben doch schon zu Abend ge-
gessen?" ,

„Essen!" höhnte der Mann, „hat sich was mir Estenl
Gestotzen hat man mich auf meine Beschwerden; lotweise
sollen mich die Kartätschen fressen, weim man uns hier eine
Brotkrume gebracht hat!"

Er wies auf ein seltsames Paar, tvelches neben ihm
lag, einen Tongalen und eine Tongalin.

„Da sehen Sie, dieser Oberst und seine Schwester liegen
schon seit zwei Wochen hier und in den letzten Tagen hat
man ihnen kaum Wasier und Brot gercichtl"

„Das ist ja ungtaublich," sagte Friederike, „ich lverde
sofort Beschiverdc führen und zum dentschen Konsul geheu,
datz Sie hier fortgebracht werden."

„Ja, thun Sie das Fräulein," sagte der Mann, „denn
wenn mir noch einmal jemcmd zu nahe kommt, könnte ich
ihm den Schädel einschlagenl"

Mit Niühe und Not besorgte Friederike für den deutschen
Matrosen Essen, der es redlich mit dem Tongalen-Geschwister-
paar, die am Tage schon seme Freimde geivovden waren, teilte.

„Sie sind Matrose?" sragte sie ihn, nachdem er seinen

Hunger einigermahen gestillt hatte, „wie kamcn Sie hierher?"

„Matrose bin ich jetzt," entgegnete der Deutsche, „bis
vor kurzem war ich Fleischer in diesem veritablen Hunde-
nest.^ Die beste Wurst bon Hamburg bis nach Elmshorn
hat seinerzeit Gottfried Heinrich Lütterjahn gemacht, und hier
ist jie wahrlich nicht schlechter gewesen. Jch hatte auch mein
Auskommen, bis es auf einmal diesen Filippinos einfallen
mutzte, zu revoltieren und bis die amerikanischen Befreier
kämeii und sie haben mich loirklich befreit, haben meine
Würste verschlungen und mein Haus in Flammen aufgehen
lay'en. Was soll man da machen? Da bin ich Matrose gewor-
den. — Und wie ich nun hierher komme? Sehen Sie, kommt
da unsere Bark gestern mit Fracht von Singapore und ich gehe
heute gemiitlich in der Chiuesterstraße von Binonda spazieren«
bis auf einmal: Piff, paffl mir die Kugeln um die Ohren
sausen und bums! habe ich eine in der Schulter sitzen und eine
hat mich am Kopfe geschrammt. Und glauben Sie ettva nicht,
dah es feindliche Kugeln gewesen wären. Weit und breit
war keiu Feind zu sehen, aber dieses Amerikcmergesindel ist
schon so feig geworden, datz es blind darauf los schietzt, wenn
es nur eine Ratte sieht! Donnerkeil, ist das eine Disziplinl
Jch bin auch deutscher Soldat gewcsen; aber so etwas dürfte
bei uns nicht im dümmsten Rekrutenregiment vorkommen."

Nachdem ihre Pfleglinge gegessen hatten, ging Fräulein
Friederike zum Oberarzt mit ihrer Beschwerde, der auch
Abhilfe versprach; auch verlangte sie Meldung ihrer Gefangen-
nahme an das Oberkommando.

„Aber mein Früulein," begütigte der Chefarzt, „das war
doch nur ein verzeihlicher Jrrtum —"

„Bitte kein Jrrtum, es war eine Roheit, die gar nicht
borkommen darf; ich mutz auf der Meldung bestehen, andern-
falls ich eine Truppe berlassen mutz, bei der man nicht vor
Beleidigungen, ja nicht einmal seines Lebens ficher ist."

(Fortsetzimg folgt.), '
 
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