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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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Dienstag, 15. April 1902.

Zweites Blatt.

44. Jahrgang. — Ar. 87.

L8SS 24.Apnl 1NOS

Hroßyerzog Kriedrich von Aaden

in Wort und Wat.

Zum 50jährigen Regierungs-Jubiläum
von

Dr. Rudolf Krone.

(Fortsetzung.)

III.

Ein köstlicher herrticher Preis, desSchweißes der Edten
tvert, winkte den heitzen Bemühungen und viel verschlun-
genen Arbeitetu die der Gründung des Deutschen Reiches
am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses zu
Versailles vorangehen mutzten. Schwer war König Wil-
helm von Preutzen zur Annahme der kaiserlichen Würde
Zu bewegen. Nach Aufnahme Badens in den Nord-
deutschen Bund im November 1870 wurden die ungeheuer
schwierigen und wichtigen Vorarbeiten zur Schaffung
des Reiches in Feindesland eifrigst betriÄen. Wie viel
unser Landesfürst zum Gelingen dieser weltgeschichtlichen
That in stillem, aber umso nachdrücklicherem Wirken
beigetragen, ist nur wenigen Eingeweihten ganz bekannt,
don denen einer, der damalige preutzische Kronprinz,
durch das schon angeführte in seiner Kürze so vielsagende
Wort Zeugms abgelegt hat. Am Neujahrstage 1871,
als König Wilhelm die deutschen Fürsten im Schloß zu
Versailles zu einem Festmahl versammelte, antwortete
im frohen Ausblick auf die nahe Verwirklichung des
großartigen Planes der badische Großherzog nach der
herzlichen Begrüßung der hohen Gäste, wobei er auf die
glänzende Erfüllung des Wortes König Friedrich Wil-
helm IV. von Preußen hinwies: „Eine Kaiserkrone kann
nur auf dem Schlachtfelde errungen werden."

Am 18. Januar war es unser Großherzog Friedrich,
der inrnitten der hohen Verbündeten nach der Verlesung
der Llaiserproklamation durch Bisniarck, des neuen Deut-
schen Reiches unvergeßlichen erstcn Kanzler, in feierlichem
Äugenblick das erste Hoch auf den deutschen Kaiser aus-
brachte.

Die beiden Kammern der Landstände richteten an den
Landesherrn eine Adresse, worin es hieß:

„Als es galt, das Einignngswerk Deutschlands zu
vollenden, da war Eure Königliche Hoheit der Erste,
um das Wort der Treue gegen Deutschland mit Verleug-
Nung jedes Sonderinteresses einzulösen, in der Ueber-
zeugung, daß das, was Deutschland stark und fxei zu ma-
chen berufen ist, auch dem Teile des Ganzen, dem geliebten
Keimatlande, zum Segen und Heil gereicht. Ja, das
badische Volk, das ganze deutsche Volk weiß es und wird
es unvergessen in dankbarem Gemüte bezeugen, daß
Unter allen seinen Patrioten keiner hochsinniger, keiner
Mehr von treuer Liebe zum Vaterland beseelt, keiner mit
reinerem Herzen die Einigung Deutschlands erstrebt und
ihren Aufbau befördert und vollzogen hat, als Badens
Fürst. Wir, die getreuen Stände des Landes, fühlen
Uns aus tiefster Seele gedrungen, Eurer Königlichen
Hoheit den innigsten Dank und die liebende Verehrung
hes Landes in diesem großen Augenblicke auszusprechen,
M welchem eine neue, glückverheißende Zeitepoche für
Deutschland und Baden beginnt."

Das Zirkuskind.

t3) Roman von Emma M e r k.

(Fortfetzung.)

