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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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immer noch lieber, als der gänzliche Berfall des Schlosscs.
Erfreulich sei das grotzc Jnteresse, das Non allcn Seiten dieser
Frage entgegengebracht wird; allein es handelt sich hier nicht
blotz um eine Frage des Gcfühls, sondern wir müssen uns
fragen, ob es nicht unsere Pflicht ist, zu bcrhindern, datz diese
Perle deutscher Baukunst zu Grunde geht. Er bitte daher die
Regierung um Auslunft über deu gegenwärtigen Stand der
Frage.

Finanzminister Dr. Buchenberger erklärt, datz die Re-
gierung grundsätzlich kcine Restaurierung anstrebe, weder im
ganzen noch in einem Teil des Schlosses, bloß um der Restau-
rierung willen. Wir fühlen uns frei von jedem Rcstaurierungs-
fanatismus; wir wollen nicht das Schlotz oder einzclne Teile
desselben mutwillig zerstören oder cinzelne Tcilc erueucru, die
bisherigen Matznahmen sind bielmehr nur untcr dcur Gcsichts-
punkt der Erhaltungsmöglichkeit zu verstehen. Die Frage-
stellung in der Enquete eines Dresdener Kunstgelehrten: ob
die Erhaltung des Schlosscs eincr Wicdcrherstellung borzu-
Liehen sei, war keinc glücklichc. Diese Frage bejahe auch er
und wohl alle, die sich mit der Angelegenheit befassen, ohnc des-
Halb der endgiltigen Entschließung zu präjudizieren. Entschei-
dend ist nicht die Frage, ob wir das Schlotz erhaltcn w o l l c u,
sondern ob wir dasselbe erhalten können, ob also die tech-
nischen Konservierungsmittcl ausreichen oder nicht, ob lctztere
ästhetisch anwendbar sind, ob man an die Restauriernng herau-
schrciten söll, wenn anders die Erhaltung der Ruine nicht
rnöalich ist. Redner verbrcitct sich über die divcrgierenden An-
sichten der Kunstgelehrten über die Denkmalspflege und bctont,
datz wir das Hauptziel, das kostbare Bcsitztum der Nachivelt
zu erhalten, nicht aus dem Auge vcrlieren dürfen. Die erste
Sachverständigen-Konfercnz im Jahre 1891 habe allcrdings die
Fragc, ob die Ruine mit Konservierungsmitteln zu erhalten
sei, mit „ja" beantwortet. Er möchte indesscn, ohne dcn Teil-
uehmern zu uahe zü treten, doch darauf hinweisen, daß in dcm-
selben Zeitpunkt die beiden Schlotzbautechniker ihre llnter-
suchungen abgeschlossen und weitgehende Restaurierungsvor-
schlägc geniacht haben. Auch hat sich, sobald das Finanz-
miuisterium einzclne Beschlüsse der Konferenz vollziehen wollte,
deren Unaussührbarkeit ergeben. Deshalb habe er schon 1894
die Ansicht vertreten, datz die Beschlüsse der 1891er Konfcrenz
einer Revision unterzogen werden müssen. So kam im Jahre
1894 eine zweite Konfcrenz zustandc, iu der sich die Donübau-
meister von Worms und Metz dahin aussprachen, datz die frei-
stehende Ruine des Otto-Heinrichbaues auf die Dauer nicht
zu halten, sonderu über kurz oder lang eine Katastrophe zu
befürchten sei. Ueber diese Bedenken kann man nicht einfach
hintvegsehen; das Finanzministerium wolle daher weiiere
Studien und Bcobachtungen in die Wege leiten. Eine wesent-
liche Rolle spielc die Bedachungsfrage, die Gabriel v. Seidl
als äutzerst diskutabel bezeichnet habe, ein Kunstgclehrter, der
sonst den konservativsten Standpunkt in allen Restaurierungs-
fragen einnimmt. Da durch das Dach die Hauptreize der
Ruine vcrschwinden würden, so wäre die Frage einer Dis-
knssion wert, ob man nicht durch Wiederaufrichtung dcs Otto-
Heinrichbaues ein Aequivalent schaffen und dem Schloßhof
jenen architektonisch wuchtigen Einöruck geben soll, den er vor
dem Brand von 1764 gehabt hat. Das Finanzministerium
habe daher Pläne für die Restaurierung des Otto-Heinrichbaues
und des gläscrnen Saalbaues ausarbeiten lassen. Die Schäfer'-
schen Pläne stcllen aber nur künstlerische Versuche dar; Schäfer
selbst sei wcit davon entfernt, diese Versuche als spruchreif an-
zusehen; er habe sich auch nicht an die Aufgabe herangedrängt,
sondern lediglich eincm Wunsche des Ministeriums entsprochen.
Die Sachvcrständigenkommission werde eine Reihe von Fragcn,
insbesondcre die Dachfrage eingehend zu prüfen haben. Cs
werden Modclle und malerische Ansichtcn dcs jetzigen uud künf-
tigen Zustands angefertigt. Mit rein theoretischen Ansichtcn
komme man nicht wciter; jetzt müssen sich die Techniker darüber
nussvrcchcn, ob die Ruine durch Konservierung erhalten werden
kann. Antwortcn sie mit „ja", dann ist die Frage im Sinne
der Erhaltung dcs jctzigen Zustandes entschieden; wenn sie
aber der Meinung sind, datz die Ruine nicht zu halten ist, dann
wird man auch vor einer durchgreifenden Restaurierung nicht
zurückschrecken dürfcn. Jn 2 Jahren hoffe er in der Lage zu
sein, mit bestimmten Vorschlägen vor das Haus treten zu
könncn. (Beifall.)

