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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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Doimristog, 24. Mil IW2._ INrstes Blatt. 44. JahlWNg. — S5.

E rscheint täglich, Soimtcigs oilsgciwinnieii. Prcis nnt Foniilienblättcrn nwnntlicli üO Psg. in's Hans gcbrocht, bei d>r Expcdition nnd den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Dnrch die Post be-

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vorgeschriebenen Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate anf den Plakattafcln der Heidelberger Zeitnng und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschlntz Nr. 82.

IMeute sind fünfzig Jahre verflosfen, feit
Großherzog Friedrich die Zügel
der Regierung in Baden ergriff. Ein halbes
Jahrhundert! Welch' eine Fülle von Regierungs-
sorgen und Regierungsarbeit schließt diese
Zeitspanne für unseren Großherzog ein! Groß-
herzog Friedrich wurde in einer Zeit an die
Spitze seines Landes berufen, die man als
eine Periode des Zusammenbruchs nach phanta-
stischem Vorwärtsstürmen bezeichnen darf. Es
war ein politisch-moraliicher und damit ver-
bunden ein wirtschaftlicher Zusammenbruch. So
hat der Großherzog manches Jahr gebraucht,
um Baden wieder anfzurichten, es mit einem
neuen Geiste, dem Geiste geordneten Fort-
schritts, zu erfüllen. Jn einer Neihe von
Aufsätzen haben wir das gesegnete fünfzigjährige
Wirken unseres Landesherrn an den Augen
unserer Leser vorüberziehen lassen. Es konnten
nnr die Hauptmomente hervorgehoben werden.

Eine Anzahl von Festschriften größeren Um-
fangs ist zu dem Jubiläum erschienen, in
denen die jüngcre Generation ausführlich nach-
lesen kann, was Baden an seinem Großherzog
besitzt und was es ihm verdankt. So ist die
Empfindnng des Volkes für diesen köstiichen Tag
vorbercitet und geweckt. An der Hand geschichtlicher
Darstellungen konnte es sich vertiefen in die gesegnete
lange Negierungsthätigkeit des erlauchten Landesherrn.

Nnd zu der Liebe und Dankbarkeit, die wir dem
Landesfürsten zollen, gesellt sich die Verehrung für
seine hoheitsvolle Persönlichkeit, für sein echtes schlichtes
Menschentum, für seinen lanteren erprobten Charakter!
Ein halbes Jahrhundert großer Umwälznngen anf
Politischem, geistigem nnd wirtschaftlichem Gebiet liegt
hinter uns. Manche schwierige Situation war zn
überwindcn. Unser Großherzog hat, geleitet von hoher
Einsicht und deutschem Empfinden, stets den richtigen
Weg gefunden!

Der Blick cines dankbarcn Volkes richtet sich an
diesem bedeutsamen Tage voll Freude und voll Ehr-
erbietung auf den geliebten Großherzog, der als F-ürst,
als deiitscher Mann und als Familienvater seinem
Lande ein leuchtendes Vorbild darbietet. Möge ihm
über dieses Jnbiläum hinaus an der Seite seiner

MRWdüöW dks GiHkiM Fiickich.

erlauchten Gemahlin noch manches weitere Jahr ge-
segneter Negiernngsthütigkcit beschieden sein!

Geboren am 9. September 1826, steht Großherzog
Friedrich jetzt im 76. Lebensjahre. Aber wir wissen es
Alle, wie er, trotz vorgcrückten Alters rüstig an Körper
nnd Geist, seines hohen Amtes waltet. Von Jngend anf
gewöhnt, seine Pflicht zu ersülleu, mäßig im materiellen
Gennß, nie müßig, hat er sich eine bcneidenswerte
Frische erhalten, die das badische Volk hoffen läßt,
daß er noch weitere Jnbiläen, so in vier Jahren
das goldcne Eheinbiläuni, wird seiern dürfen.
Mit stolzer Geiiugthnnng blicken die Badener nach der
Nesidenz, wo der Kaiscr nnd mehrere Bnndesfürsten in
Person, die anderen durch ihre Vertrcter uiiscrem Groß-
herzog ihre Glückwnnsche darbriugen wcrden. Seinc
Ehrnng gilt auch uns, sein Rnhm in den dcntschen Landcn
und darüber hinaus ist unser Stolz, in sciner väterlichen
Licbe und Fürsorge fühlt das badische Volk sich glücklich
nnd wohlgeborgen.

soll das Rauschen in deS Schwarz-
walds Föhren?

