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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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Madischer Landtag.

L6 5tar!sruhc. 14. Jan. (21. Sitzung der 2.
Kammer.) Der Regieruugstifiy weisr die gieicre Besetz-
ung aus wie gestcrn; die Galerieu warcn :>ur spärlich be-
jucht, als Piäsideut Gönuer nm lic'.-b 10 Uhr die Sitzung
eröffuere,

Das Wort eehält guuächst der Abg. Dreesbach (Soz.)
der die I nt e r p e l l a t i o n übcr deich, olltarif begrüudete
uud sich im allgcmeineu deu Darlegungen Musers anschloh.
Auch die Sozialdemokratie sei bestrebr, der notleideuden Land-
wirtschaft aufznhelfen (I) aber vou solchen Mirtelu, wie der
Kolltarif, wolle sie nichts wissen. Er sei der Ansicht, das; durch
die Annahme des Zolltarifs der Abschluß neuer Haudclsvcw
rräge unmöglich gcmacht werde, unrer dcren Herrschaft die
Auswanderung zurückgegangen, die Ausfuhr eine cnorme Stei-
gerung erfahreu liabe. Redner wendet sich gegeu die „Schlag-
Worte" der Agrarier: der Getreidebau lohne sich nicht mehr,
Deutschland köune sehr wohl seinen Bedarf an Getreide pro-
duzieren u. dcrgl.

Finanzminister' Dr, Buchenberger giebt namens der
Regierring folgcnde Erklärung ab: Der vorliegende Zolltarif-
entwurf ist däs Ergebnis mehrjäyriger, sorgfältigcr und ge-
wissenhafter Vorarbeiten, bei denen anch die badische Regierung
thätig mitgewirkt hat. Derselbe stellt in seinem technischerr
Aufbau einen Fortschritt dar und ist bestrebt, den einzelnen
tzrwerbszweigen der Laudtoirtschaft den notwendigen Schutz
angedeihen zü lassen. Bei den vielfach widerstreitendcu Jnter-
essen haben begreiflicherweise nicht alle Abänderungsanträge
Berücksichtigung finden können; der Entwurf stellt daher einen
Ausgleich äuf mittlerer Linie dar, der eiuen Fortschritl im
Sinne des Schutzes der nationalen Arbeit bedeutet. Die An-
jicht, datz dcr neue Tarif die Haudelsverträge uachteilig be-
einflußt, teilt die Grotzh. Regierung nicht. Sie hält d!e Fort-
setzung der Handelsvertragspolitik für wichtig und wird für
dieselbe nachdrücklich eintreten . Dabei giebt sie sich der Hoff-
nnng hin, datz der Reichstag den Entwnrf annehmen wird.
Von dem Abschluß neuer Handelsverträge erwartet sie auch ei-
»ren günstigcn Einfluß auf die ivirtfchaftliche Lage überhaupt.
Der Finanzmiuister wendet sich sodann gegen die übertreiben-
den Anschuldiguugen der Abg. Muscr und Dreesbach, die vou
„Vcrteuerungs- und Brotwucherpolitik" gesprocheu haben. Die
Ncgiernng crblicke iu der Zollpolitik eine Politik zum Schutz
der wirtschaftlichen Jnteressen des Landes, eine Heimatpolitik
die jederzeit vcrtrctbar sei. Muser und Dreesbach hätteu die
Tbatsache ignoriert, daß das Getrcide unter der Herrschaft
der Getreidezölle nicht teurer, sondern stets billiger geworden
ift. Die Getreidezollpolsiik verfolge nnr den Zweck, den sonst
unvermeidlichen Sturz des Weltinarktpreiscs hintauzuhalteu.
So begreiflich der Wunsch Dreesbachs nach Besscrung der Lage
der arbeitenden Klasse sci, so gehe doch das Verlaugen, datz
diese Besserung auf Kosten anderer Klassen erfolgt, zu wcit.
Es handle sich uicht blotz um privatwirtschaftliche Jnteressen,
die Frage der Rcntabilität dcs Getreidebaues sei von einem
cminent narionalen wirtschaftlichen Jnteressc. Wir wolleu
nicht den Weg Englands wandelu, das elf Zwölftel seines
Iahrcskonsums einführen mutz. Jn dcr landwirtschaftlichen
Bcwegung dcr Gegenwart stecke eiu berechtigter Kern. Nie-
mals sei der Getreidepreissturz größer gewescn, als geradc
in den letztcn Jahreu; dabei seien in dersclbcn Zeit, da dic
Getreidepreise zurückgingen, die Produktionskosten bedentend
gestiegen. Jnfolge davon seien die Landwirte auf dein Schlvarz-
wald und in anderen Gegenden des Landes neuerdings be-
jtrebt, Teile ihres Besitztums durch Verkauf oder Pacht aü-
zustotzen, um die Wirtschaftseinheit zu verkleinern und Dienst-
personal zu sparen. (Sehr richtigl) Da es sich nm Millionen
pon Eristenzen handelt, sci es Pflicht des Staatcs hclfeud
kinzugreifen. Die Schutzzollpolitik sei daher nicht verwcrflich,
selbst wenn sic deu Grotzgrundbesitzeru zu gute komme. Er
sei stets für einen maßvolleu Schutzzoll eingetreteu mit Rück-
sicht auf den landwirtschaftlichen Betriebsfortschritt, dessen
größter Feind ein stets sinkeuder Preis der landwirtschaftlichcu
Produkte ist. Bon jeher habe er die lleberzeugiing vertreten,
daß der Agrarpolitik die Schutzzollpolitik hinzutreteu inuß,
so lange die rransozeanischc Koukurreüz auhält. Der vor-
gcschlagene Zolltarif halte sich uoch in mäßigen Greuzen; aiich
nach dessen Annahme werden nnsere Landwirte, ja uicht eiu-
mal die Rittergntsbesitzer guf Rosen gebettet sein. (Lebhafter
Beifall bei deu Nationalliberaleu uud im Zeutrnm.)

