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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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das sic in den Armcn hcrtte, mit dem Kopfe auf die Straße,
daß dieses eincn Schädelbruch davontrug und bald darauf
starb. Durch diesen so uncndlich bedaucrlichcn Unfall wurdc
die große Freude der Weststadtbürger, die durch die huldvolle
Ansprache der allerhöchstcn Hcrrschaften veranlaßt wurde,
sehr getrübt. Möge dic allgemcine Teilnahme den Eltcrn
ein Trost sein.

Eingesandt.

^ Heidelberg, 27. April. Jn dcn lctztcn Tagcu ist der
Staub auf den Straßen — zumal bei dcm stärkcren Ost-
winde — gcradczu uncrträglich geworden, da auf alle Fälle
ganz unzureichend gesprengt wordcn ist. So war zum Beispiel
heute Mittag gcgen 12 Uhr auf der Anlagc nichts mehr davon
zu bemerken, daß — und ob überhaupt — dort heute gcsprcngt
worden sei, dichte Staubwolken bcnahmen dcm Publikum dcn
Atem, so daß dcr Unwille über dicscn Dtißstand jcdcm nur
allzudeutlich vom Gcsicht abgelescn wcrdcn konnte. Jn dcr
Sophicn- und vielen andercn Straßcn war es gerade so
schlimm, obwohl geringe Spurcu zeigten, daß dcr Sprcng-
wagen dort gcwescn ist. — Es dürfte dcmnach wirklich ange-
brachr crschcinen, alsbald Fürsorge zu treffcn, daß ähnliche
Zuständc nicht so häufig wicdcr Anlaß Zu bcrechtigtcn LÄagen
geben.

* *

Heidclberg, 28. April. Bekauntlich ist nach dcr hicsigcu
Bauordnung bei Anstrich von Häuscrn dic Anwendung von
zu hellen und grellcn Farbcn vcrbotcn. Jm Gegensatz zu
dieser Verordnung hat der Eigcntümer dcs Hauses Ecke
Hauptstraße und Mittclbadgasse die dcm Schloß zugekehrtc
großc kahle Giebclflächc seincs Hauses knallrot anstreichen
lasscn, cin Anblick, dcr das Augc gcradczu bcleidigt und ins-
besondcrc vom Schloß aus gcsehen, das herrliche Landschafts-
bild mehr als beeinträchtigt und stört. Wenu man nicht an-
nehmcn müßtc, daß diesc rotc Flächc zur Aufnahmc von Rc-
klamcschildern dicnen soll, so könntc man auf eigentümlichc'
Schlußfolgerungen kommen, dic für dcn betreffendcn Haus-
eigcntümer nicht gerade schmcichelhaft wärcn. Wir wollen
hoffen, dah die Aufsichtsbehördc cinen Rcklamc Unfug solcher
Art nicht zuläßt, und derartigen Vcrunglimpfungcn des Bil-
dcs unserer ehrwürdigcn Altstadt in gcbührcnder Wcise cnt-
gegentritt. Einer für V i e l e.

Heidelkerger Vereinsangelegenheiten.

