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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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mache Jhnen ja daraus kcinen Vorwnrf- aber ich sage in
Konsequenz Jhres AnrragcS: die Alrtatholiten in Bayern iver-
den alS^ öffentliche Religionsgcmeinschafr nicht anerkannt.
Älle Versuche zu Zugcständnisscn in diescr Richtung scheiterten
an dem Widcrspruch dcr Regicrung, bcziehungsiveise der katho-
lischen Parlamcntsmehrheit. lWiderspruch im Zentrum.)
Jn Passcm dürfen die Altkatholiken in ihrer Kirche nicht die
Glocken läuten. Die päpstliche Bulle Pon 1868 gegen das
österreichische Staatsgesetz ist ein Jntoleranzgesctz, ein hochof-
fizielles. Weshalb üußert sich Dr. Bachem nicht dazu. Eine
philosophische, einc dogmatischc Jntoleranz zugegeben, aber
auf katholischer Seite lvird der Besitz der Wahrheit nicht als
etwas Jnnerliches betrachtet, sondern daran zugleich eine
äußere Art einer ganz bestimmten Iveltlichen Organisation
geknüpft. Die Ivelthistorische Frage des Verhältnisses von
Staat und Kirche, die sich in viclen Jahrhundertcn entwickelt
hat, wollen Sie in scchs Zeilen lösen? Jhrc Einheit der Kirche
ist nicht bloß einc rcligiöse Sache, denn sie knüpft sich an
eine ganz bestimmie wcltliche politische Organisation.

Wehrings neue Aröeiten üöer Huöerkuöose.

Marburg, 80. Apiil. Seit dein Tage der bekanuten
Rede des Geheimen Rats von Behring in Stockholm
gelegentlich der Berleihung des Nobelpreises wartet die
Welt mit Spannnng auf eine erste eingchende Veröffent-
lichung, die iiber feine Forschnngen auf dem Gebiete
der experimentellen Therapie, speziell der Tuberkulose-
bekämpfung, berichten soü. Dies Buch erscheint fn diesen
Tagen bei Elwert in Marburg. Der „Berliner Lokal-,
anzeiger" ist schon heute iu der Lage, Folgendes zu be-
richten: Das Buch giebt in kurzer, übersichtlicher Form
eine Zusammenstellung der in den Marburger Jnstituten
des Professors von Behring in den letzten sechs Jahren
ausgeführten Forschungen über die Tuberkulose. Die
Einleitnng enthält eine Zusammenfassung der im ersten
Teil —- Kapitel 1 und 2 — von den Verfassern unter
Beigabe zahlreicher interessanter Tierprotokoüe, Tabel-
len usiv. näher erläuterteu Versuchsergebnisse, von denen
als besonders bedeutsam die Mitteilungen über die Na-
tur des Tubertnlosegiftes, die llntersuchiingen über die
Beziehungen zwischen den vom Menschen und den vom
Rinde stannnenden Tuberkelbazillen und vor allem die
gelungenen FinniunisierungSversuche gegen die Tuber-
kulose bei juiigen Rindern hervorzuheben sind. Die von
an Tuberkulose erkrankteu Menschen und dem Perlsüch-
tigen Rinde gewonneneii Tuberkelbazillen sind nach der
Anffassung der Verfasser als a r t g l e i ch anzusehen.
Die morphologischen und biologischen llnterschiede in
Aussehen, Wachstum und Virulenz erklären sich durch
das Anpassungsvermögen der Tnberkelbazillen an die
Lebensbedingungen des betreffenden Organismus. Die
Artgleichheit des Tuberkelbazillus vom Menschen und
Rind wird autzer anderem bewiesen durch die chemisch
und physiologisch gleiche Natur des vou beiden hervor-
gebrachten spezifischen Giftes. Für die Artgleichheit
spricht ferner die Thatsache, datz es gelingt, durch Vorbe-
handlung mit Tnberkelbazillen menschlicher Herkunft bei
Rindern Jmmunitüt gegen die Jnfektion mit Rinder-
tuberkelbazillen zn erzielen. Alle aus der Leibessubstanz
der Tuberkelbazillen gewonnenen Giitpräparate haben
einen gemeinschaftlichen Giftkern, ohne welchen keincr
Snbstanz die spezifische tuberkulöse Giftwirkung eigen-
tümlich sein kann: das sogenannte T u b e r k u l o s i n.
Als bedeutsamsterErfolg für diePraxis ist hervorzuheben,
datz es von Behring gelungen ist, durch Vorbehandlung
mit lebenden, schwach virulenten Tuberkelbazillen jun-