Abg. Dr. Wilckeus (uat.-lib.) spricht zunächst zum
Staatsbudger, das nebeu dem Zolltarif auch eiuiges Juteresse
bemispruche. So gnr wie vor zwei Jahren sei das vorlicgende
Budger nichr. Die Reichsfinanzen — sö führt er aus —
haben sich verschlechtert, unsere Aüsgabcn siud gestiegen, dahec
der wenigcr günstige Abschluß. Jm ordeutlichcn Etat spielen
die Ausgabcn für das Rotariat- uud Grnndbuchwesen eine
grotze Rolle. Dic meistcu Gebühren flietzeu allcrdings deu
grotzen Städten zu; letztere habcn iudesseu uicht daruach ge-
strebt, die wolltcn uur die Selbständigkcit ihrer Grundüuchbe-
amten gewahrt wissen. Nachdem auf ällgemeineu Wunsch den
Gemesiiden die Grundbücher belassen wurdeu, crheben sich jetzt
Klageu übcr die groszcu Kosteu u. dcrgl. Ehc mau jedoch wei-
tere Schrittc ergreift, müsseu die Erfahruugen abgewaisiet
loerdeu. Die zahlreicheu Positioueu im neueu Budget für tlm
terstützung der Gemeinden uud der Laudmirtschaft zeigeu, datz
dic neuen Mäuner der Regiernng gewillt sind, in den bewährten
Bahnen ihrer hochverdienten Vorgänger weiierzuschreiten. Eine
vorübergehcnde Kapitalaufnahme scheine ihm unbedenklich; das
Reich gehe dari» allerdings etwas leichtfcrtig vor. Redner
hätte bezügtich des Rechenfehlers im Eiseimahnvudget schoii
früher eine Aiifklärung gcwünscht. Anf dcm Gebicte der Reichs
finanzen sollte cndlich einmal etwas Positioes 'znstande ge-
bracht werdcn. Den Vorlagen betr. Nufbcsserung der Beam-
ten und Lehrer werde die nationalliberale Partci zustimmen.