e. Rudergcsellschaft Heidclbcrg gcgr. 1898. Mit Anfang
Mai wird die Rudergcscllschaft Heidclberg mil ihrcn Mann-
schaften wicder ins Training gehcn. Leidcr vcrliert sie zwci
altc, ausübendc Rudcrer, welche lvegen Ableistung einer
militärischen Ucbung Hcidelberg verlasscn und für das dies-
jährige Training gute Dicnste gcleistct hättcn. Es stcht abcr
fest, daß der Zweicr und Viercr auf allc Fällc besetzt
lvcrden, was sich in dcn crstcn Tagen dcs Mai cntscheidet.
Sonst ist dic Thätigkeir auf dcr gewohntcn Höhc angelangt
und man ist cifrig bcmüht, durch täglichcs Fahrcn dcn jungen
Mannschaftcn das Rudcrn beizichringen. Dcr Bootpark dcs
Vercins besteht nun aus elf Bootcn. Durchschnittlich sieht man
in der Rudcrgesellschast kräftige Hcrrcn, dic bei dcr vorzüglichcn
Ausbildung ihrcr Jnstruktorcn gewiß zu tiichtigcn und guten
Ruderern hcrangeogen wcrden, auch ist in ihr ein schöncr
Zusammenhang dcr meistcns dcm Kaufmannsstandc angc-
hörcndcn Mitglicdcr, ein frischer Zug, ebcnso eine gcwisse
Disziplin zu beobachtcn. Durch Einrichtung eincr Douche mir
zwci Brausen lvurde dcn Mitglicdern einc große Freudc be-
reitet, wclchc nun umso cifrigcr zum Rudcr grcifen. Das
Anrudern wird wie im vorigcn Jahrc mit eincr Maiausfahrt
am 30. April auf dcn 1. Mai vcrbunden unki es ist bci dieser
Gclcgcnheii cin geiüütliches Zusammensein im „Adlcr" in
Ziegclhausen geplant.

KLeiue Zeitung.

Ämstcrdnni. Die E r k r a u k u ir g der 51 ö-
uigin 1>ün Hollaud gicbt der Zeitschrift „British
Medical Journal" zu nachstehenden Bemerkungen über
die s a n i t a r e n V e r h ä l t n i s s e in Hollan d
Vcranlassung: „Wir erlanben uns die Hoffnnng auszu-
drücken. daß man der Ouelle dcst Ansteckung genau
nachforschen wird, nnd daß infolge der traurigen Er-
rrankung der 5lönigin die Holländer auf die Notwendig-
keit sanitärer Reformen aufmerksam werden. Wir ken-
nen in unserem Lande die Schwierigkeiten, die der Sa>-
nitätspolizei durch die Gleichgiltigkeit des Publikums
bereitet werden, und die Hindernisse, die eine mißver-
standenc Lparsamkeit der Sanitätsbehörden verschuldet.
und wir glanben, daß ähnliche Verhältnisse in Holland
bestehen. Tie Kanalisation dcr holländischen Städte
muß häufig bedeutende Schwierigkeiten bereiten, und
wenn wir nach dem Gernchsinn nrteilen dürfen, so
mündet ein großer Teil der Kloaken in Kanäle, in dencn
das Wasser fast stagniert. Derartige Verhältnisse müssen
auf die Wasserversorgung einen ungünstigcn Einfkutz
ausüben."

— Londvn, April. Ueber v o r g es ch i ch t l i ch e
tierische Bewohner E n g I a nd s verbreitete