gen Rindern eine derartige Widerstandsfähigkeit gegen
die tubertulöse Fnfektion zu verleihen, üatz sie die Ein-
verleibung von stark wirkenden Tuberkelbazillen, die für
nicht vorbehandelte Kontrollrinder unbedingt schädlich
sind, schadlos überstehen. Dieser Erfolg ist fiir die
Landwirtschaft von solch weittragender Bedeutung, datz
schon fetzt umfangreichc Impfungen in der Praxis znr
Jmmuiiisierung der Rinder stattfinden.

Nrrdunkel'ung der KonzerLräume.s

Uebcr Verd u ii k c l u u g der K onzerträ u m c
spricht Paul Ehlers - Königsbcrg in der fünftcn Nummcr
der Münchencr Monatsfchrift „Dic Gescllschaft", anschliehend
an die von Wilhelm Holzamer im vergangenen Winrcr ge-
gebenen Anregungen. „Man tönnni ins Könzert, nm zu hörcn,
und nicht um zu sehen." Dieser scheinbar selbstverständliche,
in Wirklichkeit aber nicht für alle Konzcrtbcsuchcr geltcnde
Satz — man denke an die vielen Operngläser im Konzert-
saal — liegt Ehlers Ausführungen zu Grunde und er Ivill die
Mittel zeigen, nm dic vollkommenste Konzentrierung der
Siimmnng, das heißt dic Bereitung der Sinne zu einer mög-
lichst imgestörtcii Anfnahme der Musik hcrbcizuführen. Die
großc Mehrzahl nnserer Konzertsäle entbehrr jedeS inrimen
Stimmungscharakters nnd eignet sich eher zu Bier- und
Tanzlokalen als zu Stätten ernster Kunstpflegc. Aber nicht
nur das prosaische Aeußere dcs Konzertraumes stört das reine
Genießen, auch mancherlei andere Eindrücke lenken uns von
dcr Hauptsachc, der Musik, ab, nnd zlvar sind das zu aller-
meift Eindrückc, die der Gesichtssinn cmpfängt. Das Auge
ist der Feind des Ohres. Schon das grelle, den Augen ivohl-
thuende elektrische Licht stört empfindlich, ebenso der „trivial
berührendc" Anblick dcr Zuhörerschaft und deren Gebahren.
Jedc auffallende Bewcgung, jede interessante Gestalt vermag
oft den aufmcrksamsten Zühörer abzulenken. Da es nun nicht
jeder über sich getvinnen kann, für die Daue^ cines Musik-
stückcs die Augen zu schlicßen und die Menschen nicht alle gleich
disponiert sind, die Musik trotz aller Störungen in voller
Kraft auf sich Ivirken zu lassen, müssen wir die beste Allgemein-
bedingnng schaffcn nnd dies geschieht dadurch, daß wir den
Saal durch Abdämpfnng des Lichtes bis auf einen sehr matten
Schimmer verdunkeln. Aber selbst wer sich so in der Gewalt
hat, daß er nur dic Vorgänge auf dem Podium beachtet, widmet
unwillkürlich einen Teil seiner Aufmerksamkeit Dingen, die
sich vor seinen Augen abspielen und daher die Mnsik nickit
zu intensiver Wirkuug kömmen lassen. Es stören die mecha-
nischen, oft komisch Ivirkenden Bewegungen der Dkusiker, über-
haupt „der ganz sondcrbar sich bewegende Hilfsapparat ciner
orchestralen Produktion" wie sich Richard Wagner ausdrückt,
der ja zuerst (mit Grctrh) auf den Gedankeu kam, das Theater-
orchester zu versenken. So kommt Ehlers zu dem Satz:
„Die Un s i ch t b a r m a ch u n g des Orchesters und die Ver-
dunkelung des Konzertranmes gehören zusammen" und kon-
sequenterweise geht er dazu fort, auch die Plazierung dcr
Solisten hintcr einer „Schallwand" zu fordern: „Es gicbt sehr
viele Virtuosen, besonders Klavierspieler, deren Anblick, giebt
man sich ihm cinmal hin, sehr stark von der Musik abziehen
kann, so grotesk wie er ist. Man darf auch nicht von ihnen
verlangen, daß sie gleich den bekannten Schaudirigentcn immer
auf eine interessante Pose oder eine einschmeichelnde Bewe-
gung, auf cin elegantes Exterieur bedacht sein sollten; je mehr
sie an ihrer Produktion iuneren Zlnteil nehmen und jc mehr
sie es darauf anlegen, alles ans cincm Stück herausznüolen,
desto mehr laufen sie Gefahr, „im Schweiße ihres Ange-
sichts" auf die verwunderlichsten Stellungen und Grimassen
zu verfallen. Wie manches Orchesterftück habcn wir schon
rühmen hören, weil ein wild herumgeworfenes Haupt, ein
Schleifer der vornehmen weißen Hand das Nuge des Hörers
für den Dirigenten eingenommen hatten, wogcgen wir, die
wir mit geschlossenen Augen nur die Töne zn uns sprechen
ließcn, gar manches auszusetzen fandcn. Ich glaubc, der
eine oder der andere gefeierte Kapellmeister würde vicl von
seiner gepriescnen „Genialität" verlieren, wenu er sich beschei-
den, wie Wolfrn m in Heidelberg, der Schöpfer des cbenso
eigenartigcn wie ergreifenden WeihnachtsmysteriumS hinter
einc Wand verkröche, und ebenso glaube ich, daß mancher erst
dann nach Gebühr erkannt und gewürdigt würde, an dem der
naive „Hörer" jetzt die eckigen, häßlichen Bewegungen vcr-
urteilt."

