Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0825

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
losigkeit vorwirft; der Boriourf richte sich nur gegen einzelne
Hetzer. Die alten Sprachen tasscn sich nicht so behandeln,
wie die neuen (Frühauf: Lektürel): der Haupiwert müsse in
den ersten Jahren auf die Grammalik gelegt werderr Exzesse
bei Schülerausflügen könnc die Regierung mit dem besten
Willen nicht verhinderm Redner bedauert znm Schlus; noch
einmal aufs lebhafteste, daß ohne allen Grund so schivere An-
griffc auf den Oberschulrat gerichtet wurden.

Abg. Kirsner (natl.) empfiehlt eindringlich die Pe-
tition betr. Umwandlung dcs Proghmnasiums Donau-
eschingen in ein Vollgymnasium dcr Berücksichtigung. Eine
entsprechcnde Position im Nachtrag würde im Bezirk dankbar
begrüßt.

Ministerialpräsident Frhr. b. D u s ch erklärt, daß im
Nachtrag keine Position für diesen Zweck eingestellt sei, umso-
weniger, als zur Zeit Bedenken gegen die Erweiterung des
Progymnasiums borliegen, weil die Schülerzahl gering sei
und'es an Lehrkräften mangelt. Es sei abcr nicht ausge-
schlossen, daß sich der Wunsch der Stadt Donaueschingen mit
der Zeit verwirklichen läßt.

?lbg. Kist (natl.) wünscht rascheres Vorrücken der älte-
ren Reallehrer und tritt für Erhöhung des Beitrags an die
höhere Mädchenschule und für den Neubau eines Ghmnasiums
in Konstanz ein, indem er eingehend den schlechten baulichen
Zustand des jetzigen Gymnasiumsbaues schilbert. Rcdner
fragt an, ob im Nachtrag für diese Zwcckc cine Position er-
scheint.

Oberschulratsdirektor Arnsperger erwidert, daß der
Nachtrag keine derartigen Anforderungen enthalte; dagegen
werde im nächsten Budget der Beitrag für die höheren Mäd-
chenschulen erhöht. Daß für das Konstanzer Gymnasium
etwas geschehen müsse, sobald die Finanzlage es erlaubt, stehe
fest. Ob schon im nächsten Budget die Frage gelöst werden
kann, sei zweifelhaft; bie Oberschulbehörde hoffe es bestimmt.
Redner stellt Berbesserung des Gesangsunterrichts in Aus-
sicht, hält aber ein Verbot der Schülerpensionen für unzweck-
mäßig. Die Einführung anderer Schulbücher für die Ober-
realschulen werde in Erwägung gezogen.

Um halb 12' Uhr wird die Beratung abgebrochen. Fort-
setzung: Freitag 6 Uhr.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seinc Königl. Hoheit der Großherzog haben dem
früheren Gefreiten im 2. Seebataillon, Adam Siegfried
cms Wallstadt, die Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen
des ihm verliehcnen Militär-Ehrenzeichens 2. Klasse erteilt.

Karlsruhe, 30. April. Der Großherzog nahm
heute Vormittag von 10 Uhr an den Vortrag des Präst-
denten Dr. Nicolai entgegen. Um 12 Uhr meldeten stch
eine Anzahl Ofstziere. Hierauf hörte Seine Königlichs
Hoheit den Vortrag des Generalleutnants und General-
adjutanten von Müller. An der Frühstückstafel nahm die
Prinzesstn Wilhelm teil. Nachmittags 3 Uhr besichtigten
der Großherzog und die Großherzogin, der Erbgroßherzog
und dieErbgroßherzogin die Jubiläums-Gartenbauausstellung.
Um 6 Uhr fand zu Ehren des Kaiserlich Türkischen Bot-
schafters Hoftafel statt. Abends 8 besuchen der Großherzog
mit dem Erbgroßherzog im großen Saale der Festhallc
das Festbankett des Militärvsreins, der Regiments- und
Waffenvereine, des Marincvereins und der Vereinigung
der Reserve- und Landwehroffiziere.

