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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Donnerstag, 1. Mai 1902._Grstes Blatt._44. Jahrgang. — 101.

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vorgefchriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anfchlagstellen. Fernsprech-Anschlutz Nr. 82

Deutsches Reich.

— Die B u d g e t k o m rn i s s i o u des Reichstages
hat ditz Vorlage wegen Bezahlun g der Mitg l^e-
de r d er Z o l l t a ri f k o in m i s s i o n erledigt. >sie
hat das den einzelnen Aiitgliedern zu zahlende Pau-
schalquantunr auf 2000 M. herabgesetzt. Die Verteilung
soll dem Präsidenten überlassen werden. Diäten, die
einzelne Mitglieder vom Landtage bezieheu, sollen in
Abrechnung kommen.

— Jn politifchen Kreisen wird die Thatsache be-
svrochen, daß der Bundesrat vom Ableben des Fürsten
Reuß ä. L. k e i n e Notiz genommen hat. Wie die
„Börsenzeitung" hört, wird der Bundesrat auch in seinen
ferneren Sitzungen das Ereignis mit Stillschweigen über-
gehen.

Deutscher Weichstag.

Berlin, 30. April.

Das Gesetz betreffend den Gebührentarif für den Kaiser
Wilhelm-Kanal und der Nachtrag zum ReichshauShaltsetat
für die Veteranen werden ohne Erörterung angenommen.

Es folgt darauf die Beratung des Gesetzentwurfs be-
treffend den Servistarif und die Klassen-
einteilung der Orte, sowie Veränderung des Gesetzes
über die Bewilliguna von Wohnungsgeldzuschüssen.

Die Kümmission bchiclt vou dcr Regierungsvorlage uur
die Bestimmung bei, datz dic Scrvisklasse 5 vom II April d. I.
fortfallc. Dic uächste Revision der Klasseneinteilung der
Orte soll spätestcus mit Wirkung vom 1. April 1904 erfolgen.
Autzerdcm schlägt die Kommission folgendc Resolution vor:
die Regicrung zu ersuchcn, gleichzeitig mit dem Entwurf be-
ireffend den Servistarif eincn besonderen Gesetzentwurf über
dic Bewilligung cines Wohnnngsgeldzuschusses vorzulcgen.

Die Vorlage mit der Resolutivn der Kommission auf Vor-
lcgung eines besonderen Gesetzentwurfs über dic Bewilligung
des Wohnungsgeldzuschusses wird nach unwesentlicher Debatte
angenommen.

Morgcn Toleranzantrag, Antrag Rickert betrcffend Siche-
rung des Wahlgeheimuisses.

Madischer Landtag.

L. 0. Karlsruhe, 30. April. (73. Sitzung der
Zweiten Kammer.)

Präsident Gönner eröffnet die Sitzung um 9'/, Uhr.

Eingegangen: Eine Petition um Errichtung eines
Abtritts (Heiterkcit) bezw. cincr Station in Gundelfingen.
Präsident Gönner: Diese Eingabe eignet sich zur ge-
s chäftlichen Behandlung in der Kommission für Straßen
und Eisenbahnen. (Grotze Heiterkeit.)

Die allgemeine Beratung über das Mittelschul-
weien wird sortaesetzt.

Oberschulratsdirektor Arnsberger kommt auf die
Aussühruugen des Abg. Dr. Goldschmit zurück und betont,
üatz keine Tendcnz vorliege, bestimmtcn Personen den Vorsitz
im Belrat der Ghmnasien zu übertragen. Die Gepflogenheit,
datz einzelne Direktoren im Lande herumreisen, um sich die
Bewerber nm Professorstellen anzusehen, sei abgeschafft worden.
Reben der Ancicnnität der Bewerber müsse auch das Jnteresse
der Schule berücksichtigt werden, namentlich wenn es sich um
Besetzung von Lehrstellen für ncuere Sprachen handelt. Redner
erläutert sodann, warum der Bauplan des Freiburger Gym-
nasiums abgeändert werden muhte.

Urozeß Krostgk.