Sodann kommt Ehlers zu sprcchen auf Professor
Wolfrums r c f o r m i r e n d e Thätig ! cit in den
Konzerten des Bach-Vereins. „Er war eben dcr Künstler,
der sich nicht gescheut hatte, mit der bedeutsamen Aendernng
des verdcckten Orchesters im Konzertsaale den scgensreichen
Anfang zu machen." Anschließend an dic Anfführung des
Weihnachtsmysteriums anf der letztjährigen Tonkünstlerver-
sammlung zu Heidelbera wird nun dic Unsichtbarmachung des
Orchesters und der Solisten in den hiesigen Kirchenmusikauf-
führungen in dcr Peterskirche eingehend besprochen nnd Prof.
Wolfrums Neuerung, die er gelegentlich einer Aufführung
von Bruchstücken äus „Parsifal" schon im Jahre 1862 auch
im Konzertsaal zur Nüwendung brachte, als vorbildlich bezeich-
net. Seinen höchst lesenswerten Aufsatz schließt Ehlers mit
den Worten: „So wirkt nun drunteu in Heidelberg ein echter
Künstler still im Dienste Cäciliens. Wo blciben aber dic
„berühmten" Dirigenten, wo die Großstädtc, nm dicse That
anch auszuführen? Das Beispiel Wolfrums zeigt uns klar,
daß die Sachc mit gutem Willcn gemacht werdeu kann, und daß

sie von Erfolg begleitet ist. Wo schon eiuer den ersten Schritt
gethcm hat, darf es für andere nicht schwer fallen, zu folgen.
Aber freilich, die liebe Eitelkeitl Und — nicht zu vergessen
— die Gewvhnheit, unsere Amme!"