^ „O, dcr Herr Staatsanwalt hat cs wohl bctout, das Einc,
Mif das allcs ankommt l" fuhr das Mädchen fort. „Schon mciue
Cltern warcn tn Acht und Bann der Gesellschaftl Jch habe
^ie eine Heimat gehabt, keins Mutter! Das war ein Un-
ölück, das lastet nun auf mir als Schuld! Wäre ich nicht
Mm, wäre ich nicht einsam ohne Schutz der Fanrilic, man würde
den furchtbaren Verdacht nicht sofort auf mich gewälzt, viele
Üeine Zufälligkeiten würden sich nicht zu eincm schwerwiegen-
^en Bewcismaterial zusammengefügt haben. O, cs ist leicht,
8ut und fröhlich scin für jene Glücklichen, die von ihrem ersten
>ebensbeginn an nur Liebe, nur Güte um sich fühlen. Meine
llühcsten Erinnerungen sind Schlüge, wieder Schläge, sind
Mhnende Wortc, Beschimpfungen, wenn ich im Zirkus mit
i'em Teller hcrumgehcn und sammcln, das heiszt — bctteln
fstußte. Als sich Frau Wildenau dann meiner erbarmtc, hat
Üe mir wohl, von einer Stunde zur andern, neue Kleider an-
Äehen und den Stallduft dcs Zirkus aus meinen Haaren
^>aschcn lasscn könncn, was ich mit meinen Kindcraugen ge-
ühcn, mit meinen Kinderohrcn gehört, — das verlcrnte fich
^icht so schnell. O, sic hat mich in ein treffliches Jnstitut
Aeschicktl War's meine Schuld, daß die Lehrerinnen kein Herz
Mtten für das verwahrloste Kind, die Mitschülerinnen mir
stemd gegenüberstandcn, feindselig fast, die Besitzenden gegen-
^ber der Besitzlosen l Es war sreilich thöricht, datz ich fortlief;
?ber ich kannte ja das Leben nicht. Jch wutzte nicht, was es
8eitzt, als Mädchcn allcin, ohne Hcimat, öhnc Eltern, in der
^rotzstadt lebenl Das heitzt, mit dreisten Blickcn betrachtet
"(erden von dcn Männcrn, gemicden von dcn Frauen; was
stützcn dem Sciltänzerkind Stolz und Tugend? Man lacht über
^re Bcgcistcrung für die Kunst. Weil ich unglücklich war,

Ikachdem die nationale Einheit errungen war, galt
es, fich in die hiedurch geschaffenen neuen Verhältnisse
einzuleben. Dazu war neben den entsprechenden mili-
tärischen Organisationen eine teilweise Aenderung und
Weiterführung der Landesgesetzgebung notwendig,
welche in steter Fühlung mit dem Reich und doch selbst-
ständlg gemäß den Erfordernissen des engeren Vater-
landes im iuneren Staatsleben Vadens durchgeführt
wurde. Das Dichterwort: „Ans Vaterland, ans teure
schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen,
Hier sind die ftarken Wurzeln deiner Kraft" dars man
ja gewiß nicht nur darauf beziehen, daß der einzelne
Mensch dem Land, das ihn geboren, seine Liebe weiht,
sondern es erweitert sich auch zu einer Mahnung an die
üeutschen Einzelstaaten, im größeren Vaterlande, dem
Deutschen Reich, zwar keineswegs aufzugehen, aber den
Rückhalt und die Kraft, welche den Anschluß an ein großes
Ganze verleiht, zu finden.

Solche Erwägung gab in Baden die edle Richtung
für die Zukunft.

Ein Emporblühen der gesamten wirtschaftlichen Lage
begleitete das erfreuliche Bild eines gesunden Fortschritts
und eines erheblichen Wachstums des Volkswohlstandes,
wenn auch die unliebsamen kirchenpolitischen Zwisügkei-
ten, bekannt unter dem Namen „Lstilturkampf", vielfach
störend empfunden wurden nnd Kräfte in Anspruch
nahmen, welche nutzbringender hätten verwendet werden
können.