Gumbinnen, 29. April. Der heute als erfter
Zeuge vernommene Sergeant Schiedat bekundet
weiter, daß er und Hickel erst durch das Guckloch sahen
und, als sie den Rittmeister auf dem Boden liegend be-
merkten, in die Reitbahn eintraten. Diese Angaben
veranlaßt den Verteidiger Horn, sestzustellen, daß sonach
Hickel nicht an der Bandenthür gestanden haben könne.
Vizewachtmeifter Bunckus sagt aus, daß er mit Hickel
etwa 5 Minuten zusammen war, als er die Mitteilung
von der Ermordung des Rittmeisters erhielt. Während
der Dragoner Wadzieck Hickel nicht im Stalle bemerkt
hat, bekundet Dragoner Satursee, daß er Hickel durch
den hinteren .4,-L-Stall nach dem erleuchteten Stall
gehen sah. Hickel habe sich gewundert, daß die Lampen
nicht brannten. Der frühere Unteroffizier Domning
ffält seine Aussagen ansrecht und soll vereidigt werden.
Der Vertreter der Anklage widerspricht der Vereidigung,
da Domning unglaubwürdig und selbst der Begünstigung
verdächtig sei. Die Verteidiger ersuchen, Domning zu
vereidigen, da seine Aussagen weder unwesentlich, noch
unglaubwürdig seien. Wenn Domning betreffs der Zeit
anfangs sich geirrt habe, so erkläre stch dies dadurch,
daß er zuerst nickst die Tragweite seiner Aussage kannte.
Ein Aehnkiches sei auch in der früheren Verhandlung
dem Generalleutnant v. Alten passierk. Es folgt die
Vereidigung mehrerer Zsugen, darunter anch die des
Domning. Darnach wird Leutnant Brandt vom hie-
sigen Dragonerregiment vernommen; er bekundet, daß
er den Namen des Lokales Kretschmann zum erstenmale
durch die Zeitungen erfahren habe; er habe das Lokal

Abg. Fehrenbach (Zentr.) ist der Meinung, datz die
akademisch gcbildeten Beamten im wesentlichen auf der gleichen
Gehaltsstufe zu halten sind, wie die Juristen. Die Direktoren
sollten nach 8, die älteren Professoren von O nach Q aufrücken.
Die Ergänzungsprüfung mützte vor dem Universitätsstudium
abgelegt und die betr. Kenntnisse auherhalb der Universität
erworben werden. Zur vollen Absolvierung des Gymnasiums
sollten nur befähigte Leute zugelassen werden; in diesem Punkte
sei in srüherer Zeit viel gesündigt wordcn, insofern die Gym-
nasien einen formlichen Wettlaus um Schüler veranstalteten.
Die Vorsitzenden des Beirats müssen vor allem die Befähigung
zur Leitung haben, daher sei der Direktor, der die beste Ein-
sicht in alle Verhältnisse hat, der geborene Vorsttzende. Eine
direkte Einwirkung auf die Besctzung der neuen Oberschul-
ratsstelle lag der Budgetkommission fern, sie wollte nur in thesi
eine stärkere Heranziehung des sachmännischen Elements beto-
nen. Frühauf habe sich als passiver Fachmcmn eingeführt;
er (Redner) möchte aber doch bezweifeln, ob solche. Aus-
führung sein Ansehcn bei wirklichen Fachmännern heben
wird. Wie können die Schüler an das Studium Tenophon's
hercmtreten, wenn sie keine Grammatik gelernt haben? Erst
durch Frühaus's Ausführungen über den Geschichtsunterricht
habe er das richtige Verständnis von den Perserkriegen be-
kommen. (Heiterkeit.) Wcnn Frühauf nichts iveiter vorzu-
bringen weitz, als die alten Fälle von St. Roman und Buch
a. Ahorn, so könne man dem Oberschulrat wirklich gratulieren.
Unfaßbar und unbegreiflich sei ihm Frühaufs Appell an die
Disziplinlosigkeit des Oberschulrats. Da sei es Zeit, datz
die besonnenen Elemente in der Lehrerschaft zusammen-
stehen und die federführenden hetzerischen Elemente von sich
abschütteln. (Bravo.) Jetzt könne man sagen: Glücklicher
Dreesbachl Jn Karlsruhe haben angeblich Nationalliberale
und Freisinnige gesiegt. Aber was nützen die 2 Drittel gute
Karlsruher Abgeordnete, wenn das weitere Drittel durch seine
Mahlosigkeit und Uebertreibungen rein im Sinne der So-
zialdemokraten arbeiiet. Da steht Dreesbach schmunzelnd da
und reibt sich die Hände und die Wähler Frühauf's, die
Minister und Geheimräte und das Heer der Staatsbearnien
plätschert betrubt im ausgeschütteten Badewasser. (Heiterkeit.)