Prinz Karl und dessen Gemahlin Frau Gräfin von
Rhena sind gestern Abend zum Ku rgebranch nach Baden
abgereist.

Ausland.

Holland.

Rotterdam, 29. April. Die Königin-Mutter
hat sich in den letzten Tagen wiederholt überaus günstig
über den Zustand der .Königin geäußert. Gestern Nach-
nnttag war Professor Rosenstein nach Schloß Loo gekom-
men, weil die Königin ausdrücklich den Wunsch kundgege-
ben hatte, ihn noch einmal zu konsultieren. Die Königin
ninrmt reges Jnteresse an ihrer Umgebung; so befahl sie
gsstern, der Vorleserin der Königin-Mutter zu ihrem
Geburtstage einen Strauß zu überreichen. Unter den
Wünschen auf Wiederherstellung, welche die Patientin
gestern empfing, war auch eine drahtlos aus der Nordsee
nach Scheveningen telegraphierte Botschaft der Offiziere
des niederländischen Panzerkreuzers „Ebertsen".

Montenegro.

— Die außerhalb des Landes weilende waffen-
fähige Mannschaft Montenegros soll, wie der
„Köln. Ztg." gemeldet wird, Befehl erhalten haben, in
die Heimat z u r ü ck z u k e h r e n und diese Matz-
. regel mit grötzeren Rüstungen zusammenhängen, die
Montenegro in aller Stille vorbereitet. Kürzlich erst
war Fürst Nikita in Podgoritza, wo sich angesehene
christliche albanesische Führer zum Zweck langer Bera-
tungen eingefunden hatten. Seitdem sollen an der alba-
nestschen Grenze Truppenzusammenziehungen stattfinden.
Jn den Bezirken Gusinje und Plawa, auf die Monte-
negro auf Grund des Berliner Vertrages stets Anspruch

erhoben hat, wurden insgeheim von Montenegro Waf- '
fen verteilt. Man erwartet in Cetinje nur den Aus-
bruch ernstlicher Unruhen, nm einzuschreiten.

Rußland.

Petersburg, 30. April. Nach hiesigen Pri-
patmeldungen ivurde wührend einer Vorstellung im
M a r i e nt h e a t e r von der Gallerie ein Ballon tos-
gelassen, aus welchem mit großen Lettern die Jnichrift
angebracht war: „Nieder mit dem Absolutis-
m n s, nieder mit den Romanows!" Da
sich der Ballon sofort an den Plafond erhob, konnte er
erst nach Schluß der Vorstcllung von der Polizei ent-
fernt werden.

W a r s ch a u, 30. April. Nach Meldungen von hier
hob die Polizei hierselbst die D r u ckerei des jüdischen
sozialistischen Geheimbundes auf, außerdem fanden dort
in den letzten Tagen A r b e i t e r d e m o n st r a-
tionen statt, weshalb die Anlagen um das Palais
bis zum 5. Mai gesperrt werden.

Amerika.

Washington, 29. April. Prästdent Roosevelt
hat William M o o d y, Mitglied des Kongresses sür
Massachusetts, zum M a r i n e s e k r e t ä r ernannt.

Dom WegieruNgsjuöiläuM des Kroßyerzogs.

SL. Karlsruhe, 30. April. Die M i l i t ä r v e r e i n e
der Residenz veranstaltetcn heute Abend zur Feier des Regie-
rungsjubiläums in der, Festhallc ein Banket r, dem der
Grotzherzog, Erbgroßherzog, Prinz Max, die Niinister
v. Brauer und v. Dusch, viele Generale, aktive und Reserve-
offiziere anwohnten. Hauptmann der Landwehr, Rechnungs-
rat S ch w a n i ng e r, entbot dem Jubilar cinen herzlichen
Willtommgruß, dann brachte der INännergesangverein Karls-
ruhe Mozart's „Gebet" und Rechtsanwalt Dr. Süpflc einen
von Oberamtsrichter Ludwig verfatzten Prolog zum Vortrag.
Nach der Schubcrt'schen Festouverture bestig Direktor Mü l-
l e r - Pforzheim das Podium, um in einer schwungvöllen,
von patriotischem Hauch durchwehten Festrede den Jubilar zu
feiern. Nachdern das Hoch verklungen, erhob sich der Lia n-
desfür st und hielt folgende Ansprache:

