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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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S-msliig. 31. Mai 1W2.

Jweites Blatt.

44. Jührggng. — 124.

ichein
eic

t täglich, Sountags ausgenommen. — Preis mit FamMenblattern monatlich bv Psg. in's Haus. yeLsacht, bei der Gxpedition und den Zweigstellm abgeholt 4V Pfg. Durch die Post be»

zogen vierteljahrlich 1.35 Mk. aussch/r-chlich Zustellgebühr.

^ ^lg. für die Ispaltige Petitzeile odcr devrn Raum. Reklamezeilc 40 Pfg. Für hiestM Oeschäfts. und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Anfnahme von Anzeigen °n bcstimmt
^^nedcnen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den PlaZatLrfeln d-r Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Rr. 82

^ 2n immer vekere KrÄ5e

äsr RsiosthaltiAsteit, 6er sorAkältiASL
^^tiov unä 6er soimslleii LsrieliterstattullA äer

, "Döelberger /leilung"

5g s>fg monatliok sinsotiliksMvii Ii-ägepIolM.

Ullä Reioli, joäöi Lürger sielit mit äer ^eit
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^eituu^ bringt alles ^Visseusrverto, ist us-
unä öffuet ilire Kpalteu Fviue jväoni Ae-
^! SLeblielieu Ilrteü.

^ „Leiäelberxer 2eituuA" ist »Ilvlnlxr«»'
b^vr^üoäiAor uuä Xroisbiutt iu LeiäelboiA. I>s«
^ cisr ToituuA bovvsbrt äsu Lürxor vvn 8ts.ät
vvr ullliobssmou KtiLkou, äio uisu sicb
Itzj^i ^ubouutllis LMtliobor LostslllltwsoliullAou
^bttl ,^^^iokoll bsnll. Rur äio 2oituuZ briuZt üLv
^bou 8oirSUUtMLoIlUUA6ll.

ver

llnt«!'« bksvlLLi'sLvssss LL.

Agrarmorde m IrLand.

A> ^ ^rlLiub gehöveo Laubcmsäüo nnd Ranbmord
^iiia. ^tercheiten; Irlaud ist in der That durch die
Zahl der schwereu Verbrechen vor aüon anderen
r'os Vereinigte» Königreichs ausgezeichnet — 'so
deps -5.^ «s dort keine agrarische BLwssmig;giÄbt. Mrt


tr,

tiiutritt idLrselbcn ^ändert sich dio Sachlage, und

'°rde

?8eu

und Btordverfuche, Gewaltthaten, Brandstif- s

behxii" wid VerstummelnngLN von Vieh nehmen dann,
t>c>s, > s'eui Boylottieren, m so arger Weise iihcrhand,
bisi ^tand balü in Bezug cmf Verbrechen im Vergleiche
^Unstj " Drigen Teilen Les KönLgveichs eine sohr un-
bicjg 5? StLÜnng -einnimMt. Dazu gesellt sich noch, dasz
siih^ "^ser Gewsüthaten niit emer Graxsamkeit voll-
tgdx,, uzcrden. die unter Len zivLWerten Völkern ge-
' "uerhört ist nnd tiefc Schatten ans den keltischen
bvq."°r wirft. BiSher war die nene Agvar-Agstation
s.°hkott^ren Verbrechm aufsWig frei. Es -wnrde wohl
Mehverstiinrnielwigen, namentlich das be-
."^Ichneidcn der Zunge, Wschneiden dec
i 'gegH^' von Pferden nnd Rindern, Ausstechen der
°vr ^Und andere -derartige Bestialitäten kanLen auch
Riodecbr»nen vou Farmen und körperliche
deit^^°^uuMn hildeten jedoch ganz vereinzelte Fälle.
-°N ^rhängnng Ses Ansnahmezustandes Wer die
">be> - ^En A, rarbewegung ersaßten Grafschaften
iD^lch'ue morkli 'e Wendung zum SchlinMeren ein-