sich jüngst der bekannte Palaeontologe Mr. Hinton vor
einem geladenen Zuhörerkreis. Redner führte aus, daß
bei letzten Ausgrabungen in Ilfford zahlreiche Ueber-
reste von Büren, Elephanten, Rhinocerossen nnd anderen
Tieren an das Tageslicht gefördert warden seien. An
einer andercn Stelle, nnd zwar in deni in der Grafschaft
Esser gelegenen Ortc Grayes, l,abe man das Skelett des
Bernber-Affen, der lebend nur noch in Gibraltar in
wenigen Eremplaren angetrosfen wird, entdeckt. Der
cnglische Forscher John Hnntcr fand gegen 1794 in
Norfolk cinige .Knochen, dic nnzweifelhaft auf die des
arktischen grauen und braunen Bären, der in prehistori-
schen Zeiten in jener Gegend vorgekommen sein muß,
zurückznführen sind. Geflecktc Hyänen waren damals-
in den Grafschasten Norkshire nnd Kent ebenfalls zn
finden. Knochen des gcmeinen Wolfes und einer grotzen
Hnnderasse, die entschieden auf eine Verwandtschaft hin-
denten, werdcn im geologischen NUisenm in der Jermyn
Street anfbewahrt. Nach der Ansicht des vortragenden
Gelehrten dürftc kein Zweifel darüber obwalten, datz
einige der heutigen Hnndeirassen ihrcn Ursprung von
jencn Wölfen ableiten, die cinst in England heimisch
waren. Auch der Polarfuchs, der Vielfras und der
Jltis haben deutliche Spurcn zurückgclassen, die auf
ihre einstige Ilnwesenheit in den britischen Eilanden
schließen lassen. Eine seltsame Tigerart, mit grotzen,
säbelartigcii Fangzähncn stellte zu jenen Zeitcn dcni
Rotwild nach, während der Elephant in Herden durch
die vorzcitigen Urwälder zog. Die zahlreichen Ueber-
reste von Nilpferden, dic in Cambridgeshire ausgegraben
wurden, lassen daranf schließen, daß diese Tiere während
des Wendepnnktes eines Erdeiidramas in dem schlam-
migen Bette eines vorgcschichtlichcn Sees ein nasses und
unerwartetes Grab fanden. Auch der wilde Eber, dach
Renntier. die Antilope, der Bison. und das Rhinoceros
waren einst in England verbreitct.

— Das Königtum der Küche. „FrankrUch ist berühnit
in der Welt durch seinc Wissenschaft und seine Künste,
außerdem vcrdankt cs aber auch dcr Küche ciuen Teil seines
RuhmeS. Dank seiner Küche, empfangen Frankreichs Bürgcr
gekrönte Häupter an ihrem Tisch. Dic erlauchtestcn Fürsten
kommen aus ferncn Ländcrn, in gleicher Weise angezogen
dnrch dic Verführungen unsercr Haaptüadt und durch die
knlinarischen Frcuden, die sie hier zu finden sicher sind.
Es ist allgemein anerkannt, daß ma» nirgendwo so gnt ißt,
wie in Frankreich. Sie tragen also mächtig zum guten
Ruf nnd zum Reichtum unseres Landes bei." Der so
sprach, war kein andcrer, als Präsidcnt Loubet. Er that
es an der Ehrentafel, die ihm anf ciner kürzlich in Paris
eröffneten Kochkunstaiisstelliing bereitct worden war, nnd
er schloß seincn Panegyricus auf dic französische Küch- also:
„Kochen Sie also auch ferner gut! Machen Sie Jhre
Sauceu mit Sorgfalt und setzen Sie Jhr cpnizes Talent
darin, da es ja Jhre Ehre 'st. Sie sind sich der Wichtigkeit
Jhrer sozialen Rolle bcwnßt, halten Sie sie hoch und er-
halten Sie die französifche Küche aus dem hohen Rang,
auf den sie Jhre Vorgänger gebrocht haben. Jch trinke
auf das Königtum der Küche, die eiu Teil unseres nationalen
Wohlstandes ist." Man sieht, der Präsident der dritten
Republik hat die Royalisten der Küche licber, als die
Royalisten dcr Politik, die ihm seinerzcit den Hut ein-
trieben.

— Ein verlorener Posten dcs Deutschtums im Aus-
land ist nach der „T. R." das griechische Heraklion bei
Athen. Heraklion wnrde gegründet von den unter König
Otto eingewanderten Deutschen, vor Allem von bayerischen
Soldaten, die sich dort niederließen. Trotzdem diese An-
siedler sich ihre Franen aus Deutschland kommen ließen
und späterhin sich sast nicht mit der griechischen Bevölkerung
vermischten, verloren sie im Lanf einiger Jahrzehnte ihr
Deutschtum vollständig. Vor Allem ging die dentsche Sprache
dort ganz verloren. Das äußerte sich auf eine komische
Weise in der Namengebnng; dic deutschen Vornamen wnrden
vergessen und durch griechische ersetzt und crgaben nun die
merkwürdigsten Zusammenstellungen mit dcn ursprünglichen,
schwer zn vergricchenden Hausnamen. So eignetc stch die
Familie der Großhubcr die stolzen Namen Alkibiades und
Perikles an, bei dem waschechi bayerischen Hausnameii der
Gscheithofer finden wir die Vornamen Agamemnnn,
Jphigenia, Phädra, und ähnlich bei den übrigen Hofer,
Hieser und Grundlhuber. Ein deutscher Reisender, der
Heraklion vor einigen Jahren besuchte, erzählte darüber:
„. . . Jch erhoffte mir hier einen ccht deutscheii Empfang
. . . Aber ich war bald nicht eben angenehm enttäuscht,