Abg. Heimburger (Dem.) bespricht die Ueberbür-
dungsfrage und betont sodann, datz die Lehrerschast nicht das
Dertrauen zum Oberschulrat habe, welches notlv.udig würe.
Die Gründe liegen zum Teil in der Stellung des Oberschul-
rats, zum Teil darin, datz die Lehrerschaft lange Zeit gcgen-
über den andern Beamten zurückgesetzt wurde. Die Darstel-
lung des Karlsruher Falles durch den Minister sei etwas ein-
scitig; der betr. Lehramtspraktikant sei in einer Weise provo-
ziert worden, dah rüan von einer „brutalen" Handlungsweise
nicht sprechen könne. Die Hauptbeschwerde richtete sich üb
rigens dagegen, datz die Untersuchung durch die Polizei und
nicht durch die Disziplinar-Behörde gcführt wurde. Wenn
Frühauf von einer ersreulichen Disziplinlosigkeit des Lehrer-
standes gesprochen habe, so sei das sclbstvcrständlich cuin
ArLiic, sslis zu nehmeu; von einer Disziplinlosigkeii der
Lehrer im Allgemincn könne man übcrhaupt uicht rcden,
wenn anch der Eine oder Andere mal über die Schnur haue.
Der Lehrerstand führe doch nicht in seiner Gesamtheit eine
verlctzende Sprache (Dictcrlc: Tcilwcise doch); jedenfalls
mützten Beweise dafür crbrachi werden. Eine Besserstellung
der Lehrer sei dringend geboten, sonst werde die Kalamität
immer grötzer. Rcdner rriit schlietzlich für Verbesseung des
Gesangs und Stciwgraphie-Unicrrrchts ein.

Abg. B l ü m e l (Zenir.) Ivünscht Vcrmehrung der Pro- !
sessorenstcllen und Bcsserstellung der Lehrer, die allerdings erst j
Vei einer Gehaltsrevisiou möglich sei. Es sci anzuerkennen, I
datz Frühauf ein so lvarmes Jnteresse für den Lehrerstand I
zeigc, aber seine Vertretung sei wenig zweckdienlich. Wenn k
in dcn Schulblättern die Meinung der Lehrer etwas energisch l
znm Ansdruck gekommen sei, so verratc das noch keincn Mangel «
an Disziplin. Jn dcr Beurieilnng der Thätigkeit des Ober- »
schulrats müsse man schr vorsichtig sein. Dem Frauen- ^

studium sollte man Vorschub leisten, wenn auch die Zulassung
der Mädchen zu den oberen Klassen Gefahrcn im Gefolge habe.
Er wenigstens habe schon die Wahrnehmung gcmacht, datz sie
„errötend ihren Spuren folgen". (Abg. Wilckens: Sie thun's
auch so l)

Abg. Fendri ch (Soz.) betont, datz sich die Schule nicht
niit der Bureaukratie verträgt. Erfreulicherweise gestehen
dies auch die Juristen Obkircher und Bassermann ein; nur
Zehnter sei anderer Meinung. Dieser habe auch sehr gering-
schätzig über die Lehrer gesprochen. Die Geringschätznng der
Lehrer sei hauptsächlich auf den ewigenKompetenzstreit zwischen
Eltern und Lehrern und darauf zurückzuführen, datz diesem
Stand von der Regierung und Volksvertretung, insbesondere
abcr anch vom Klerus nicht die Bedeutung beigelegt lvird, die
er thatsächlich hat. Daher kommt es auch, datz die Lehrer
selbstbewutzter auftreten. Fehrenbach habe mit seinen Aus-
sührungen das Ansehen des Hauses nicht gehoben. Wohin
kämen wir, wenn Jeder nur über das reden dürste, was er ge-
lernt hat. Man sollte doch das Laienelement nicht in Ler
Weise hernnterreitzen, daß man ihm die Fähigkeit abspricht,
in solchen Fragen mitzureden. Redner wünscht Vcrbot der
Schülerpensionate und befürwortet die allgemeine Zulassnng
der Mädchen zu den Mittelschulen; weiter tadelt cr, dah in
Karlsruhe Schüler Karzcrstrafen erhielten, weil sie sich nicht
an der Spalierbildung beteiligt hatten, und datz in den Schulen
zu oft die Prügelstrafc angewendet wird.