Abg. Eichhorn (Soz.) wünscht Bevorzugung cinhei-
mischcn Stcinmaterials bei Staatsbauten. Dic Kontrolle da-
rüber sollte schärfer sein. Bei dcr Bodenseegürtclbahn wurde
gar nicht nach der Herkuuft dcs Steinmatcrials gefragt, in-
folgedcssen wurden Schweizer Steinc benützt, wcil sie etwas
billiger waren. Nedncr führt noch cine Reihe von bad. Staats-
bauteu an, bci deneu ausländische Steine verwcndet wurden.
Bei der Submission für den Anbau der Gencraldirektion soll
der früherc Abg. Kirchenbauer Pfinzthälcr Steinc versprocheu,
ober ihatsächlich Steiue aus seincn württembergischen Stein-
brüchen gelicfcrt haben. Ein solches Verfahren wolle er nicht
näher qualifizieren. (Abg. v. Stockhorner: Wenn's wahr istl)
Gewitzl Mcin Gewährsmann bot den Bcweis an. Wenn
man frcmde Stcine braucht, sollte man sie wenigstens im Lande
vcrarbeiten lasscn. Auch die Lieferungslose sollten kleiner sein.

Finanzminister Buchenberger weist die Vorwürfe
Eichhorn's in dicser Allgemcinheit zurück. Wir haben eben nicht
in allen Landesteilen brauchbare Steine,^iuch spiele der Kosten-
punkr eine Rolle. Die Regierung lege Wert darauf, datz iu
erstcr Linie inländisches Material und inländische Unternehmer
berücksichtigt werden. Eine Bcrkleinerung der Lose wurde
schon vor 2 Jahren angestrebt, übcrall lasse sich dieselbc aber
nicht durchführen.

Abg. Fendrich (Soz.) meint, man solle die Frage er-
örtern, ob es nicht besser sei, das Heidelberger Schlotz in seinem
jetzigen Zustand zunächst zu konservieren, dann allmählich ver-
fallcn zu lasscn und erst nach dem gänzlichen Verfall au einen
Neubau heranzutreten.