Auf dem Richtertisch licgeu einc ganze Reihe von Gegcnständen
wie Messcr, Stöckc, Fcucrhaken, Lattenstückc und eine Pistolc.
Rödcr sticht den Kirn in den Arm nnd zerschncidet dabei die
Sehnen, so daß dcr Arm jetzt lahm ist. Röder wird hierauf zu
Bode» geworfcn und die beiden andercn mißhandeln ihn in
dcr gcmeinstcn Weise. Kirn bringt ihm mehrere Kopfwunden
mit eincm Feuerhaken bci und Schmidt zerhackte ihm mit eincm
großcn, schweren Messcr förmlich den linken llnterarm, der in-
folge desscn heute völlig gcbrauchsunfähig ist. Sämtliche An-
geklagten sind schon wicderholt vorbestraft und erhaltcn wegen
schwcrer Körpervcrlctzung durch das heutigc Urtcil, unter An-
rechnung von je cinem Monat Untcrsuchungshaft, Röder sechs
Monatc Gcfängnis, Schmidt 1 Jahr ü Monate und Klrn 10
Monaic Gcfängnis. — 3. Der 1868 gcborene, wegen Betrugs
schon drcimal vorbestrafte Schriftsctzer Julius Gennrich
von LandSvcrg erschwindelte sich am 6. Marz in der Wirtschaft
zur Karlsburg hicr dadurch Ilachtquarticr und Verköstigung,
daß er sich unter falschem Namen als Architekt aus Karlsruhe
vorstclltc und vorgab, ciuige Zeit in Heidelberg geschäftlich
verwcilcu zu müssen. Schon am zlvciten Tage abcr verduftete
er, ohne seine Rcchnung beglichen zu haben. Da Gennrich in-
folge Arbeitslosigkeit in Not geratcn ivar, so werdcn ihm mil-
derndc Umstände zugebilligt nnd er erhält trotz sciner Vor-
strafcn unter Anrechnung von eincm Monat Untersuchungs-
j>afr nur vier Monate Gefängnis. — 4. Wegen Urkunden-
fälschnng ist der Hanptlehrer Fricdrich Bühler in Reils-
hcim angeklagt. Er hat am 17. Febrnar dicses Jähres einen
Artikcl nnd cinige Tage später eincn zweiten an eine hiesige
Zeirung gesandt, welchc bestimmt waren, verschiedenc Per-
sonen in Reilsheim lächerlich zu machen. Scin Schrciben
vcrsah Bnhler mit cincr falschen Unterschrift, nnd da das
Gcricht dicse Briefc als rechtserhebliche Urkunden betrachtete,
so wnrde der Angeklagte im Sinne der Anklagc wegen Ur-
kundcnfälschung mit 2 Tagen Gefängnis bcstraft. — 5. Der
Diensiknccht Michacl Winzheimer von Krettenbach wurde
von dcr Anklagc wcgen Diebstahls freigesprochen. — 6. Vom
Schöffengericht Ivaren die Zementarbeiter Karl Fank-
h ause r von Bnmplitz zn ztvei Wochen, Alfred Müller
von Sicblingcn nnd Paul Schmidt von Landsberg zu je
vier Wochen und Joscf Netzer von Schnaidt zu einer Woche
Gcfängnis wcgen Ruhestörnng, groben Unfngs, Hausfriedens-
brnchs und Bcleidigung vcrurteilt wordcn. Die gegen dieses
Urtcil cingclegte Bcrnfnng war von Erfolg begleitet, da die
Strafcn sämtiichcr Angeklagten heutc erhcblich herabgesetzt
wurdcn. Fankhauser, Müller und Nctzer crhieltcn je drci
Tage, Schmidt 1 Wochc Gefängnis. — 7. Die Berufung des
Nckmrers Franz S ch w e f e l, dcr vom Schöffengericht ivegcn
Diebstahls zu cincr Wochc Gefängnis vcrnrteilt worden Ivar,
wurdc als nnbcgrnndet zurückgewiesen.