Weater- und Kunstnachrichen.

Frankfurter Schauspielhaiis. Die Pariscr Gesellschaft,
welche mir Mme. Jane Hading im Frankfurter Schau-
spielhause am 8. Mai „Les Demi-Vierges" (Halbe Unschuld)
von Prevost und am 9. Mai „Le Maitre de Forges (Der
Hüttenbesitzer) von OHUet zur Aufführung bringen Ivird,
wird die nachfolgenden Namen in Paris renommierter schau-
spielerischer Kräfte enthalten: Mmes. Florentine Roybet, Mar-
guet-Loisel, Lucie Remy, Gallais, De Verteuil, Floriau,
Croissy, Jane Loria, Daspremont, P. Caters, la petite Rey-
monde, MM. Marquet, Pouctal, Mondos M. Lagrange, Sar-
borg, Pcrrer, F. Barre, Franck, Rivers, Romey, Lenoir, Lin-
vale, Georget, Androt und Germain.

Lltterarisrües

1-V. Wilkens, Bleibet im Herrnl Ein Worr auf den Le--
bensweg. 2. Auflage. Oldenburg, Verlag vou G. Stalling.
Dies Büchlein des Oldenburger Paftors kaun als Gabe, die
man einem jungen Konfirmauden reicht, recht wohl empfohlen
werden, besouders da die Ausstattung gut und dcr Prois cin
geringer ist (106 Seiten, 50 F)._

Berantwortlich für den redattionellen Lctl K. Monrua, für deu

_Jnseratenteil Tb. Berkenbusch. beide in Heidelberp.

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ich mir an starr gewürzten Gerichten den Mageu verdorben
habe. Und dann wird stets ein kleines, liebes Frauchen da
sitzen, das wohlthätige Gebräu bereit halten uttd mich hübsch
warm zudecken und pflegen, bis der verlorene Uppetit wie.der-
kehrt. Siehst du, das denke ich mir reizend."

„Wenn du dich nur nicht verrechnestl Keine Frau, sie
mützte denn eine vollständige Jdiotin sein, bleibt gleichgültig,
wo es sich um ihre unwiderleglichen Ansprüche nnd um ihre
ehelichen Rechte handelt."

„Jch könnte dir Beispiele anführen — aber da sind wir

jal"

„Hier wohnt Breuer?"

„Hrer wohnt er."

Das zwcistöckige, uicht sehr große Haus sah recht unan-
sehnlich, alt und verräuchert aus.

Dr. Orb drückte auf die Klingel. Bald darauf wurde
der Vvn innen steckende Schlüssel zweimal umgedreht und
ein schwercr Riegel zurückgeschoben. Die Thüre öffnete sich
aber nur fpaltbreit, da innen eine starke Sicherheitskettc vor-
lag. Ein fast unheimlich großer Kopf, von einem dicken Wulst
grauer Haare umgeben, schaute durch die Oeffnung und eine
barsche Stimmc fragte: „Wer ist da?"

„Dr. Orb mit cinem guten Freunde", lalitcte die heitere
Antwort. „Nur aufgemacht, alter Cerberusl Wir tragen
bie Höllenschätze, dic du bewachst, nicht davon!"

„Entschulbigen Sie, Herr Doktor, aber es giebt so viel
Raitbgesindel. Da kann man nicht vorsichtig genug sein."

„Natürlich! Ilnd zu holen wäre ja am Cude was hierl"

„Machen Sie keine schlechten Späße, Herr Doktor. Die
Mauern haben Ohrcn. Man weiß nie, Ivo ciner lanert und
lauscht."

„Die Straße ist wie ausgefegt, ehrlicher Klaus."

„Zu so später Stimde läßt der Herr nicmand mehr vor."

„Wemi du aber meinen Nameu nennst, macht er gewiß
eine Äusnahme. Da, nimm, damit du nicht allzu sehr
knurrst I"

Orb reichte ihm ein Zweimarkstück hinein.