Abg. Hergt (Zentr.) billigt den objektiven Standpunkt
der Regierung in der Schlotzfrage. Alle Techniker, dic sich cin-
gehend mit der Frage beschäftigt haben, glauben nicht an die
Konservierung; auch die Mittel der Konservierung seien sür
dcn praktischen Techniker recht fraglichcr Art. Vor 3V Jahren
sah die Ruine wesentlich anders aus, als hcute. Es sei zu
begrützen, daß die Untersuchungen fortgeführt werden und datz
auch den Gegnern der Bedachung Gekegenheit geboten wird,
vom Gcrüst aus den Otto-Heinrichbau zu beobachten. Was die
Stcinlieferung betrifft, so ist zu bedenken, datz unsere bad.
Steine eben nicht für alle Zwecke genügen. Jm Bcreich der
Eisenbahnberwaltung werden überall, wo es angängig und die
Preisdifferenz nicht zu grotz ist, die badischen Steine vorge-
zogen.

Abg. Hautz (natlib.) fragt an, warum für ein neues
Forsthaus in Rheinbischofsheim keine Forderung cingcstcllt ist.

Staatsrat Reinhard erklärt, datz im Nachtragsbudget
eine enlsprechende Position eingestellt wird.

Abg. Dr. Binz (natlib.) ist auch der Ansicht, datz häufig
ohne Not ausländische Steine benüht werden, insbesondere auch
Zicgcl- und Backsteine aus der Pfalz. Vielleicht lasscn sich die
Frachisätze für badische Unternehmer etwas herabsetzen. Redncr
nimmt den früheren Abg. Kirchenbauer gegen die Angriffe Eich-
hvrn's in Schutz und giebt seiner Befriedigung über die bis-
herige Behandlung der Heidelberger Schlotzfrage seitens der
Rcgierung Ausdruck. Der Vorschlag Fendrich's gefalle ihm
nicht; im übrigen wundere er sich, datz Fendricks als Sozial-
demolrat für den Wiedcraufbau eines Schlosses sei. (Fendrich:
Es wohnt ja keiner mehr drin l)

Abg. Dr. Heimbutrger (Dem.) wünscht Erhaltung
der Ruine im jetzigen Zustand, sofcrn dies möglich ist, und Bei-
ziehung auswärtiger Sachverständiger, da die bisherigen Gut-
achten nicht ganz frei von persönlichen Stimmungen waren.

Bezüglich der Steinlicferungcn seien auch ihm Be-
schwerden zugegangen; cs frage sich, ob die an und für sich sym-
pathischen Grundsähe, die der Herr Minister vorgetragen,
überall bcfolgt werden können. Wenn es wahr sei, was Eich-
horu vorgebracht habe, dann mützte energisch eingeschritten
wcrden.

Abg. Wittum (natlib.) nimmt den früheren Abg.
Kirchenbauer in Schutz, der in Ehren grau geworden sei.

Abg. Fendrich (Soz.) betont, datz er natürlich nicht
für den Aufbau eines Fürstenschlosses sei, hier handle es sich
um cin Kunstwerk.

Abg. Ejichhorn (Soz.) bezweifelt, datz bei dcn Stcin-
lieferungen die Weisungen der Regierung befolgt wcrden.
Seinc Änschuldigungen gcgen Kirchenbauer halte er ausrecht;
Nilcksichtcn nchme er nicht; iibrigens sei eine Beschwerde in der
Sache ergangen.

Finanzminister B u ch e>ll b e r g e r betont, datz die Ent-
scheidung, welches Material zur Verwendung gelangen soll,
nicht allein von der unteren Vauleitung getroffen ivird.

Abg. Mampel (Antis.) wünscht, datz das Heidelberger
Schlotz unter allen Umständen in seinem heutigen Zustand er-
halten wird. Das Schlotz habe künstlerischen Wert, aber nur als
Ruine. Bei den Sachvcrständigen heiße es: Je gelehrter,
desto verkehrtcr (Heitcrkeit). Wir wollen abwarten, bis die
Gelehrten einig sind (Heiterkeit) und inzwischen, so gut es geht,
dafür sorgen, datz dies Nationalheiligtum erhaltcn bleibt.