Probe für die Wirkung dcr neuen Umritzlinie des' Tlufbaues
in Naturgrötzc am Bauc selbst gemacht werden. Als letztes
Glied in dcr Kettc dieser Bauten würde sich daun der sogenannte
„Gläserne Saalbau" einfügen, der sii dcr gleichen Weise
und von den gleicheu Tcchuikern iu der gleichen Arr zu be-
handeln wäre.

Damit wäre das Hauprgeschüft gethan, das im Ganzen
12 bis 14 Jayre Banzeit beanspruchen wird, ivobei ich be-
merke, datz dieser Zeitraum kürz bemessen ist, will alles sach-
gemätz und gut gemacht werden und wollen nicht ungemessen«
Msitel in knrzem Termine verlangt und verbraucht werden.

Für die Gestaltung und Wirkung des Hofes wird es dann
notwendig sirllen, auf deni einmal bctretencn Wege nicht
stehen zu bleiben. Die Wiederherstellung des Ludwigbaues und
des Oekonomiebaues (Soldatenbau, Backhaus uud Metzelhaus)
wird danii folgen müssen, die mit geringeren Mirteln zu
ermöglichen isr. Für die iirsprüngliche Gestaltung der Fassa-
den sind ja noch die Jndizien vorhanden nnd der Arbeits-
plan künnte in derselben Ärt eingehalten werden, ioie beim
gläsernen Saalbau nnd Glockenturm. Dann wird der Thor-
tnrm mit eincm neuen, flilgereckiten Dach zu versehen nnd
der Fraüenzimmerbau in seinen oberen Teilen neu aufzu-
führen sein.

Als vorletzte Arbeit käme der Wiederanfban des Bibliothek-
und des Rnprechtsbaues in Betracht und in letzter Lsiiie
die Herrichiung des Hofes mit seiner Wasserkunst- imd Weg-
bezw. gärtnerisclien dlnlagen. Jn weiteren 8 üis 10 Jahren
könnten anch diesc Arbeiten vollendet sein, so datz die Wieder-
herftellUng in einem Zeitraume von 20 bis 25 Jahren im
Ganzen vollcndei scin köimie.

Wemi auch jetzt nichr alle Wünsche erfüllt werden können, so
hoffe e> doch, datz bis znni nächsren Landtag eine generelle
Revision des Gehaltstarifs sich ^ennöglichen lafsc. Was den
Zollrarif aiwelangt, so gehören so breite Ervrternngen^ wie
Mufer und Dreesbach vorbrachten, in den Reichstag. Scine
Frakrionsgenossen wünschen dringend, datz nmn sich in dieser
Frage anf einer Mittellinie vereinigt. Für eine mätzige Er-
hölmng der Zölle trete auch scine Partei cm, da svnst die Land-
wirtfchast nach und nach vollig zu Grunde gehe. Muser habe
sehr wenige positive Vorschlägc gemacht. Kredit- und Aüsatz-
genofsenschafien helfen nicht genügend, das zeige die Erfahrung.
Es sei kein Zweifel, datz auch die mittleren und kleinen Land
wirte vom Zollschutz grotzen Nutzen haben. Ov die Brolpreise
sich infolge der Zölle erhöhen. sci nngewitz; selbst wenn dieS
aver der Fall wäre, so würde dies dadurch paralpsierr, dasz die
Jndnstrie, wenn sie in der Landwirtschaft einen gnten Absatz
findet, höhcre Löhne zahlen kann. Mit Schlagwörtern. wic
„Brosivucher" u. dergl. könne dic schtvierlge Frage nichr gc-
lösr werden; ein billiger Ausglcich kann viel ehcr gefnndcn
werden, wcnn man Stadt und Land nicht gegen einander anf-
hetzi. Möge es dem Reichstag gelingen, etnxis Positives auch
auf diesem Gebiete zu schaffen, dann werden sich die. wirischaft-
lichen Verhältnisse bald wieder bessern. An das Bndget dürfe
man ohne Acngsrlichkeiteii aber doch nicht ohne Vorsicht heran-
tretcn. . .....