8 Vom Odenwald, 28. April. lK ä l t c r ü ck s ch l a g.)
Hcutc Morgcn tvar allcnthälben stehendcs Wasscr fest z u g e-
f r o r e n nnd dabei stehen auch bei nns Steinobst und Birnen
in vollcr Blütc. Sclbst die Aepfclbänmc beginnen an ge-
schllhtcn Ortcn ihrc Blütcnmäntcl anznziehcn. Da wir abcr
reckst windigcs Wcttcr habcn, so wcrdcn hoffentlich dic Blütcn
dicsc Kälte ertragen. Tritt aber Windstille cin, so ist bei uns
das Obst leider wieder dahin.

XMörlcnbach, 28. April. (Waldbrand.) Voriges
Iahr cntstanden dadurch kleinerc Waldbrände, daß durch das
gewaltigc Schnaubcn dcr Lokomotiven an den starkcn Stcig-
ungen dcr Bahn nach Wald-Michelbach zu nach dcm belaubten
Waldbodcn glühcndc Kohlen flogen. Da die Bahn Schadcn-
crsaiz lcistcn mußtc, wurdcn alle betrcffenden Stellen nmge-
rodcr nsw. Leider crwiescn sich dicsc Vorsichtsmaßrcgeln
nicht als gcnügcnd. Gestern entstand nämlich wicdcr ans
glcichcr Ursache cin größcrcr Wäldbrand, und wird diesmal
ein größcrcr Schaden zn vergnten sein, da ca. 1300 -Quadrat-
meier Stockschlag abgebrannt sind.

-i- Bon drr Tromm, 28. April. (V o m O d c n iv a l d-
Klnb.) Das Rcndczvons, das sich gcstern dic verschiedencn
Sektioncn dcs Odcniväld-Klubs der Umgegcnd auf unserer
Höhe gabcn, ivar trotz des ranhen Wettcrs schr gut bcsucht.
Bci Gcsang und kcrnigcn Ansprachen verliefcn dic Stundcn
allzn rasch. Wciblcin nnd Männlein trcnntcn sich: „Anf
allgcmcincs Wicdcrschcn bcim Gcsamtansflug in Wald-Michel-
bach."

de. Maiiiihcim, 27. April. (V e r s ch i e d c n c s.) Ein
bctrübendcr Unfall ercigncte sich gcstcrn Abcnd in dcr Rupp-
rcchtsstraßc. Dort stürzte aus eincm Fenstcr im fünften Stock
ein vierjähriges Mädchen aufs Straßenpflastcr nnd war sofort
tot. — Einc aus 11 Korbflaschcn bestehcndc Wagcnladung
Salpctcrsäure geriet gcstern anf dem hiesigen Rangierbahnhof
vcrmntlich infolge Sclbstcntzündung in Brand, wodurch dic
Korbflaschen nnd der Eisenbahnwaggon zerstört wurden.