„Meine verehrten Freundc und Kämeraden! Zunächst
habe ich Jhnen zu danken dafür, daß Sie gewünscht haben,
mich in Jhrer Mitte zu sehen. Gerne, sehr gerne bin ich
Jhrer Einladung gefolgt, gerne bin ich unter Jhnen, das
wissen Sie wohl Alle, denn Sie wissen, welchen Wert ich
auf diese Vereinigung setze, wie teuer sie mir ist und wie
ich Alles dazu beitragen möchte, sie nicht uur zu erhalten,
sondern sie noch weiter auszubilden und zu entwickeln! Sie
Alle, meine Freunde, wissen es wohl, was es wert ist, die
Kameradschaft aus dem aktiven Heer in das bürgerliche
Leben zu übertragen: das ist die Bedeutung der Militär-
vereine, uud wenn ich bedenke, daß hier allein in dieser
Stadt Tausende von vormaligen Soldaten sich verbinden
in treuer Vereinignng, -so ist das eines der schönsten Erleb-
nisse meines alten Lebens. Deshalb sägte ich Jhnen vorhin,
ich komme so gerne zu Fhnen nnd freue mich, daß Sie diesc
VSiranlassung benützt haben, um aus dem Jubiläum
eine Feicr zu gestalten. durch die Sie mir kundgeben, datz
Sie fortführen wollen, was dnrch viel lange Jahre zu be-
gründen versucht wurde und nnn als gelungen betrachtet
werden kann.

Wir haben eben eine schöne Festrede gehört, die ich in
ihrem ganzen Fnhalt nach schätze. Aber Sie müssen nicht
glaubcn, dah ich das hochschätze, was über mich gesagt ist,
das ist ebenso gut gemeint, als schön ausgedrückt: aber ich
betrachte die Dinge doch ganz anders. Das, was hauptsäch-
lich in dieser Festrede hochgehalten wird, das ist die Hilfe,
die als treue Pficht zu erfüllen ivar bei dem Zustcmde-
kommeu unseres Deutschen Reiches. Jch sage ausdrücklich
die Pflicht. Dazu gehört aber auch noch etwas anderes,
was ich Jhnen erwähnen will. Diese große Verändernng
in Deutschland konnte nur erreicht werden durch den Sieg
des Heeres; die deutschen Waffen haben es geschaffen, aber
meine Freunde, wenn wir daran denken, so müssen wir zu
allernächst an den Einen denken, der dieses Heer geschaffen
hat. Sie wissen Alle, wen ich meine: Wir verdcmken es
Kaiser Wilhclm I. Wenn er nicht von Anfcmg sciner Re-
gierung an, seiner Regentschaft, ja noch früher sich dieser
Frage voll gewidmet hätte, so würde das nicht geworden
sein, was wir jeht besihen. Und ich will auf eine Zeit zu-
rückkehrcn, die weit — uiid gottlob weit — hinter uns liegt,
das ist die Zeit, in der das preußische Heer hier im Lande
auf den Wunsch des Lcmdesherrn Ordnung geschaffen hat.
Sie wissen, daß ich das gründlich erlebt habe, rmd ich er-
Wähne es nur, um Jhnen zu sagen: Jn dieser Zeit ist die
Grundlage gelegt worden für das, was wir heute besitzen,
denn der damalige Prinz von Preußen hat erkannt, daß
eine Organisationsberänderung notwendig ist und er hat
die Grundlage gelegt dafür, was nun das gesamte deutsche
Heer an Kraft und an Bedeutung heißt. Von da an hat er
nicht mchr nachgelassen, Alles aufzubieten, um dieses Heer
mehr und mehr auszubilden und ihm den Geist zu geben,
mit dem die große Kraft verbunden war, die wir leisten
konnten im Jahre 1870. Sie unterscheiden wohl, meine
Freunde, wenn ich sage: den Geist. Der Geist des Heeres
ist es überhaupt, der die Kraft ist, und so meine ich auch
das, was ich Jhnen vorhin gesagt habe: Der Geist, der ge-