Staatsminister v. B r a n c r erttärt, datz sicy die wniichaii
liche Deprcssion auch bei dcn Eisenbahnen bcmerkbar gemacht
habc. Der Rückschlag sei schon ini Jahrc 1900 eingetreteii,
wo der Ueberschntz nur noch 17 Mill., oder wenn man die 4
Millionen aus der Magaziusverwaltung bucht, 21 Millwnen
gegen 24 ilü Jahre 1899 betrug. Es sei übrigens kein Rech-
iuingsfehlcr vorgekommen, sondern die Differenz ist nur
anf die neue Art'der Buchung zurückzuführen. Dcr Zenrralsielle
ivar von den Vorräten der Magazinsverwaltnng mchts bc
kannr, als der Fsiianzministcr sein Expvse vortrng. Jn den
lctzten Jahren sind die Ausgaben erheblich gcwachsen; aller-
dings sind vicle darunter, die herabgesctzt. wcrden könnten,
wie z. B. die Löhne und die Zahl der Arbeiter, allein das Ivird
wohl niemand wünschen. Auch die Züge sind auf den Haupt
strecken so bedeutend vernrehrt worden, dah wir den dichtesten
Verkehr in ganz Deutschland haben, Sachsen nichr ausgenom-
men. Andcre Verwaltungen haüen in Anbetrachi der wrrt-
schaftlichcn Lage die Zahl der Züge vermindert, was wir isicht
veabsichtigen. (Bravol) Allc diese Ausgabcn haben üen Be-
tricbskoeffizienten in dic Höhe geirieben. Unsece Bnchung
ist durchaus solid. Auf das Beiriebsbudgel lonntcn sämtlrche
Bauten unter 50 000 Mart übernvminen iverden, ioas übri-
gens auch bei anderen Verivaltungen üblich ist. Sollte dre
wirtschafttiche Depression wider Erwarten auf Jahre hinaus
andauern, dann mützten auch wir Einschränkungen vornehmen,
die wir für die laufende Pcriode nicht für notwendig erachtet
haben. Der wirtschastliche Rückgang, der übrigcns nach sei-
ner Mcsimng nicht lange anhalten werdc, sci nicht ausschttetz-
lich anf die Ueberproduttion, sondern auch anf die zahlreichen
Bankbrüche in Itordeiilfckiland zurilckzuführcn, dnrch welche gro-
tzes Mitztraucn in weiten Kreisen entstandcn sei. Wenn ein-
mal das Veriranen wiederkehre, dann werde. sich auch die Lage
wicder bessern. Dah dic Depression nicht gar so schlimm sei,
könnc man schon daraus ersehcn, dah im Jahre 1901 der Per-
soncnverkchr in Baden nicht wesentlich hinrcr dem des Vor
jahres zurückgebliebcn sei. Vom Jannar bis November wurde
sogar eine Mehreümahme von 85 000 Mark erzielt, (Abg.
Frühauf: halbe Kilometerhcfte I) Der Güterverkehr sei aller-
dings bcdeutend zurückgegangcn; die Mindereinnahme fchätze
er auf 2 bis ? Millionen. Die Stcrgerung des Personcnver-
kehrs sci umso ücmerkensiverier, als daraus hervorgeht, datz
trotz der nngünstigen Lage daS gleiche BcdürfniS des Reisens
bestand, ivie frühcr. Das Einnahmeplns sei nm so erfrenli-'
cher, als bekanntlich die Giltigkcitsdauer der Fahrkarten ver-
längert nnd halbe Kilometerhcfrc ausgegeben wurden. Trotz
dcr schlechtcn Lage erachtete es die Regierung als ein nobile
officium des Staates, mit den öffentlichcn Bauten fortzufahren.
Von der Rheinregulierung habe die badische Handelsmetropole
nichts zu fürchten. Was Mannheim an Umschlagsverkehr vcr-
liere, werde iveit ausgeglichen durch den erhöhten Verkehr auf
dem Rycin; auch werden cs die Mannheimcr gewitz ver-
stehen, den Rahm abzuschöpfen. (Hciterkeit!)