Mamihciln, 28. April. (S e l b st m o r d.) Hcutc früh
erschoß sich in ciner Mcrnnschaftsstnbc dcr ncuen Kascrnc cin
Soldat dcr 11. Kompagnic. Der Mann, der im 2. Jahrc
diente und Kompagnicschrciber war, soll in dcr vcrflossencn
Nacht cine Raufcrei gchabt haben, wobci er mchrerc Mcsser-
stiche davon trug. Furcht vor Strafe scheint deshalb als
Motiv angenommcn wcrdcn zu könncn. Währcnd die anderc
Lentc den Kaffce holtcn, sagte cr sich mit seincm Dienstgc-
wchr cinc Kugcl in dcn Mnnd.

Karlsruhe, 25. April. (U nglücksfal l.) Leidcr ist
das schönc Jubiläumsfest nicht ohne Unglücksfall vcrlcrufen. D-er
Deckel eines Transparentes, den der an der Kreuzung so hcf-
tigc Sturm gelockert nnd dcr nicht beachtet wurde, fiei eincr
Fran auf den Arm; dicsclbc crschrack, trat über dcn Bordstein
herunter, ficl zu Boden und schiug ihr 10 Monate altes Kind,

außen yin wicder von dem niederschmetternden Schicksalsstreich
erholte, dann snchte er Frau von Felsing auf, die mit eherner
Rnhc ihre Obliegenheiten erfüllte, nnd sagte:

„Fch bcdarf einer Erzieherin für meine verwaisten Kinder
und ciner Rcpräsenmntin meines Hauses. Könntest du dich
cntschlietzen, mir beidcs zu sein und für immer nach der
Obcrförsterci überzusiedeln? "

Mclitta zögcrtc lmige, dann antwortete sie: „Du bist
noch jung und wirst dich ohne Zweifel wieder verheiraten,
Grcgor —"

„Nie! Nicinals könnte ich ein anderes Weib als Reginas
Aachfolgerin schcn! Damit ist es vorbei für immer und
cwig. Was ich jetzt noch bedarf, ist eben nur eine treue
Freimdin, die Mutterstelle bei den Kindern vertritt und mir
ein erträgliches Heim schafft. Mit einer Fremden würde ich
vielleicht Lble Erfahrungen machen, deine Pflichttreue und
dein ehrenwerter Charakter sind mir jedoch bekannt. Ueber-
lege dir, ob du annehmen kaimst oder nichtl"

„Es bedarf keiner längeren Ueberlegung, wenn du auf
cine Bedingung, bic ich stellen muß, eingehen willst."

„Und welche ist dies?"

„Von Konstanze trcnne ich mich nicht. Darf ich sie bei
mir behalten?"

„Unnötige Fragel Sie soll mir so lieb sein, wie meinc
eigenen Kinder."

„Gut. Dann —"

„Willigst dn also cin?"

„Ja."

Melitta war nicht arm, abcr sie nahm dic ihr gebotene
Stellung an, uni nicht von dem vorhcmdenen Vermögen
zehren zu müssen, sondcrn es ungcschmälert ihrcr Tochter er-
haiten zu könncn.

Alle Nachforschungen nach dem Mörder ülicben erfolglos,
so eifrig dieselben auch betrieben wurden. s Niemand war
in der Nähe dcr Unglücksstätie gesehen worden. Wohl lenkte
sich auf manchen der Verdacht, äber die That selbst konnte

keinem nachgewiesen werden. Es handelie sich offenbar um
cinen Racheakt gegen den Oberförster, um die für ihn be-
stimmte Krigel eines Wilderers. Wer den Schuß abgefeuert
hatte, blieb jedoch in undurchdringliches Dunkel gehüllt, trotz-
dem eine hohe Belohnung anf Ermitielnng des Verbrechers
ausgesetzi ivar. »

Zweites Kapitel.

Sechszehn Jahre waren seit dem unglücklichcn Ereignis
verflossen. Herbert, ein schöner, lebenslustiger, junger Mann,
war Fvrst-Referendar geworden und seine Stiefschwester,
Regina, zu cincm entzückcndcn Mädchcn herangcwachsen, das
Ebenbild ihrer verstorbenen Muttcr und der Liebling des
Vaters.