schaffeii worden ist durch die Zcitverhältnisse, der führt Sie
auch jetzt zusammen, und an dem wollen ivir festhalten.
Nur Ivo dieser hohe und treue Geist herrschr, da Ivird anch
die Kraft sein, das zu erhalten, was geschaffen worden ist
und was wir uns geloben, meine Freunde, daß wir das
auch auf die jüngeren Generationen übertragen, damit sie
frühzeitig erkennen, was „Pflicht" heißt, und was noch
mehr die Pflicht ist: die Durchführung dessen, was gcboten
wird.

Jch habe Sie vielleicht etwas weit in die Vergangenheit
geführt, aber ich bin vielleicht einer der Wenigcn, die diese
Zeit erlcbt haben, und da lag mir daran, Jhnen in wenigen
Worten das vor die Seele zu sühren, was die vergangene
Zeit durch den großen Mann herbeigeführt hat, den wir so
oft hier besessen haben, verehrt habcn, und den wir auch
heute noch hochhalten in ganz Deutschland. Jch schließe
meine Betrachtungeii mit dem Gefühle grotzer Dankbarkeit
ab, denn das Gefühl, diesen Abend im Kreise treuer Waffen-
genossen begehen zu tönnen, dieses Gefühl erfüllt mich mit
inniger Freude und Befriedigung, aber auch mit einer blei-
benden Dankbarkeit. Nochmals rufe ich Jhnen zu, trachten
Sie darnach, daß die Jugend Jhnen nachfolgt, trachten Sie
darnach, daß die Jugend den Geist erkennt, von dem wir
eben sprachen, und helfen Sie mir Alle, wie Sie mir bisher
gcholfen haben, die Vereinigung der vielen Militärver-
einsgenossen im Lande festzuhalten und mehr und mehr zu
entwickeln. Jn dieser Empfindung rufe ich Jhnen zu, ein
einziges Ding wollen wir nunmchr zum Schlusse in die
Höhe heben dahin, woher der Segen kommt, der Segen,
durch den wir leben und sterben können: Jch bitte Sie mit
mir zu rufen: Das deutsche Heer soll leben Hurrah! Hurrah!
Hurrah!"

Freudig bewegt stimmten alte und junge Soldaten in den
Jubelruf ein. Der Großherzog zog noch viele Anwesende ins
Gespräch und verließ nach 10 Uhr die Festversammlung,
welche noch lange vereint blieb und sich an den Chörcn des
Männergesangvereins und den Musikvorträgen ciner Militär-
lapelle ergötzte.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 1. Mas.

X Seine Königl. Hoheit Prinz Georg Wilhelm von
Braunschweig-Lüneburg, ältester Sohn des Herzogs von Cum-
berland, ist mit Gefolge und Dienerschaft hier zu längerem
Aufenthalt eingetroffen und hat im „Europäischen Hof" Woh-
nung genommen.

** Großfürst Paul von Rutzland traf gcstern Nachmittag
2.31 Uhr aus der Richtnng von Basel hier ein und setzte um
2.36 Uhr die Reise in der Richtung nach Frankfurt fort.

0 Von der Universttät. Bei der gestrigen Jmmatriknlation
wurden inskribiert: in der theologischen Faknltät 15, in der juri-
stischen 193, in der medizinischen 7i, in der philosophischen 77
nnd in der naturwiffenschaftlich-mathematischen 50, zusammen 406.
Vorgemerkt sind weitere 127. Jm vorigen Sommersemester wnr-
den bei der ersten Jmmatrikulation 357 Stndierende eingeschrieben,
eine Zahl, die zuvor noch in keiner ersten Jmmatriknlation er-
reicht war. Die Zahl der Vorgemerkten betrng damals 59. Jn
diesem Sommersemester stellen sich beide Ziffern bedeutend
höher, sodaß eine starke Gesammtfreqnenz zu erwarten ist.