Abg. Klein (nat.-lib.) hält die Annahme des Zolliarifs
für absolut notwendig. Müsers Ausführimgen seien nicht
stichhältig; er hättc konseqnenteriveise die Anfhebnng aller
Zölle verlangeii müssen. Ohne Getreidcbau sei auch die Vieh
zucht nicht nwglich. Dem Bund dcr Landwirte sei cs tvirklich
darum zu thun, dem Mittelstand aufzühelfen. Die Fordcrung
des 7.50 Mark-Zolls sei keine Anmahung, sie bcruhe auf einer
ganz genauen Bdrechnung der Betriebsauslagcn. Die Land-
iWrte haben das Rechr, sich ihrcr Hant zu wchren, zumnl sie
früher zu türz gekommen sind. Die Hanptsache sci, dah bc-
stimmte Miniinalsätze erreicht werden. Die badische Regierung
habe stets lohal und warniherzig dic Jntcrcssen der Landwirt-
schaft bertreten. Möge sie mit allen Kräften dahin wirken,
datz der Zolltarif angenommc» wird. (Beifall bei den Na-
tionalliberalen.)

Um halb 2 Uhr wird die Beratung abgebrochcn und anf
Donnerstag halb 10 Uhr vcrtagt.

Aus der Karlsruher Zeitunq.

— Seine KönigliLe Hoheit der Großherzog haben den
Professor Dr. Ksrl Henn in Beriin znm ordentlicden Professor
der theoretischen Mechanik an dec Technischen Hochschule in
Karisruhe ernannt und dsn Rechnungsrat Lndwig Diemer bei
der Staatsbahnveiwaltung ki.uf ssin Ansuchen iinter Anerkenming
seiner lsngjährigen trenen Dieuste in den Rubestand vcrsetzt.

— Bstriebsassistent Anion Huber in Neulußheim wurde
zmn Stationsverwalter daselbst ernannt und Expeditionsassistent
Gesrg Meythaler in Douaueschingen nach Waidshut virietzt.

Karlsruhe, 14, Jan. Stnalsminister v. Bramr
konute hente nicht zum Vortrag bei dcm Großherzog er-
scheiuen, da die Beratungeu in der Zweiten Kammer der
Landstände seine Anlvesenheit daseibsi ^rforderlen. Der
Großherzog empfing zur Mittagszetl den Generalmajor z.
D. v. Wallenbcrg, zuietzt Kommandeur der 16. Kavallerie-
brigade. Die Prinzessin Wilhclm begcht heute das rnssi-
sche Neujahrsfest. Di-selbe unhm au der Großh. Früh-
fiückstafel teil. Jm Laufe des Nachmittags nnd Abends
hörte dcr Großherzog die Voriräge des Geh. Legations-
rats Dr. Frhrn. v. Babo und des Legat onsrats Dr. Scyb.
Heuts Abend folgt Seiue Königliche Hoheit der Einladung
des Königlich Preußischen Gcsandtsn v. Eisendecher und
Gemahlin zu eiuem Ball im großen Saal der Museums-
gesellschaft._

Ausland.

England.

Londo n, 14. Jan. Jn einern Artikel der „Morning
Post" heißt es: Jn Großbritannien herrscht vollstündige
Bereitwilligkeit, vollkonnnene Herzlichkeit in dem Vev-
hältnis zn der stammverwandten dentschenNation
ausrechtzuerhalten, deren große Eigenschaften hier voll
anerkannt werden ,deren Herrscher ein Nefse des Königs

und willkommener Gast diefer Znset ist, und deren po-
litische Znteressen an vieten Pnnkten mir den unsrigsn
znsammenfallen.

London, 16. Zan. Die „Times" weisr daraus him
daß der Admirat Senden-Bibran gestern in Audienz
vom K o n i g e empsangen lvurhe und der Adiniral dem-'
selben ein Handschreiben von seinem kaiserlichen Neffeu
nberbrachte. Das Btatt bemerkt: Dies ist nicht das erste
Mal, daß in einem Angenblicke Politischer Entfremdung
Awischen beiden Ländern der Admiral Senden-Bibran in
besonderer Mission an den englischen Hof geschickt ist.
Senden-Bi1>ran kam hierher im Jahre 1896 batd nach
dem berülmiten Krnger-Tclegramm ats Ueberbringe«
eines sehr herzlichen Brieses vom dentstlwn Kaiser an
die Königin Viktoria, dessen Jnhalt wie man weiß, viel
dazn beigetragen hat, nm den peinlichen Eindrnck zu be-
seitigen, welche der unglückliche Zwischenfall an höchster
Stelle in England hervorgernsen hatte.