Abg. Dr. Wilckens' (natlib.) nimmt sich nochmals
Kirchenbaucr's an. Solche Vorwürfe sollten nur auf Grund
ganz zuvcrlässiger Erkundigungcn erhoben werden. Redner
ist sehr befriedigt übcr das grotze allseitige Juteresse, das dem
Heidelberger Schlotz entgegengebracht wurde, besonders be-
friedigt aber sei cr von der Nede des Flnanzministers, die im
Druck veröffentlicht werden sollte.

Abg. Hergt (Zcntr.) nimmt die Baubeamtcn gcgen den
Vorwurs Eichhorn's in Schich, als lietzen sie sich bei Stein-
lieferungen von unsachlichen Gesichtspunkten leiten.

Nach persönlichen Bcmerkungen der Abgg. Fendrich und
Zchnter ioird die allgcmeiike Beratung geschlossen.

Jn der Spezialberatung äutzern die Abgg. Frauz, Hosmaun,
Vreirner, Greiff, Mampel Wünsche zu eiuzelnen Positionen,
die im übrigen nicht beanstandet wurden.

Abg. Dr. Goldschmit (natlib.) fand die Surnme von
40 000 Mark zum Ankauf hervorragender Kunstiverke auf der
Jubiläumsausstellung zu gering, worauf Finanzminister
Buchenberger bemerkte, datz im ordentlichen Budget weitere
60 000 Mark für diesen Zwcck vorgesehen sind und autzerdem
die Lotterie noch eine Summe einbringen werde. Schlutz der
Sitzung: 2 Uhr. Nächste Sihung: Samstag. Tagesordnung:
Petitionen.

Preutze«.

Berlin, 13. Febr. Jm Abgeordneten-
hanse gab vor Eintritt in bie Tagesordnnng Staats-
sekretär von Richthose n folgende Erklärung ab:

Bei dem besonderen Jnteresse, das das Haus in den
Sitzungen vom Samstag und gestern fllr das Schicksal
des Antrages des dentschen Btirenhilfs -
bundes beknndet hat, hat mich Herr <Hraf Blllow be-
austragt, Jhnen sofort von denr Jnhalt eines des Nachts
hier eingegangenen, die Antwort' der britischen
Regiernng enthaltenden Telegranims Kenntnis zu
geben. Das Telegrmnm des Botschafters in London
lautet:

„Auf dem Foreign Office wurde mir hente folgende
Antwort erteilt: Die hmnanitären Bestrebnngen des
Burenhilssbundes wisse die englische Regiernng zu
schätzen, sie bedauere jedoch, die Entsendnng einer
Hilfs-Sanitäts-Expedition nach den
Konzentrationslagern nicht gestatte» zu
können, weil eine solche Erlaubnis sowohl Engländern
wie Ausländern mehrfach bereits abgeschlagen worden
ist. Ebenso bedaure die englische Regierung die finan-
zielle Hilfe fllr die Konzentrationslager nicht befürworten
zu können, da dieselbe ohne Nutzen sein wllrde. Lebens-
mittel, Kleidung usw. wllrden dagegen an-
nehmbar sein. lleber die Art und Weise, wie diese
behufs Verteilung am besten in ihre Bestimmung ge-
tangeir können, wird mir morgen durch eine Note Mit-
teilung zugehen." gez. Metternich .

v. Richthofen fährt fort: „Wenn auch hiernach
dem Antrage des dentschen Burenhilssbundes nicht in
vollem Umfange stattgegeben worden ist, so ist es doch
mit Genugthunng zu begrllszen, daß der unter der hnld-
vollen Billigung Jhrer Majestät der Kaiserin und
Königin von nns nnterstlltzte Antrag des Bnndes nicht
olme Erfolg geblieben ist, und daß die deutsche Unter-
stütznng siir hilfsbediirftige Bnren englischerseits ange-
nommen und so der Weg eröffnet worden ist, um dem
deutschen Burenhitfsbunde zu ermöglichen, sich den not-
leidenden Burenfamiliejn hilfreich zu erweisen. Wir
geben uns der Hoffnnng hin, daß die näheren Modali-
täten, wetche für die Zufllhrung von Lebensmitteln und
Waren uns mitzuteiten vorbehalten ist, die Ausführung
dsr humanitären Maßnahmen nach allen Richtungen
hin erleichtern werden. Jnsbesondere werden wir dahin
wirken, daß der aus diesem Hause geäußerte Wunsch
wegen frachtfreier und zollfreier Beförderung der Sen-
dnngen nach Mögtichkeit erfllllt werde. Jedenfalls wird
sich das Auswärtige Amt voll nnd ganz in den Dienst der
Sache stellen. (Beifall.)