A Maikneipe. Der Studenten - Gesangverein „Schwarz-
bnrgia" begrüßte den Wonnemonat bei eiiier Bowlenkneipe auf
demKümmelbacherhof. Gegen halb 3 Uhr nachts kamen
die Musensöhne mittels Le.iterwagen wieder in Hcidclvergs
Mauern an.

Den Bemiihungen des ZentralausschuffeS des Odenwalb-
klnbs ist es gelungen, die Einstellung zweier neuer Züge in
den Fahrplaii der O d e n tv a l d b a h n zu crreichen, von
üeneii der cine Eberbach morgens acht Uhr in der Richtung
nach Wiebelsbach - Heubach verläßt, der Gegenzug abends
8 Ühr 36 Minuten dort eintrifft. Beide Zügc haben in
Eberbach Anschluß von denjenigen bezichungsweise an
solche der Neckarthalbahn erhalten, wodurch die Befriedigung
eines längst cmpfundenen Bedürfnisses und die Erfüllung
wiederholter Wünsche der Neckarorte wie auch die Erschließung
des ganzen östlichen Odenwaldes für dic große Zahl der
Toiiristen aus Heidelberg und Atannheirn sowie aus der Gegend
von Mosbach, Wimpfen usw. erzielt worden ist.

r. Französischer Vortrag. Jn erfreulicher Anzahl ver-
sammelten sich gestern Abend 6 Uhr in der Turnhalle der
Höheren Mädchenschule Freunde und Freundinnen französi-
scher Sprache und Litteratur, um einen Vortrag des Herrn
Professors Bornecque aus Lille über den französischen
Dramatiker Edmond Rostand zu hörcn. Herr Bornecque hat
schon vor zwei Jahren an der Mädchenschule einen Vortrag
über Marcel Prsvosts Roman „Les Vierges Fortes" gehalten.
und sich durch die Klarheit und Sachlichkeit, niit welcher er das
schwierige Thema des Romans, die Frauenfrage, behandelte,
schon damals ein gutes Andenken bei seinen Anhörern ge-
sichert. Sachlichkeit und Anschaulichkeit waren cmch die Vor-
züge des heutigen Vortrages, und es gereicht dem Vortragen-
den zu hoher Ehre, gleich zu Anfang zwischen Person und
Werk des Dichters eine strenge Scheidung vorgenommen zu
haben, welche es ermöglichte, den Werken gerecht zu werden,
wenn auch die Beweggründe, welchen sie ihrcn Ursprung ver-
danken, nicht immer unanfechtbar gewesen sind. Die Werke
Rostcmds, von welchen insbesondere das 1897 erschienene
Drama „Cyrano de Bergerac weit über Frankreichs Gren-
zen hinaus berühmt geworden ist, verdcmken ihren Erfolg
der bedeuiendcn Gestaltungskraft des Dichters, seiner reichen
Phantasie, der unvergleichlichen Beherrschung der Sprache in
Wortschatz, Rhythmus und Reim und nicht zuletzt der gründ-

sprächen dafür, daß es 11 n t e r o f f i z i e r e der vier-
ten Schwadron gewesen sind. Marten sei am meisten
verdächtig, da er von zwei Zeugen in unmittelbarer
Nähe der Kaserne gesehen worden sei, daß er stch noch-
mals in die etterliche Wohnung begab, um das Tele-
graphenbuch zu holen, sei unglanbhaft, da er gar nicht
nachgesehen habe, ob Veränderungen erfolgt seien. Sein
Nerhalten vor und nach dem Morde, das falsche Antreten
in der Reitbahn, seine Wut über jedes Aergernis verdäch-
tige ihn aufs schwerste. Es komme weiter in Betracht,
datz Marten aus dem Gefängnis ausgebrochen und
jedenfalls nicht freiwillig zurückgekehrt sei, da ein llnifor-
mierter nicht über die russische Grenze kommen könne.
Hickel mußte Marten als Deckung dienen, ohne seine
Mithilfe konnte Marten die That nicht ausführen. Hickel
ist Martens Schwager und war der einzige dienstfreie
Ilnterosfizier mit einem schwarzen Schnurrbart. Er
habe die volle Ueberzeugung, daß Marten und Hickel
die That begangen hätten. Doch angesichts des Grund-
satzes in dubio pro reo sollte man eine mildere Strafart
wählen. Er erkläre, daß er weder in den früheren Ver-
handlungen noch jetzt über die Schuld der Angeklagten
den leisesten Zweifel gehabt habe; er habe trotz des
eisrigsten Nachdenkens seine Ansicht nicht geändert. Er
sei aber auch heute noch der Ansicht, datz hier nicht Mord,
sondern nur Todtschlag vorliege; er sei überzeugt,Marten
habe den Entschluß, den Rittmeister zu töten, erst gefaßt.