Abg. Wilckens (nail.) protestiert gegen die Behaup-
tung des Vorredners, datz die Lehrerschafi von den Landstän-
dcn geringschätzig behandelt wurde. Jederzeit sei die Volks-
vertretung den Wünschen der Lehrerschaft nach Müglichkeit
entgegengekornmen; darum seicn solche Behauptungen in
Hohem Matze ungerechtfertigt. (Bravo!) Dankbar begrütze
er, datz die Regiernng den Anregungen Ler Städte bczüglich
der höhoreu Mädchenschulen entsprochen habe. Den Mädchen
sollte die Möglichkeit einer höheren Ausbildung thunlichst er-
leichtert werden. Die Lehrbücher unserer Oberrealschulen ent-
sprechen den modernen Bedürfnissen nicht mehr; insbesondere
genüge die Ploetz'sche Grammatik den jetzigen Anforderungen
nicht. Die Beseitigung des Ausschreibens der Lehrerstellen
würde er für bedenklich halten. Bezüglich des Beirats ftimmt
Redner den Ausführungeii dcs Oberschulratsdirektors zu.
Der Vorwurf, daß es dcr Oberschulrat an Energie fehlen
lietz, als es sich nm die Siellenvermehrung handelte, sei un-
berechtigt. Mchr, als irn Nachtrag vorgeschen, sei jetzt nicht
zu erreichen. Einzelne Lehrer führen allerdings eine Sprache,
die nicht zu billigen ist; aber die meisten vertreten ihre Jn-
teressen doch in würdiger Weise. Am schnellsten werde die
Unzufricdenheit gehoben, wenn die Lehrer sich darüber klar
sind, datz Regierung und Volksvertreiung ihren Forderungen
gerecht zu werden suchen. Unser Mittelschulwcscn befinde
sich im großen Ganzen in eincm erfreulichen Zustand; die
Behauptung Heimburger's, datz die Durchführung wichtiger
knltnrellcr Anfgaben durch die Militärlasten unmöglich werde,
sei jcdenfalls nicht richtig. (Bravol)

Ministcrialpräsident Frhr. v. Dns ch ist erstaunt, datz
Hcimburger für den Vorwurf, der Oberschulrat besihe nicht
mehr das Vertrauen der Lehrerschaft, kcine anderen Beweise
erbracht hat. Bis jeht sei ihm noch keine begründete Beschwerde
gegen den Oberschulrat zur Kenntnis gekommen. Auch Reichs-
tagsabgeordneter Bassermann habe scin Diktum in der Karls-
ruher Wahlversammlung nicht begründet. Jn der Reorganisa-
iionsfrage sei die grötzte Vorsicht geboten. Den Wünschen
bezüglich dcr Besserstellung der Professoren stche die Regierung
mit dem grötzten Wohlwollcn gegenüber. Zu einer Aenderung
der Organisation des Beirats liege zur Zeit kein Grund vor.
Den Karlsruher Fall habe er auf Grund der Akten des Ober-
schulrats dargestellt. Der Lehramtspraktikant habe einen so
schweren Schlag nach dem Gegner geführi, datz diesem das
Trommelfell gesprungen ist. Da war doch gewitz ein Verweis
mn Plah. Dcr Regierung liege es fern, dcn Volksschullehrer-
stand in der Wcise herabzusehcn, datz sie ihin Disziplin-