getreten, wie Lies von der Natie-iAMga 'warnend vor-
ausgesagt wurde. Ikus drin Wesirn Srlands werden
nun ein Mord und MorÄoersuch gLineldLt, die lebhaft
an die Vorgänge während der bewegten Zeiten zu An-
fang der achtzrger Zshre Lrinnerm Die Polizei in Kil-
larney ist boykottiellt und ihr DiLnfte zn leisten ist ver-
boten. Eine Mtwe »crme«s EmWe MvrÄan, die anßer-
halb der Stadt iu einer «nsam gelegenen Hütte wohnte,
trat tvotzdem ols Schenerfrau rn Lau Dienst der Boy-
kottierte« nnÄ lich die Hr deshalb zygegangenen War-
NIMWN nnd DrolKMgM nnbeachtet. Äls sie am Sonn-
tag MsrGe» niüst erschisn, nm die Hr obliegendcn Ar-
beite» M Der-richtkW, beMb rmm fich nuch ihrcr Hütte,
nttd faNd ÄL- arme Frmr im Kachtkleide mit eingeschla-
genem- Schädel nnd andcrweitig verstümmelt, tot in
einer MnÄüiche Boben ihrem Bette liegcn. Da nichts
- geraiM war, handelte es sich offenbar um einen Agrar-
mord. Bisher fehlt, wie fast immcr bei dieser Art von
j Derbrechem, fede Spnr zur Unffindnng der Thäter. In
derfelben Nacht ttmrde bei Woodlawn in 'der Grafschaft
, Galwan nuf den .stntscher des gleichfalls üoykottierten
s Barontz Afytown, der in Str-eiligkeiten mit seinen
s Päästern geraten ist, im Schlotzpart 'dreimal geschossen.
Znm Glüik blieb der Mann nnvertetzt. Vvn deir Thä-
kern sehlt anch in diefem FaÜe fede Spnr.

Deutsches Reich.

— Ueber seltsame Geschäftspraktiken einer
bayerischen Firma wird berichtet: Die Bleistiftfabrik
Johann Faber A.-G. in Nürnberg hat an polnische
Kauflcute in Russisch-Polen ein Schrerben gcrichtet, worin
es mit Bezug auf den Boykott dcutscher Waren in Polen
heißt, für gewisse Vorfälle in Preußisch-Polen selen nicht
die deutschen Jndustriellcn, sondern die tköniglich preußische
Regierung verantwortlich; die Bleististindustrie sei aber
eine spezifisch bayerische und die bayerische Regie-
rung habe gar nicht das Recht, in Angelegenheiten zu in-
tervenieren, welche im Königreich Preußen vorkommen. Die
Bayern könnten gewisse Vorkommnisse Zwar beklagen,
aber in keiner Weise bceinflussen, sie würdrn von dem Boy-
kott in ganz unschuldiger Weise in Mitleidcnschaft gezogen
und die polnische Presse wäre darauf aufmerksam zu machcn,
einen Unterschied zu machen zwischcn antipreußisch und
antibayrisch. — Man hoffte immer noch, daß sich dieses
ganz unglaubliche Schriftsiück als eine FLlschung entpuppcn
würde, aber bis jetzt ist eine Aentzcrung der Johann
Faber-Aktien-Gesellschaft nicht erfolgt. Nicbt einmal die
Entschuldigung hälte die Gesellschaft, daß die Not sie ge-
ckrieben habe, denn diese Akliengeseüschaft zahlt zwischen 15
und 16 Prozent Dividende. Der Kurs der Aktien steht
auf 230.

Lehe bei Brcmerhaven, 27. Mai. Die fünf
foz ialdemokratisch e n Mitglieder des hiesigen
Stadtverordnetenkollegiums sind, weil sie stch einem Be-
schlutz des sozialdemokratischen Vereins nicht fügen woll-
ten, vom sozialdemokratischen Verein für die drei Hafen-
städte Bremerhaven-Geestemünde-Lehe ausgeschlossen
und zur Mandatsniederlegung aufgefordert worden, und es
soll beün Parteivorstand in Berlin ihre Ausschließung aus
der Gesamtpartei beantragt werden. Die Gemaßregelten

wollen in eincr von ihnen cinbeiufenen öffentlichen Ver-
sammlung die Entscheidung ihrer Wähler anrufen. Es
zeigt dieser Vorgang auf's Neue, daß bei der Sozial-
demokratie viel weniger Freiheit herrscht, als bei den
anderen Parteien. Mitglieder anderer Parteien können
sehr wohl eimnal in einer Sache einen Standpunkt ein»
nehmen, dcr von der Mehrheit der Partei nicht geteilt
wird, ohne daß ste deshalb von Partei wegen angefochten
werden. Die Sozialdemokratie ist abcr gleich mit der»
Scherbengericht bei der Hand.

Bade«.