als er Stumbries traf, in diesem Augenblick geriet er
wieder in Wut darüber, daß der Rittmeister ihn in der
Reitbahn schwer beleidigt habe; auch der Totschläger
könne vor der That kurze Zeit überlegen. So lange das
Gericht in Zweifel sei, ob Marten nicht mit voller lleber-
legung handelte, sei es seine Pflicht, nicht auf Meuchel-
mord, sondern auf Totschlag zu erkennen. Jch bin nicht
der Meinung, daß Marten und Hickel den Mord von
längerer Zeit vorbereitet haben. Hickel habe, da er dabei
stand, beziehungsweise Marten deckte, sich der Beihilfe
schuldig gemacht; das Gesetz gestatte bei Totschlag mil-
dernde llmstände, aber angesichts der Ungeheuerlichkeit
könne hiervon keine Rede sein. Die Angeklagten seien
noch wegen Meuterei zu bestrafen. Der Verteidiger
Burchardt geht eingehend auf die Rede des Staats-
anwalts ein und sucht die belastenden Momente zu ent-
kräften. Punkt für Punkt sucht er nachzuweisen, daß die
Zeugenanssagen nicht derart seien, um die Schuld des
Marten zu beweisen, er plaidiert in bewegten Worten
sür Freisprochung Martens. Der Verhandlungsleiter
fragt Marten, ob er persönlich noch etwas anzuführen
habe; Marten tritt vor den Richtertisch und spricht mit
lauter und fester, weinerlicher Stimme: „Jch kann vor
Gott und der ganzen deutschen Nation beteuern, daß
mein Gewissen rein ist; ich schwöre zu Gott dem All-

mächtigen und, Allwissenden, daß ich völlig unschuldig

bin und wiederhole meinen Schwur, so wahr ein Gott
im Hirmnel lebt." Der Verteidiger Horn sucht den
Nachweis zu führen, daß gegen Hickel doch nur schätzungs-
weise Zeitangaben angeführt seien; dabei könnten Jrr-
tümer vorkommen. Durch die Zeugeu Bunkus und
Schiedel ist nachgewiesen, daß Hickel länger als zehn
Minuten vor der That im Stalle war. Hickel verstchert,
daß er unschuldig sei, er erwarte mit Zuversicht seine
Freisprechung. Die Verhandlung wird sodann bis 5
llhr nachmittags vertagt.

Der Vertreter der Anklagebehörde beantragte gegen
Marten wegen Totschlags 12^ Jahre
Zuchthaus, Ausstoßung aus dem Heere, Degrada-
tion, Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes
und drei Jahre Ehrverlust; gegen HickeI wegen B e i-
hilfe 6 Jahre Zuchthaus, Ausstoßung aus
dem Heere, Degradation, Versetzung in die 2. Klasse des
Soldatenstandes und zwei Jahre Ehrverlust.

Gumbinnen, 30. April. Beidc AngcUagte
wurden von der Anklage des Mordes nnd der Mcuterei
frcigcsprochen.

— Rücksichtslose Berwandtschaft. Junger Zahnarzt (zu
seiner Frau): „Jetzt sind wir schon fünf Monate verheiratet,
und noch nicht ein einziger von deiner grotzen Berwandtschaft
hat sich einen Zahn ziehen lassen!"
 
Annotationen