„Will sehen, was sich machen läßt!"

Die Thüre blieb eingehakt. Schwere Tritte enlfernteu
sich und kamen uach kurzer Zeit wieder. Dann wurde die
Sicherheitskette zurückgezogen und die beiden Freunde durften
eintreten. Hinter ihnen drehte sich der Schlüssel wieder zwei-
mal im Schlosse um, begleitet vo» dem schrillen, häßlichen
Ton des vorgeschobcnen Riegels."

Eine steile Treppc führte empor. Der Diener, eine wahre
Herkulesgestalt, ging voran und trug die Lampe, welche ihr
flackerndes Licht a»f die braunroten, abgetretenen Holzstnfen
warf.

Heimlich lachend, stieß Orb seincn Gefährten an.

„Was meinst du zu diesem vierschrötigen Burschen?
Er lst wcnigstens noch einmal so alt wie ich, hat aber Fäuste,
die eine» wilden Sticr niederschmettern könnten. So lange
der Breucrs Haus bewacht, ist dcr Alte ivohl geschützt."

Herbert cmtwortete ihm uicht. Jhm war seltsam beklom-
men zu Muke. Am liebsten wäre er gleich wieder umgekehrt.
Das Haus mußte uralt sein. Dic halb zerbröckclten und
teilweise schon ganz farblosen Wandgemälde verzerrren sich und
iu dieser seltsamen Beleuchtuug ius Fratzenhafte; mehrere
dunkelbraun gestrichene und mit Vorhängeschlössern verseheue
Thüren links und rechts am Eingange des Korridors sahen
aus, als führten sie zu Grabgewölben.

„Hierl" sagte Klaus und ließ die Herren in ein elegant
möbliertes Zimmer treten, das den Einblick in ein zweites,
bedeutend größeres gestattete. Dieses glich einem Museum.
Nltertümliche Krüge, Vasen, Uruen uud Trinkgefäße stauden
dicht neben cinander. Waffen, die aus längst verflossenen

Jahrhunderten stammten, kunstvoll ausgeführte Stickereien,
Altardecken, vergilbte Spitzen von hohem Werte, Bilder,
Schmuckgegenstände, Möbel und Uhren aus der Rokokozeit
waren da in buntem Durcheinander zu schauen.

Hinter einem dicken, in schweren Falten niederwallenden
Plüschvorhang, der jetzt halb zurückgezogen war, führte eine
Wendeltreppe nach dem oberen Stockwerk, wo sich Breuers
Wohnräume befanben.

Er kam eben diese Treppe herunter, ein hageres Männchen,
mit kleinen, stechenden Augen, schmalen, sarbloseri Lippen und
spärlichem Harwuchs.

Dr. Orb wurde etlvas familiär von ihm gegrüßt und dann
fragte er eifrig: „Was steht zu Diensten? Jch kamr gegen-
wärtig mit Dingeu aufwartcn, die jedem Salon zur Zierde
gereichen I"

„Ia, ja, natürlich. Sie kamen wohl erst kürzlich von einer
Reise zurück?"

„Ganz recht, und ich habe wahre Schätze mitgebracht.
Jst es Jhnen gesällig, so —"

„Diesmal handelt es sich um etivas anderes, lieber Breuer.
Mein Freurrd, Herr von Werther, ist in Berlegenheit geraten,
aus dcr ich ihn vorläufig nrcht zu befreien bermag. Später —"

„Ja später! .Der Herr Doktor machen eine glänzende
Partie."

„Wie ein Mediziner sie heutzutage, wo es wenrger Pa-
tieuten als Aerzte giebt, schon machen mußl"

Eiu häßliches, srivoles Lachen tönte von den Lippen deS
alten Mannes.

„Freilichl Freilich! Das Mädchen rst die Neben- und die
Mitgrst die HariptsaKel"

(Fortsetziing folgt.)
 
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