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Selne Königliche Hoheit der Grotzherzog baben de -
Königlich Preußischen Major a. D. Konrad W N ke in Karls
rube das Ritterkrcuz I. Klosse des Ordens vom Zäbringer Löwen
und dem Buchbalter August Schneider bei der Zablungsstelle
des 14. Armeekorps die silberne Verdienstmedaille verlieken.

— Es wurden die Revidenten Karl Kilmarx in Psullen-
dorf zum Bezirks-imt Rastatt, Karl Bübler in Ueberlingen
zum Bezirksamt Pfullendorf und Otto Mechler in Rastatt zum
Bezirksamt Ueberlingen versetzt.

Karlsruhe, 13. Febr. Heute Vormittag empfing
der Großherzog den Prästdenten des Minlsteriums
des Jnnern Geheimrat Dr. Schenkel zu längerem Vortrag.
Nachmittags hörte Seine Königliche Hoheit die Vorträge
des Geheimen Legationsrats Dr. Freiherrn von Babo und
des Generalleutnants und Generaladjutanten von Müllcr.
Gegen 5 Uhr empfingen die Großherzoglichen Herrschaften
eine große Anzahl Personen, welche eingeladen waren, den
von Geheime Hofrat Professor Dr. Thode von der
Universität Heidelberg an drei aufeinander folgenden
Tagen vor Jhren Königlichen Hoheiten zu haltenden Vor-
trägen anzuwohnen. Das Thema ist: Florenz, Kunst und
Kultur der Renaissance. Später nahm Seine Königliche
Hoheit der Großherzog den Vortrag des Legationsrats
Dr. Seyb entgegen.

Oesetz-K-nlivurf.

Dic Auflösung dcr Gemeinde Handschuhsheim uud derea
Bercinigung mit dcr Stadtgemeinde Hcidclberg betr.

Der Gesctzciitwurf lautet wie folgt:

8 1-

Dic Gemcinde Handschuhsheim wird auf deu 1. Januar
1903 aufgelöst uud mit der Stadtgemeiude Heidelberg zu
eincr eiusachcn Gemeinde vereinigt.

§ 2.

Ju öffcutlicher rechtlichcr Beziehuug kvmmt dem Aufenr-
halt iu Haudschuhsheim bis zum 1. Januar 1903 die gleiche
Wirkuug zu, wie jeuem iu Heidelberg.

8 3.

Auf die Bürgcr der Gemeinde Handschuhsheim fiudet
die llebcrgaugsbestimmung des Paragraph 7 a letzter Absatz
der Städteordnung Anweudung.

8 4.

Denjenigeu Bürgeru von Haudschuhsheim, welche sich zut
Zeir der Eiiiführung dieses Gesetzes im Bürgergenutz be-
fiudcii oder eiue rechtliche Auwartschaft darauf besitzen, und
das Eiukauifsgeld uach Mntzgabe dcs Paragraph kZ7 hes
Bürgerrechtsgesetzes eutrichtet habcn, beziehungsweisc entrich-
ten, wird diescr Genuß auch ferner gestattet, die frei wer-
deuden Auteile aber fallen der Stadtgemeinde anheim.

8 s.