Am 18. Geburtstage des Erbgroßherzogs, 9. Juli
1878, nahm Kaiser Wilhelm I. persöulich seinen Eukel-
sohn in die Armee auf und ernannte ihn zum Sekonde-
leutnant. Er übertrug 2 Jahre später, 1877, dem Grotz-
herzog im Jahre seines 25jähr. Regierungsjubiläums die
5. Armeeinspektion, welches hohe Amt der Fürst, wie
allbekannt, mit der ihm eigenen Pflichttreue nnd mili-
tärischen Hingabe bis heute noch bekleidet, in dem er in
seiner militärischen Eigenschaft die so wichtige Verbin-
dung der Reichslande mit dem Deutschen Reich auss
glücklichste herstellt und Pflegt.

Eine gleich wichtige Aufgabe hat der hohe Herr da-
durch erfüllt, daß er das Protektorat über die Militär-
vereine am 31. Oktober 1880 übernahm, und seit jener
Zeit durch zahlreiche Ansprachen bei sich bietenden Ge-
legenheiten von Festen und Erinnerungstagen uner->
müdlich dargelegt hat, wie die in der vortrefflichen Schu-
lung der Dienstzeit erworbenen Eigenschaften und Tugen-
den im bürgerlichen Leben zu verwerten und weiter-
zubilden sind. Zugleich hat er stets gütige Worte der
Dankbarkeit und Anerrennung für die verdicnten Ve-
teranen einfließen lassen und so in der Seele des Volkes
bleibende und wirksame Eindrücke geschaffen von dem,
was in Krieg und Frieden nötig und heilsam ist.

Als ein leuchtendes Bild solcher kameradschaftlichen
und zugleich echt sürstlichen Reden vernehmen wir, was
Großherzog Friedrich an dem obengenannten Tag der
Uebernahme des Protektorats über die badischen Mili>-
tärvereine gesprochen hat.

Zunächst fanden Festgottesdienste statt, hierauf die
Sitzung des Abgeordnetentages des' Verbandes und die
osfizielle Annahme des Protektorats. Nach dem Fest-
essen in der Festhalle^ordnete sich der Festzug, 3000
! stll'itglieder zogen am Schloß, dem hohen Protektor hul-
i digend, vorüber. Beim Bankett am Abend wurde er von

darum glaubt man auch, datz ich schlecht sei. Weil ich im
Schmutz geborcn bin, soll dieser Schmutz mir auch nach Jähren
noch auhaften. Iioch uach dem Tode wird die abenteucrliche
Existeuz der Akuttcr dcr Tochtcr zum Fluche. Und man wuu-
dert sich, dah cin Geschöpf wic ich nach einem Besitz begehrte,
dcr die Freihcii sichert? Man verdenkt es mir, wenn ich es
kang satt hatte, dicses Leben, — grüudlich satk. Noch eimnal
erkläre ich: ich bin unschuldig an Frau Wildcuaus Todl Viel-
leicht glaubt man mir in diesem Augenblickel"

Starr, weit geöffnct schauen die Augcn ins Publikum
hinaus, als suchten sic nach eincm letztcn Blick; — ihre Linke
greift mit rascher Bcwegung in ihre Haare, eine der schwcren
Flechten sinkt herab; sie abcr neigt das Haupt und drückt die
Hand an die Lippen.

Da schreit eine angstheisere Stinime durch den Saal:

„Um Gotteswillen I Sie tötet sich!"

Mit einem raschen Griff fatzt der hintcr Dähla stehcnde
Schutzmarm ihre beidcn Händc. Sic wehrt sich wie eine Ver-
zweifclte. Er muß ihr cine dunkle Kapsel, die sie aus dem
Haar genommen und die sich nicht so rasch hatte öffncn lasscn
als sic erwartct, aus dcn Zähncn reitzen.