Konstanze, die in ihrer Kindheit sehr kränklich gewesen,
besaß auch als Zwanzigjährige noch wenig Reize und Jugcnd-
frische. Streng und ernst erzogen, erschien sie nicht weniger
herb und verschlossen als Krau von Felsing, aber aus ihren
schwarzen Augen loderte zuweilen die Flamme wildester Leiden-
schaft. Die dunklen Augen und das üppige, schwarze Hcrar
waren das einzige, was an ihren Vater erinnerte; und diesc
Augen hingen oft mit verschleierter Glut an Herbert.

Der Oberförster war nicht selten unzufrieden mit seinem
Sohne. Er tadelte dessen Leichtsinn, Unpünktlichkeit und
Unbeständigkeit.

Eines Abends, als der junge Mann wieder später als
sonst aus fröhlicher Gesellschaft heimkehrte und bei dem
Oberförsterei noch einige Herren zu Besuch weilten, harrte Kon-
stanze trotz der kühlen Nachtluft im Garten, öffnete ihm das
stets von innen verriegelte Hinterpförtchen und sagte:

„Geh auf dcin Zimmer. Der Onkel braucht nicht zu
wissen, daß du jetzt erst kommt."

„Hast du auf mich gewartet?" fragte Herbert.

„Ja, um dir Verdruß zu ersparen. Du weißt ja, wie
eigen dein Vater in solchen Dingen ist."

„Und darum bekümmerst du dich?"

Sie errötetc unter seinem Blick. Vom Mondesglanz

umflossen, sah sie mit ihren brennenden Augen beinahe schön
aus; etwas wie ein eiektrischer Funke sprühte aus diesen
düster glühenden Sternen in die Seele des von reichlicheM
Weingenuß erhitzten jungen Mannes.

„Hast du mich denn lieb, Konstcmze? Bin ich dir teurer
als alle anderen hier im Hause?" flüsterte er miCchalb er-
stickter Stimme.

Sie antwortete nichr, aber die überschlanke Gestalt begann
zu zittern.

Da riß Herbert das Mädchen plötzlich mit den Worten:
Wie schön du bist und wie ich dich liebel" in seine Arme,
drückte einen Kuß auf ihre verstummten Lippen und schritt
dann rasch dcm Hintercingang des Hauses zu.

Ein Laut, halb Freuden-, halb Schreckensschrei, iönte
durch den Garten.

Konstanze war auf eine Moosbank niedergesunkcn. Es
überkam sie wie ein Ohnmachtsgefuhl, dann breiteten sich ihrc
Armc nach dem Entschwindenden aus, während ein vcr-
zückies Lächeln den blassen Mund umspielte.

Herbert gedachte am nächsten Morgen des Vorfallcs kaum
noch, oder doch nur mit einem Gefühl dcs Mißvergnügens,
das kcincm erspart bleibt, der sich in überreizter Stimmung
zu weit hinreißen läßt. Er sollte jedoch nicht lange darüber
im Zweifel sein, datz Konstanze diese jähe Aufwallung sehr
crnsi genommen hatte. Bei der ersten Begegnung verriet
es ihm jede Miene ihres unschönen, aber interessanten Ge-
sichts. Da sie ein willensstarker Charakter wie ihre Mutter
war, LLte sie doch eine gewisse Macht auf den leichtfertigen
Schwankenden aus, der noch nie in die ernste Lage gekommcn
war, seine eigene Kraft und Energie zu erproben. Nebrigens
sollt: er dic Oberförsterei bald verlassen, urn das Assessor-
Examen Zu machen. Wenn er dann wiederkam, !var wohl
auch die ganze Thorheit vergessen und Konstanze mii irgend
einem bicderen Landiunker verlobt.

(Forisetzung folgt.)
 
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