Bis zur uächsteu Erneueruugswahl des Stadtrates von
Heidelberg treten zu der ortsstatutarisch festgesetzten Anzahl
von Mitglicdern desselben zwei vom Gemcinderat in Hand-
schuhsheim aus dessen Mitte gewählte Vertreter als boll-
Vercchtigte Mitglieder hinzu.

8 6.

Bis zur nächsten Eriieuerimgsivahl der Stadtverordueten
der Stadt Heidelberg treten der seitherigen gesetzlichcu Zahl
ueun weitcre vollberechtigte Stadwerordnete bei, welche der
Bürgerausschutz vou HandschuMeim aus seiner Mitte zu
wählcu hat.

8 7.

Das Ministerium des Jniiern ist mit dem Vollzug be-
aufiragr.

Zur BegrLndung dcs Enrwurfs wird ausgeführt:

Die Gemcindevertrctungeii von Handschubsheim mid von
Heidelberg haben Beschlüsse dahin gefatzt, datz die Gcmeinde
Haudschuhsheim äuf 1. Jauuar 1903 mit der Stadt Heidelberg
zu eiuer eiufachen Gemeiude bcreinigt werden möge, und
zwar der Bürgerausschutz von Handschuhsheim uuterm 7. Juni
vorigcu Jahres mit 63 gegen 1 Stimme, der Bürgerausschutz
von Heidelbcrg am 13. Dezember vorigcu Jahres mit 8l>> gegep
19 Stimmcu; zugleich ist au die Großherzogliche Regierung
dic Bitte gerichtct wordeu, ein die Vereinigung aiissprecheudes
Gesetz deu Stäudekammern vorzulegen.

Äiesem Antrag entspricht der vorliegende, auf eingehen-
der Prüfimg aller Verhältnisse beruhende Entwurf.

Seitdem die Gemeinde Neuenheim mit Heidelberg ver-
eiuigt ist (Gesetz Vom 26. Juui 1890), hat die Bauthätigkeit
rcchts des Neckars einen höchst erfrculichen Aufschwung ge-
uommen, und cs sind auch auf deni an Neuenheim anstoßendeii
Haudschuhshcimer Gemarkungsteil eiue Reihc von Neu-
dauteu städtischcn Charakrers eutstandeu. Die beiderscitigeu
Baugebiete greifen schou jetzt iuciuaiider und es ist der leb-
hafte Wuusch der hier ansässigen Handschuhshcimer Hausbe-
sitzer, möglichst bald der Vorteile einer städtischen Verwal-
timg teilhastig zu werdeu. Es wird aber auch eine gedeihliche
Weitercutwickelimg diescs Baugebietes uur möglich scin, wenn
sie eiuheitlich mit demMnstotzeuden Neuenheimer Gemarkimgs-
teil und von dcm technisch vollkommenen Apparat der Stadt-
gemeiude Heidclbcrg gcleitet wird. So manche später viel-
leicht gar nicht mehr gut zu machenden Fehler hinsichtltch des
Ortsbauplanes, der Straßenanlagen können durch rechtzeitiges
Eingreifen der Stadtgemeinde vermieden werdeu.

Aber auch den übrigen Teilen von Handschuhsheim wird
die Eingemeindung namhafte Vorteile bringen. Der Umlage-
satz in Handschnhsheim betrug 1901 68 Pfennige, in Heideb
berg werden seit 1891 gleichmätzig nur 41 Pfennige erhoben.
Es wird also den Handschuhsheimer Einwohnern durchweg
eine Ermäßigimg der Gemeiudelasten um mehr als ein Drittel
zu Teil werden. Und dazu werden sie bei Viel Vollkommeneren
städtischen Einrichtungen, wie Gaszufuhr, bessere Beleuchtung
imd Pflege dcr Strahen, im weiteren dann Ansbau der Kana-
lisatwn, des Straßennetzes und namentlich Einrichtung einer
elektrischen Bahnverbindung mit Heidelberg erhalten. Hierzu
kommt nun aber ferner die mit Bestimmtheit vorauszusehende
Steigerung des Bodenwerts; überhaupt wird bei der zu er-
wartendcn zunehmenden Ansiedelung wohlhabender Leute uud
bei den Vortcilen, die ein mvdernes, städtisches Gemeindewesen
dcn einzelnen zu bicten vermag, wohl ein Aufschwung des ge-
samtcn wirtschaftlichen Lebens eintreten. wie sich dies schon
in Neucnheiin nach der Eingemeindung in kaum geahntem
Umfangc gezeigt hat.