- Jn B i r m i n g h a m hat Chamberlain bekannt-
lich gesagt, daß er von seiner Edinbnrger Rede nichts
zurücknehme und sie anch nicht erläntere. Die engliscke
Presse zollt ihm hierfür Beifall, aber, so schreibt Lie „Lon
douer Dentsche Korrpsponderiz", im Großen und Gau-
zen kann man sagen, daß das britische Volk dcs langen
Haders müde scheim und den wiederholten Kriegsrufen
seines Koloniatministers nicht mehr mit der alten Begei-
sternng zustimmt, eine Thatsache, die sich vor allem in
dem merklich abgeschwächten Beifall zn den gestrigen
Chamberlaiirschen Heransforderungen bemerkbar macht.
Man scheint die Gefahr einec Verschärfung des Streits
einznsehen, und vielleicht hat anch die Meldung aus
Nelvyork, dasz dem Prinzen Heinrich dort ein glän.zender
Empfang bevorstehe, ihre Wirtnng nicht verfehlt.

Afrika.

— Ein englischer Korrespondent erzählt, die Offi-
ziere Dewets wollten nur noch zwei Monate kämpfen.
Diese Nachricht sei zuerst von Bnren, die sich ergeben
hatten, überbracht worden und habe sich auch in einem
Briefe eines Ofsiziers, der im Lindley-Distrikt kämpft.
gefnnden. Das ist eine der englischen Erfindrmgen,
wie sie in letzter Zeit hänfig genrig aufgetancht sind.

Amerika.

E h i c a g o, 11. Jan. Der deutsche Männerchor
„Germania" beschloß, den Prinzen Heinri^ einzu-
laden nach Ehicago zn konrmen. Es ist ein großer
Empfang geplant.

— Der erste Erfotg des unter Senator Hanna in
Ncwyork eingesetzten Schiedsgerichts fnr Ar-
b^e tts st r e i ti g k e i t e n ist die Böilegung eines
Streites zlvischen den Tnchfabrikanten und Tucharbeitern
gervesen. 'Nach dem „Daily Expreß" verlangten 40 000
Arbeiter de» von den Fabrikanten verweigerten Acht-
stnndentag. Es gelang dern schiedsgericht, einen Kom-
promiß herbeiznsühren nnd nene Arbeitsbestimmungen
festznsetzen, die von beiden Seiten vorlänsig für ein Jahr
angenommen wurden.

Ans Stadt und Land.

Heidelberg, 13. Januar.

X Aus dem Vezirksrat. Die Tagesordnung der am II. ds
abgehaitenen Bezirksratssitziing wnrde wie folgt erledigt:
Die Klag° dcr Stadtgemeinde Heidelderg. vertreten durcb Rechts-
anwalt Leonhard dahicr, gegen Alois B-nder, Fabrikant dahier,
Forderuna bctc., wurde nach Klageuntrag entschicden. Das Ge-
such des Wilyelm Veltcn um Erlaubnis zum Beirieb der Schank-
wirlschafl wit Branntweinausschank im Hause Heidelberger-Land-
straße Nr. 869 in Leimen und dasjenige des Friedrich Zizmann
um Erlaubnis zum Betrieb der Gastwirtschaft zum Schwanen in
Leimen wurde genebmigt. Das Gesuch des Michael Gundi um
Erlaubnis zum Betrieb eimr Schankwirtschaft mii Branntwein-
ansschank in Eppeiheim und dasjrnige dcs Georg Gamber um
Erlaubnis zum Betrieb ciner Schankmrrtschaft in einsm an der
Alleestiaßc dahier zu errichtenden Neudau wurde adgewieien.
Das Gesuch des Otto Pfeiffer um Eriaubnis zum Betrieb einer
Gastwirtschaft in dem Hanse Leopoidstraße Nc. 22 dahier sotvi«
dasjenige ves Metzgers Pbil G eser um Erlaubuis zur Errich-
tung einer Schlachtstätte in Wiedlingen wucd; gsnehmigt, ebenso
dic Statulenänderung der gem-instmen Gem-ünoekrankenoersiche-
rmig der SteinachgeAeinden. Beziiglich des Milzbrandverdachts
im Stalle des Philipp Litlerer in Nußloch wurden dic Gebnhren
der Schätzer festmsetzr.