niemals betreten, er stand zur Zeit des Mordes in
Stallupönen und sei nicht in Gunchinnen gewesen. Ober-
leutnant Weiß bekundet, er sei niemals in dem Lokal
gewesen. Zeuge war zur Zeit des Mordes in Berlin.
Oberstleutnant v. Winterfeldr erklärt, er habe die Of-
fiziere des Dragonerregiments befragt; sie hätten nie-
mats das Lokal betreten. Zeuge bezeichnet Len Jnhalt
des Bartelschen Briefes ats von A bis Z unwahr. Äuch
der Angeklagte Hickel bezeichnet den Bartel als nnver-
träglichen Menschcn, der im ganzen Regiment mißliebig
war. Restaurateur kkretschmamr bekundet, es hätten
einmal in seinem Lokal einige Offiziere Wein getrimken,
wann dies war und was für Ofsiziere dies waren, könne
er nicht sagen. Jedenfalls seien dic Behauptungen Bar-
tels völlig erfunden. Zeuge Fleischermeister Mattern
bekundet: Jm Herbst 1900 ritt v. LÄwsigk über den Ma-
gazinplatz; dabei ging ein Offizier vorüber, der grüßte;
v. Kstosigk erhob plötzlich die Reitpeitsche
und schlug seine Frau zweimal anf den
Rücken; er, Zeuge, könne nicht sagen, ob absichtlich
oder ob der Rittmeister nur sein Pferd schlagen wollte.
Der Offizier blieb verwundert stehen und sagte: „Lange
wird der seine Frau nichtmehr schlagen." Hier-
mit wird die Beweisaufnahme geschlossen, die weitöre
Verhandlung wird auf morgen vertagt, wo die Plai-
doyers stattfinden.

Gumbinnen, 30. April. Jn der Stadt herrscht
eine geradezu bis zur siedehitze gesteigerte Aufregung.
Jn der bürgerlichen Bevölkerung erwartet man wohl
ohne Ausnahme die Freisprechung beider Angeklagten.
Unter den unzähligen ZrulMfllsti, bii Tae^für Tag mit
allen möglichen guten R^tM^^WAMMn 'eidigern zu-

gegangen sind, dürfte den Vogel ein anonymer Witzbold
abgeschossen haben, der an Rechtsanwalt Horn schrieb:
„Aus meiner langjährigen Thätigkeit als Einbrecher
bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß Skoppek
Schmiere gestanden haben muß. Sein Verhalten spricht
dafür". Heute sitzen die Angeklagten still und bedrückt
da. selbst Hickel sieht man eine große nervöse Unruhe
an. Der Zuschauerraum ist schon bei Beginn der Sitzung
drückend voll. Unter den Zuhörern befinden sich viele
Offiziere.

G u m b i n u e n , 30. April. Sofort nach Eröff-
nung der Sitznng erhätt der Vertreter der Anklage,
Oberkriegsgerichtsrat Meyer, das Wort zum Plai-
doyer und sührte aus: Der Mord könne nur von zwer
Personen ausgeführt sein. Dafür sprechen alle Umstände
und die Aussage Skopeks, der stets mit voller Bestimmt-
heit bekundet habe, daß er zwei Leute an der Banden-
thüre gesehen habe. Der Umstand, daß ein Karabiner
benutzt wurde, spreche dafür, daß der Mord nicht von
einer Zivilperson ausgeführt worden sei. Das von Frau
sablowski bezeichnete Vorkommnis, daß ein Soldat,
nachdem dieser Mantel und Mütze abgetegt habe, in Zivil-
kleidern fortgegangen sei, könne mit der Mordthat nicht
in Verbindnng stehen, da es sich einige Tage früher
ereignet habe. Die Aussagen der Frau Eckert, die am
Mordtnge zwei Zivilpersonen aus der Kaserne habe
laufen sehen, seien infolge der Widersprüche über den
Tag und die Mondhelle nngtaubhaft. Auch hätte die
Verteidigung und der Ehemann Eckert gebeten, die Frau
uicht zu vereidigen. Der Mord könne nur von
Sotdaten ausgeführt worden sein, die ein Interesse an
der Beseitigung des Rittmeisters hatten. Die Anzeichen
 
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