Andererseits wird auch Heidelberg Von der Eingemeinduutz
namhafte Vorteile haben. Es ist bei der günstigen Cnt-
wickelung, welche die Stadt bisher genommen, und ihrer, au
steten Fortschritt bedachten, aber doch die Folgen jedes Vor-
wärtsschrcitens genau erwägenden Verwaltung nicht anzw
nehmen, daß sie auf den ncuen Gcmarkungstcil zu machendc
^ufwendimgen, wclche zunächst dnrch den Ertrag der dortigei
«tcucrkapitalien nicht gedcckt werden, eineUmlageerhöhung ver-
nriachcn. Wohl aber erhält dcr rechts des Neckars gelegent
Gemarkimgsteil von Heidelberg eine willkommcne Abrundunä
öcr Hcidelbcrger Stadtwald, der jetzs
7 c?7o 44 nmfatzt, nm 726 Hektar bergrötzert. Zwai
beflndct sich der Handschuhsheimcr Gemeindewald, namentlick
infoigc zu starker Strcunutzungen zur Zeit in kcinem besonderi
gunstigcn Zustand, aber er wird sich untcr dcr Pflege de,
Hcidclberger Forstverwaltung in nicht ferner Zeit erholen, un!
cr stellt vor allem, soweit die landsckiaftliche Schönheit ii
Bctracht kommt, schon jetzt cin wertvolles Kapital für di,
Stadt Heidelberg dar, deren Anziehungskraft doch zum grotzei
Teil in den Reizen der Umgebung besteht. Auch das der Ge
meinde Handschuhsheim gehörige, das Siebenmühleuthal her>
unterkommende Wasier ist für Heidelberg insofern von Wert
als es zur Verstärkung der Wasscrversorgnng von Neuenhein
mit herangezogen Werden kann.

Dic Vereinigung kann nach Paragraph 4 der Gemeindeord-
nung nur auf dem Wege der Gesetzgebung erfolgen.

Zufolge des Paragraph 1 des Entwnrfes wird mit deii
1. Januar 1903 die Gemarkmig Handschuhsheim mit jenei
von Heidelberg bcrschmolzen, das Gemeindevermögen voi
Handschuhsheim geht mit den darauf ruhenden Verpflichtunge,
an die Stadt Hcidelberg über; an die Stelle der Gemeinde
behörde von Handschuhsheim tritt die von Heidelberg unte!
den in Paragraph 6 nnd 6 vorgcsehcnen Modifikationen. Di
Gemarknng Hcidelbcrg umfaßt zur Zeit 3823 Hektar 62 Al
30 Ouadratmeter; sie wird durch die Einverlcibung Von Hand
schuhshcim um 1603 Hektar 66 Ar 84 Quadratmeter, als
auf 6427 Hektar 29 Ar 14 Quadratmeter vcrgrötzert werdei,
Die Einwohuerzahl Heidelbergs betrug bei dcr letzten Volk,
zähluiig 40 119, jeue von Handschuhsheim 3882. Das an ö
Stadt Heidelberg übergehende Vermögen von Handschuhshei
beträgt ohnc Schulden 640 176 Mark, wozu noch Armen- u
Schulfonds im Gesamtbetrag von etwa 100 000 Mark ko
men; die Schulden der Gemeinde beliefen sich am 31. Dezemb
1900 auf 221 766 Mark.

Datz die Gemeinde Handschuhsheim, welche zur Zeit a
Grund des Gesetzes Voni 16. April 1870 (Gesetzcs- und Vei
ordmmgsblatt Nr. 26) einen Teil des 49. Wahlbezirkes f
 
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