Die Leste Lösung der HeiLelberger Schloßfrage wäre dec
Ansicht des „Badischen Beobachters" nach die, wenn kimstsinnige
Fürsten, wie jene waren, welche das Schloß erbauten, die herrliche
Ruine in alter Pracht wieder herstellen ließen iind dort Hof
hielten- Das wäre freilich heidenmäßig kostsptelig, selbst für deu
reichsten Fürsten, aber, wie gesagt, das Allerbeste. — Da unter den
kunstsinnigen Fürsten doch mir solche aus dem badischen
Herrscherhaus verstanden werden dürfen, also der Vorschlag des
„Beob." die Verlegung der Residenz von Karlsruhe nach Heidel-
berg in sich schließt, so wundert es nns ein wenig, daß ein
Karlsruher Blatt mit einer solchen „besten Lösung" hervortritt.
Vermutlich soll durch den Hinweis aus die Fürsten angedeutet
werden, daß das Zentrum nicht geneigt ist, ans der Staat s-
kasse Gelder für das Schloß zn bewilligen.

ll) Offiziöses über die --chloßfrage. Die „Süddeutsche
Rcichskorresp." schreibt: Das badische Finanzministerium er-
achter die Heidclberger Schloßfrage noch nicht
als spruchreif. Eine Vorlage über die znm Schutze des Hei-
delberger Schlosses nnd im Jnteresse seiner dauernden Erhal
timg zn tceffenden Maßnahmcn wird deshalb dem gegenwär-
tig versmnmelten Landtag nicht mehr unterbreitet werden
können. Nach dem Gmig der letzten Konferenz erweisen sich
vielmehr weitere Studicn nnd Vorarbeiten nötig, die einzu-
leiten das Ministcrium sicki angelegen sein laffen und je nach
deren Ergebnis es seiner Zeit mit bestimmten Vorschlägeä
an dic Volksvertretnng heramreten wird.

Soiröe Zgnot. Gestern fand im Städt. Saalban dec
wissenschaftlich-piychologische Experimcntalvortrag auf dem Ge-
biete der Willensbeesiiflussung, deS Somnambnlismus, traumhaft
ten Seelenlebens und Occultismus von I. W. Jgnot statt.
Dank dem interessantkn Thema hatte sich cine große Anzahl Zu-
hörer eingefunden. Bevor der Vortragende mit seinen praktischen
Versuchen bcgann, «ad er zunächst cine knrze Geschichte der Hyp"
nose rc. und führle dabei aus, daß dieselbe schon vor ChnstuS
den Jndiern, Perserii, Egyptern bekannk war; er erinnerte aU
die indischen Fakire, die persischcn Magier. Die Kenntnis d-r
Hypnose bleibt durch das Miltelalter hindurch bestehen. Paracel-
ius tst bier zu nennen; in der neueren Zcit wurde sie durch deU
Arzt Meßmer wicder besonderS angeregt. Was Hypnose ist, tst
wissenschaftlich noch nicht recht aufgeklärt. Die Ansichten gehe»
hier weit auseinander. Manche nehmen 3 Grade der Hypnost
an. andere 9 und mehr. Nach diesen Auseinandersetzmrgen ginil
Herr I. W. Jgnot zu seinen Experimenten über, indem er 6
Damen und 6 Herren bat, sich der Hypnose zu unterziehen. 6
Herren hatten sich alsbald gefrmden, doch schienen die LameU
nicht genug Mnt zu einem solchen Experiment zu besitzen, denU
trotz etwa ümaliger Bitte wagten es nur 2, das Podium zu b«'
 
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