— Eine etwas peinliche Frage wurde dnrch die in der
II. Kammer anf den Offenburger Krcisschulrak Bopp
gerichtcten Angriffe aufgcrollt. Die Regierung will auf
dem Wege der Disziplinaruntersuchung gegen
Bopp ermittcln, was an der Sache Wahres ist. Das ist-
ihre Schuldigkeit. Zu diesem Zwecke sollen die Abg. Muser
und Gcck ihre Gewährsmänner nenncn. Können und dürfen
l Sie dies thun S Auf der einen Seite ist es Pflicht, eincm
angegriffencn Ehrcnmann den Weg zu seiner Rechtfertigung
nicht abzuschneiden. Anf der andern Seite handelt es sich um
vertrauliche Mitteilungen an Abgordnete und solche erheifchen
doch auch eine gewisse Rücksicht. Die Mcinungen gehen
deswegen auseinander. Der „Volksfr." sagi, cs liege kein
Grund vor,dieGewährsmänner zunennen. Der „Bad. Beob."
dagegen ist für Nennung und weiß zu berichten, der Abg.
Muser habe sich bereit erklärt, sein Material behufs
weiterer Untersuchung zur Verfügung zu stcllen und dazu
gchöre auch die Nenmmg der Gewährsmänner.

AusLand.

Rußland.

— Großfürst Konstantin Konstantiuowitsch
ist, wie aus Pctersburg tclcgraphisch mitgeteilt wird,
infolge geistiger Ueberanstrengung an einem neuralgischen
Kopfleiden crkrankt, dessen bisherigcr Verlauf jedoch keinen
Anlaß zur Besorgnis bietet. — Großfürst Konstantin ist,
wie der Zar Alexander III. es war, :in Enkel Nikolaus I.
Er ist am 22. August 1858 geboren und seit 27. April
1884 mit der Plinzessin Elisabeth von Sachsen-Altenburg
vermählt, die ihrem lutherischen Glauben trcu geblieben ist.
Der Ehe sind fünf Söhne und eine Tochter entsprossen.
Großfürst Konstantin, der Prästdent der kaiserlichcn Aka-
demie der Wissenschaften in Petersburg und Chef der
Militärschulen ist, zählt zu den hervorragendsten Geistcrn
Rußlands. Er hat Dichtwerke von Bedeutung geschaffen
und genießt als Persönlichkeit von Herz und Charakter all--
gemeine Sympathie.

Asien.

Shanghai, Mitte April. Vor einiger Zeit schickte
der Vizekönig Iuan Schih-kai eincn auf der Militärakademie
von Tientsin ausgebildeten chinesischen Offizier als
gewöhnlichen Kuli verkleidet in die Mantschurei,
damit er dort Erkundigungen über die Stärke der rus-
sischen Truppen einzöge. Der betreffende Mann ist seiner
Aufgabe in umfangreichstem Matze gerecht geworden, denn
in seinem Bcricht an den Vizekönig finden sich die

Auf abschüssiger Bahn.

Roman von B. Corony.

, , (Fortsetzung.)

hgh! ihin driimcn iu der Stadt einen Auftrag be-
°lü b,ii' Davon darfst du avpr nicht-t rcden. Jch habe ihm
-WEs'en!"

L -^eii, ^" lemand watz schuldig?"

^ber dort giebt's emen, dcr ihm immcr wieder
x,°er ^ dem bgy, jchon die ganze Wirtschaft hier gchört.
d?' Ww '"michcn Zcitcn nimmt der Veit auch wiedcr vicl
tr>? bczahlt cr gehörig ab — weitzt du? Und

hjü Und Bodcn hicr, wo jährlich viel Fremde zuziehen,
iii>. ^ LveLtdr>sl>i- >1112 Und wenn — aber

^ertvoller. Verstchst du?

-R^lüerr dtch ja „icht —"

!di, "^ein °ch weiter l"

^ lleüxx' M viel schwatzen thut lücht gut.

"-Lcx ->?°ch cins.
"Äch 'st leer.

"tznü "b Ihn wieder

Trinken

' sch bezahle morgen oder übermorgcn."

'hn wiedex füllen."

..

^eich brachte noch mehr von dem heitzcn Gctränk,
sio "Älch^Wurst, Käse nnd Brot.

°Ste -i Zvas hgst pn in der Stadt driimcn gcmacht?"
von neuem.

"Isti,, § 8"t scin."

s<hi^^ann>?"?°.der Du sagst's mir, oder ich gehel"

Itz.V miij! s" wisscn, aber verraten darfst' nichts, >on>t
°il, "tif m?-" ^eit fort. Also — dcr Dachswirt besorgt
'ci- " Psandcr. weitzt? Jn Berlegenheit ist ja bald mal

"Hi,

die was Wertvolles

iv kommen doch keine Leute her,

hsetzen haben." vxx Diehl

herkommcn thun's sch°"

geht hin odcr irifft cmdcrswo mit ihncn zusammcn. So
treibt cr's icho.n scit Langen Jahren. Abcr jetzt — schau ihn
Dir mal an — jetzt wird er zn fett, zu alt imd zu faul imd
braucht cineii, dcr statt feiner in dic Stadi fährt."