^ Des Odenwaldes Eichen stiiumen cin!
Ein Brausen gehet wie von Jubelchören
Vom Bodeusce landablvärts längs dem Rhein.

Und jedes Badncrs Angesicht strahlt Freude,

Und niit ihm fühlt eiu jeder deutsche Mann!

Sagt an, was soll der Festesjubel hente?

Die glnhendc Begcisternng? — Sagt an! —

Doch höher stctS des Jubels Wogen steigen,

Uud hellcr der Begeist'rung Flammen loh'n,

Bis sie dem Besten seines Volks sich neigen:

Dir vielgeliebter Fürst auf Badens Thron!

Es bringt Dein Volk Dir heut' aus trencn

Händen

Den Lorbeer edler Lebensarbcit dar,

Für alle Liebe Dir den Dank zn spenden,

DL -stn so übcrreich beschiedcn war.

Beglückt darfst von der Höhe Dn des Lebens
Dein gottgesegnet Wirken überschau'n;

Es war Deiu Wollcn wahrlich uicht vergebens:
Ein glücklich Volk bewohnet Badens Gau'n.

» Alldeutschlands Völkern und AlldentschlandS Fürsten
Jst's, was Dein köstlichst Kleiuod, wohl bewußt —
Wie solltest Dn nach höh'rem Ruhme dürsten? —:
Du trägst ein deutsches Herz in deutscher Brust! —

Von allen Kirchen Glockcnrufe schallen,

Uud jedes Glaubens seh' die Beter ich
Andächtig zu der Tenipel Pforten wallcn,

Zn lobeu Gott im Dankgebct für Dich.

Gott mit Dir lange Jahre noch wie hentc
Und mit der Gattin, hochgcmut und hehr,

Dir selbst zum Glück, zn Deines Volkes Freude,

Dem Land zuni Wohl, zu Deines Hauses Ehr'!

ieckesheim, April 1902.


Heinrich Stoll.

Urozeß KrostgL.

Gumbiiinen, 23. April. Aus der gestrigen
Aachmittagssitzuug sind noch die sehr wichtigen Aus-
sÜhrungen der Zeugin Gablowski nachzutragen,
deren Bedeutung erst in den nusführlichen Berichten zu
erkennen ist. Sie giebt an, einige Tage vor der Ermor-
dung Krosigks sei abends gegen 81/2 llhr ein junger
Mann nüt steiser Dragonermütze und Mantel in ihre
Stube getreten nnd habe sie ersucht, den Mantel einige
Augenblicke ablegen zu dürfen. Sie habe dies nach an-
längli'chem Zögern gestattet. Der Mann legte ab und
sie sah, daß er einen schwarzen Hut aufsetzte und Zivil-
kleidung trng. Nach etwa einer halben Stunde kam der
Rann mit sauberer weißer Wäsche zurück. Er hatte
einen hübschen Schnurrbart. Auf ihre Frage, was die
Sache fiir eine Bewandtnis habe, sagte er in großer Er-
^egmig, daß er etwas vorhabe und schlinime Augen
babe. Sie bedeutete ihm, daß bei ihm von schlimmen
Äugen nichts zu bemerken sech Der Mann habe ein
daar Handschuhe zurückgelassen, die sie ausbewahrt habe.
Er sei nicht wicdergekommen. Als Marten zum Tode
derurteilt worden war, sei ihr der Vorgang wieder ein-
tzefallen, dem sie anfangs keine Bedeutung beigelegt
habe. Die Zeugin bemerkt auf Befragen, daß der Mann
^edxx ulit Marten noch mit Hickel identisch sei, er sei viel
jlrößer gewesen. Fräulein Gablowski bestätigt die
Mssagen ihrer Mutter. Eine Ergänznng in diesen
nussagen bieten die Mitteilungen des ehemaligen Flei-
icherlehrlings Hintz, jetzt in Berlin, der am 20. Januar
^ einem Schanklokal in Gunibinnen saß. Da sei gegen

3 llhr nachmittags ein Mann init einem Offiziersmantel
in das Lokal getreten nnd habe ein Paket zuin Aufbe-
wahren abgegeben. Nach einiger Zeit sei der Rtaiin
sehr erregt zurückgekommen und habe das Paket wieder
abgeholt.