Gcbrochcn, totesmatt sinkt sie auf die Anklagcbank zurück.
Run ist sie dcs Letzten beraubt, was ihr bisher dcn Mut dcs
Ertragens gab; nun erst fühlt sie sich untcrgehen in Schmach
nnd Elend. Stnmpfsinnig starrte sie vor sich bin. Müde nnd
klanglos kommt der Ton der Worte über ihre blassen Lippcn,
als sie nun befragt wird, wic nnd warum sie das Gift in ihrcn
Haaren versteckt gehalten habe. Bei ihrer Gefangennchmung
habe sic die Kapsel an einer Schnur um den Hals gctragen;
aus dcr Ohnmacht crwacht, sich aber sofort besomicn, datz die-
selbc ihr entrissen werdcn würdc, wenn sie sie nicht ganz hcim-
lich verwahrte. Das sei ihr denn gelungen, sie bedanre nur,
daß sie nicht während der einsamen Haft ihrem Lebcn ein
Ende gemacht habc.

Das Publiknm war während dcs ganzen Vorfallcs so lant
und crregt gewordcn, datz dcr Präsident auf die Glocke drückte

Generalleutnarst a. D. Frhrn. v. Degenseld feierlichst be-
grützt und gefeiert.

Rede

bei dem 8. Kriegertag des Badischen Btititärverbandes
in Karlsruhe, 31. Oktober 1880.

„Jch danke Jhnen sür die herzliche und warme Be-
grüßung, die Sie mir, in Folge der soeben an mich ge-
richteten sreundlichen Worte, entgegengebracht haben.
Jch erkenne darin einen erneuerten und werten Beweis
der anhänglichen Gesinnungen, die mir in so reichem
Maße auS allen Teilen des Landes bekundet werden.
Jch bin erfreut, eine Gelegenheit zu haben, Jhnen dafür
zn danken, daß Sie den Wunsch zu erkennen gaben, ich
möge das Protektorat über den Badischen Militärvereins-
Verband übernehmen. Gerne habe ich diesen Wunsch
erfüllt, nachdem ich mich überzeugte, daß die Ausübung
dieses Protektorats den Bestrebungen und Zielen des
Vereins-Verbandes nützlich sein kann. Jch werde das
Protektorat nnt Fürsorge und thätiger Förderung der
Jnteresse des Verbandes führen und dadnrch das Ver-
trauen rechtfertigen, womit Sie mir entgegengekommen
sind. Jch danke Jhnen für dieses Vertrauen und bitts
Sie, mir dasselbe zu bewahren.

Jhr zahlreiches Erscheinen bei dem heutigen Feste ist
ein ersreulicher Beweis dasür, daß Sie Alle die hohe Be-
deutung unseres Heerwesens erkennen und schätzen, und
daß Sie gesonnen sind, die Erfolge dieser Schule in das
bürgerliche Leben zu übertragen, nnter sich aber das
Band soldatischer 51ameradschast tren und fest zu be-
wahren. Jch begrüße daher dieses Fest mit frendigsq
Zustimmnng und hoffe, daß Sie das ehrenvolle Band,
welches uns einigt, in Treue und Ernst zu erhalten wissen
werden. Jch begrüße das heutige Fest aber auch als eine
Erinnerungsfeier an die grotzen Ereignisse, die viele von
Jhnen vor 10 Jahren zu erleben den Vorzug genossen.
Das Andenken an die blntigcn Kämpfe des nationalen
Krieges hoch und in Ehren zu halten, ist eine Pslicht der
Dankbarkeit und der treuen Kameradschaft. Die Tapferen,
welche ihr Leben opferten, haben damit die Größe nnd
die Kraft des Vaterlandes erkämpft und sich den Dank
dsr Nation erworben. Vergegenwärtigen wir uns aber
immer wieder von neuem, warum uns der Sieg zu Teil
ward, daniit wir stets eingedenk bleiben, daß eine wach-
same Thätigkeit dazu ersorderlich ist. Nächst der Tapfer-
keit nnd der kräftigen und geistvollen obersten Leitung
des dentschen Heeres waren es hervorragende Eigenschaf-
ten des Volkes, welche uns zum Siege führten. Selbst-
verleugnnng, AusaPfernngSfähigkeit, Hingebnng an das
allgemeine Wohl sind die Eigenschasten, ans denen die
Treue hervorgeht, welche auf der Grundlage eines festen
religiösen Glaubens den Fahneneid heiligt. Diese Tugen-
den stärken die Kraft des Heeres, sie sind aber auch die
Zierde des bürgertichen Lebens. Der Rückblick anf die
geschichtlichen Ereignisse vor 10 Jahren läßt uns freudig
erkennen, daß dcr errungene Sieg etwas Bleibendes pnd
Festes gestaltete — das Deutsche Reich, wetches den
S-chntz und die Kraft bildet für das einzelne Land, für
Baden, wie für das gesamte Vaterland. Bewahren Sis
stets die Liebe zum Heimatlande in gleichem Maße wis
znm Reiche und bleiben Sie Beiden treu, wie auch dem
hohen Träger der Krone des Reichs. Jch weiß, Sie sind
stolz, den deutschen Namen zu tragen, wie sie mit Stolz
den Namen eines Badeners führen. Sie werden daher
gerne mit mir das Gelöbnis aussprechen, jederzeit hoch