„Zu wem denn?"

„Da ist so'n Rückkaufsgeschäft vou Brruer. Gcstern hab'
ich zwei silberne Humpen, einen Brillantring nnd einc Vor-
ftecknadcl hingcbracht. Aber das darf nm Gotteswillen kcincr
crfahrcn. Der Vcit hält darauf, datz mau glaubt, cr giebt
das Gcld her, wcitzt? Wcil er dcmu doch uoch so seinc Nebeu-
einkünfte bczieht. — Also der bringt die kurzen, dicken Bciiie
nicht mehr so vorwärts. Zwei Mnmr müssen ihn in dic Höhe
heben, wcnn er auf scinen Korbwagen steigen will. Und des-
halb hat er mich gestern gerufen und gesagt: „Mathias, ich
hab' Dir schon aus manchcr Pcüsche gcholfen, kann ich mich
jetzt auf Dich verlassen? Dein Schaden soll's nicht sein." —
„Ja, ja, Herr Diehl," hab' ich gcantwortet. Na, imd da ist
cr mit seinem Anliegen herausgernckt, vcrftchst? „Mutzt abcr
dcm altcn Blutaussagcr tüchtig zu Lcibe gchen und uicht gleich
mit dcm ersten Angcbot zufriedcn sein," hat cr mir noch etn-
geschärft. „Werd's schon machcnl" war mcine Redc und
siehst, wie klug ich mich angcstellt habc? Hätt' mir sonst der
Geizkragcn zwei Thalcr gcschenkt?"

„Nciu — und bei dcm Breuer kann man sich also ctwas
auslcihcn?"

„Ja, wcnn man noch was zn vcrsctzen hat. Bci dcm
giebt's Gcld, sag' ich dir — Geldl"

„Das Vich und die Accker gchören mir."

„Willsckn wohl auch anpumpcn?"

„Wollcn? Ncinl Aber wenn's sein müßt — cs geht ja
bergab niit mir, Marburg, furchtbar bcrgab —"

„Schau, schau, — so was hab' ich auch schon gchört."

„Am besten wär's, ich jagte mir einc Kugel durch dcn
Kops."

„La, la, la, nicht so hitzigl Zum Sterbcn ist alleweil uoch
Zeit,"

„Wo wohnt der alre Wucherer?"

„Dcr wohm — wartc, ich schreib's dir auf. Jetzt mcrkst
dir dic Adresse ja doch nicht. Aber datz dn still darüber bist,
Just!"

„Ja, ja, ich bin's schon!"

„Das iLchtbatzen hat ja auch gar keiuen Zwcck. Wcim mich
dcr Dachswirt fortschicken ihät', mützt' ich wieder zu euch kom-
mcu."

„Wtr haben für uns kaum gcnug!"

„Drum auchl Da hast du die Adresse. Nimm sie dochl"'

„Mir ist ganz wirblig im Kopfe."

„Warte, ich stecke dir das Papier in die Tasche. Sol
Trink noch eins l"

„Noin, ich bin so schläfrig, so —"

Rcmer lallte noch einige Wortc, dann ficl er mit dem
Obcrkörpcr quer übcr dcn Tisch.

„Dcr hcü genugl" höhnte Mathias Marburg, ließ ihn
schlafcn imd machte sich mtt den cmderen Gästen zu thun.

Der Schncesturm tobte die ganze Nacht, dami wurde es
endlich still.

Der Lag bcgaim zu dämmern, als Just emportaumelte.
Scin Kopf war ganz wüst, wie btutroter Ncbel schwamm
es ihm vor den Augcn.

„Wo willst dcnn hin?" fragtc Mathias.

„Hciml Herr Gott, was wird die Trude denkcn?"

„Die? Dic denkt gar nichts, die schläft nochl"

„Aber bis ich dcn langcn Weg zurückgelegt haüe —"

„Wenn sic sich ängstigt, ist das Wiederschen hernach dop-
pclt schön," spottcte Marburg. „Trink aber erst noch etne
Tasse schwarzen Kaffee."

„Nichts trink ich, gar nichts mehr. Adicu, Dachsioirt,
adieul"

„War mir cinc Ehrcl Laßt ench bald wiedcr sehen,
Rcinerl"

„Damit wird's so schncll nichts wcrdcn. Gutcn Morgen."

„Jch komme noch ein Stück mit," sagte Marburg.
 
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