Den Aiissagen Hinz, die dem (Zericht dnrch einen
Berliner Schutzmann bekaunt geworden sind, soll, wie
gestern schon erwähnt, näher nachgeforscht werden. Seine
und der Frnu Gablowski Piitteiluiigcn sind von der größ-
ten Wichtigkeit, zumal wenn man bedenkt, daß andere
Zeugen bekunden, es sei anch für Nichtangehörige des
Dragonerreginients leicht gewesen, in der Kaserne aus-
und einzugehen und außerdem, daß der Rittmeister einige
Tage vor seinem Ende Zivilisten von der Kaiser-Geburts-
tagsfeier hat hinauswerfen lassen. Die M ögIich -
k e i t, daß der Mann, der so seltsam gekleidet war, und
sich so auffällig benahm, dcr Thäter ist, ist nicht von
der Hand zn weisen; dem Marten andererseits konnte
bis jetzt direkt ni-chts nachgewiesen werden, so ist seine
Freisprechung wohl mit Sicherheit zu erwarten.

Jn der heutigen Verhandlung erschienen als Zen-
gen nnter anderen Frau von Krosigk, tief in Trauer, so-
wie die Eltern des Martens; sie wurden aber e-instweilen
entlassen. — Nittmeister Gustorf bekundet, daß das be-
kannte Gespräch in einem Berliner Omnibus, der Thäter
sei ein jetzt in Ostasien oder Ostafrika belindlicher Dra-
gonernnteroffizier aus Stallupönen auf Klatsch beruhs,
wie die angestellten Eriiiitteliingcn zur Evidenz ergeben
haben. Vom Zeugen Baranowsky wird behauptet, er
habe sich in Widersprüche verwickelt. Ein Antrag auf
Verlesung des ersten Protokolls seiner Aussageii wird

abgelehnt, dagegen Kriegsgerichtsrat Lnedicke nnd Mili-
tärgerichtsschreiber Hoffmann telegraphisch geladen. Dis
Verlesnng des Berichtes des Kriminalkommissars von
Bäckmann wird abgelehnt.

Kleine Zeitung.

— Aus Bayern, 19. April. Eine Verfügung der
KreiSregierung für die Oberpfalz und Regensburg über
die Wohnungsaufsicht enthält, der „Allg. Ztg." zufolge,
nachstehende Stelle, die beweist, daß es mit dem Reinlich-
keits- und Ordnunpssinn auf dem Lande noch nicht überall
musterhast bestellt ist:„JnWohn- undSchlafräumen
ist es verboten, Schweine zu halten!"

— Leipzig, 21. April. Der König von Sachsen hat
dem Chefredacteur des „Leipziger Tageblattes", Dr. Küch-
ling, das Ritierkreuz 1. Klasse des Albrecktsordcns ver-
liehen.

— Weimar, 23. April. Fn der heutigen General-
bersammlnng der dcutschen Shakespearc-Gesellschast wid-
inete Präsident Occhelhäuser der heimgegaugenen Kai-
serin Friedrich warme Worte des Gedenkeiis imd ver-
nindete die Wahl Andrew Whites znm Ehrennütgliede.
Ein Fcstvortrag über „Hamlet" fand anhaltenden Bei-
fall.

— Oldcnbilrg, 23. April. Der Vater deS wegen
Mordes in UntersnchiingShaft befindlichen Bankiers von
Baden-Briins nnd ein Prokurist dsr Vereinsbank sind
wegen Wnchers verhaftet worden.

— Tcr Glaiibenswcchscl dcr Königin Natnlir. Ans
 
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