und Ruhe gebot, wenn er nicht den Saal räumen lasscn sollte.
Es cntstand cine Pausc. Der ^znhalt dcr kleinen Kapscl, welche
man der Angeklagten äbgenommen hatte, wurde von dcn Sach-
verständigen gewogcn, gcprüft. Dr. Tulberg erschien noch ein-
mal als Zcuge. Erst nachdem der Präsident mehrere Fragcn
an den Arzt gcrichtet hattc, erhob sich der Vcrtcidigcr, ein
kleincr Mann mit klngen, scharfcn Augen und ciner sehr leb-
haftcn Vortragsweisc:

„Meine Hcrrcn Richter und Geschworcncn! Obwohl ich
vom erstcn Uugenblicke an, da ich Fräulcin Dahla Weitz
gegenübertrat, voll und gcmz von deren Unschuld überzengt
gewcsen bin, habe ich doch nicht geglaubt, daß meine Aufgabe,
auch die Hcrrcn Gcschworcnen mit dicser meiner Ileberzengung
zu durchdringen, eine so lcichte scin würdc, wie sie durch
dicscn letztcn Vorfall gewordcn ist. Mit geradezu dämonischer
Tücke reihtcn sich dic Einzclheitcn zu einem Nctz des Miß-
tranens zusammcn, das die Angeklagte von allcn Sciten nm-
schloh. Abcr meine Hcrren, die wichtigste Maschc in dicscm
Netz, dic Masche, in die sich alle andercn schlangen, das war
dcr Bcsitz des Giftes? den Fräulein Wcitz nicht leugnete, ohne
doch über den Verblcib dcsselben Aufschlutz zu geben. Dieses
Gift, — das rst der Hauptpunkt der Anklage! llnd cs liegt
nnn in der kleinen, dunklcn Kapscl vor uns auf dem Gerichts-
tische. Dieselbe cnthält genan dassclbe Gewicht, das an dem
Fläschchcn Dr. Tulbcrgs fehlte. Dic Angcklagte besatz also
das (stift noch, das sie sich zu verschaffen gcwnßt; da sie es
noch bcsaß, kann sie mit diescm Cyankali nicht Fran Wildcnau
gctötet habenl

Chc ich auf die weitcren Punkte dcr Nnklagc, die nach die-
scm einen ihr entzogcnn Stützpunkt etwas hinfällig geworden,
weiter eingehe, beantrage ich das Vernehmcn einer Zeugin,
auf die ich crst im Verlaufe dcr hcutigen Verhandlung auf-
mcrksam gcwordcn bin. (^ch bittc an jene Babette Wngler,
die am Sonntag den 30. Iamiar in Fran Wildcnans Woh-
nung zur Aushülfe war, einige Fragen stellen zu dürfen. Fch
habe sie hierher bestellt."
 
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