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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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des ZeiitrumZ. Redner hoffr und wünscht, datz küuftig cinem
cnideren Hause gegenüder die -lufhebung der gemtschlen Schule
werde von der Regierung beanrragr werdeii. Auf Zwischen-
rufe der Abgeordneren Fendrich uud Frühauf anrivorrer
Wackcri Iiiiii, ich werde doch noch hoffen uud wünfchen, und
dies auch sagen dürfenl (Heirerkeir.) Hierauf wendet sich
Wacker gegen die Lehrerpresse und radelt, das; der Oberschul-
rar gegenüber der iinerhörreii Agimtion den Eindruck einer
schwachcn Behörde gemacht habe. Man habe meinen können,
nichr die Lehrcr sründcn unrer dem Obcrschulrat, sondern die-
ser unrer der strengcn Kontrolle der Lehrer. Das führe zu
schlinimen Könsequciizen für die Lehrer selbst. Es könnre
einmal eine Bolksbeivegung entstehen, nnter der die Lehrer
sehr zn leiden hätten. Sorgen gäbe es in. allen Häusern,
von einem Lehrerelend zu sprechen sei unberechtigt. Empö-
rend sei es, bon der Volksschule als Aschenbrödel zu sprechen.
Unserc Mitleischulen und Hochschulen seien den Unbemir-
telten nichi verschlossen. Auf einen Zwischenruf Eichhorns
antwortet Redner: Mein Vater war ein blutarmer Mannl
Frühauf wirft dazwischcn: Sie wurden Geistlicherl Wacker
fährt forr: Jch harre freie Wahl des Berufes und hätte ganz
gur werden können, was Sie sind, wenn ich gewollt hätte.
(Schallende Heiterkeit.) Wenn Eichhorn das Aiinehmen von
Stipendicn für eine Schande hält, so beneide ich ihn nicht
um sein.Ehrgefühl. Einen solchen unbelehrbaren Mann wie
Eichhorn, der über einen gar nicht vorhandenen Klassenstaat
redet, steht kein Urteil über öffentliche Dinge zu. (Beifall.)

Llbg. F rü hauf (Freis): Die Lehrerbewegung sei .ein
elementarer Ausflus; des allgemeinen Bildungsdranges, dem
Abgeordncten Wacker fehle däs Verständnis dafür, sonst würde
er nicht eine Gegenbeweguug prophezeien. Redner begrützt
die Aufhebung des entwürdigenden Orgelparagraphen. Die
Acutzeruiig, der Lehrer müsse doch in der Kirche im Sonn-
tckgsrock erscheinen, der dabei abgenützt werde, erweckt Zwi-
schenrufe und Heiterkeir. Redner isr auch für die Aufhebnug
der Kirchenaufsichr, obwohl er glaubt, ein guter Lehrer werde
durch einen Kirchenbesuch ein gutes Beispiel geben. Was
Wacker sonst noch vorbrachte, kann nur dazu dienen, die
Trennung von Krrche und M;ule zu befürworten. Der Druck
der Kirche, der den Lehrern biele Thränen erpretzte, wird vom
Redner durch ein poetisches Zitat belegt. Die Volksschul-
lehrer mützten mit den Hochschulen in Berührung kommen,
was ja auch bei den Apothekern der Fall sei. Die Errich-
tung eines Seminars in Freiburg sei daher ein Forrschritt,
auch in Heidelbcrg und Karlsruhe sollte so vorgegangen wer-
den. Jn Sachsen werde tüchtigen Volksschullehrern der Be-
such der Universität gestattet, mit gutem Erfolg. Minister
v. Dusch habe früher das Vorhandensein von Lehrermangel
erregt bestritten, jetzr habe der Oberschulratsdirektor dasselbe
bedingt zugegeben. Redner beruft sich auf verschiedene Aeutze-
rungen von Schulbeamten, um den Lehrermangel zu beleuch-
ten. Wenn es so weiter gehe, so werde man in Baden bald
nicht vor cinem blotzen Mangel, sondcrn vor eincm Notstand
stehen.

Miuisrcriatpräsident Frciherr vou Dufch: Seine
frühere Aeuherung über den Lehrennangel habe sich auf eine
BeVruprung Frühaufs bezogen, als oü viele Hundert Lehrcr-
stellen verwaist seien. Den qualitariven Lehrermangel kann
Redner nicht als vorhanden zugcben. Von Frühaufs Jdea-
len müsse man auf den Boden der Wirklichkeit zurückkehren.
Äie Regierung könne nicht mehr Lehrer anstellen, als das
Gesetz vorschreibr und im Budget bewilligt sind. Eine Aen-
derung bes Gesetzes sei nicht in Aussicht gcnommen. Der
Minister habe den besten Willen; die von Frühauf an ihm
vermihte „Begeisterung" werde durch die Art, wie die Lehrer-
bewegung betricben wird, nicht geweckt. Die von Frühauf
angeführten Fälle hätten dem Aöinister vorher mitgeteilr
wcrden sollen, damir er sie beantworten könne. Der Arkikel
der „Karlsruher Zeitung" sci ganz am Platze gewescn. Ob
eine Tisziplinarversolgung eintrete, köune er nicht sagen;
solange es sich um cin zu erlassendes Gesetz handelte, habe
man allcrdings möglichste Freiheit gelassen.

Schlutz der Sitzung: halb 2 Uhr.

Die A b e ii d s i tz u u g bcginnr um halb 8 Uhr.

Abg. Wehgoldt führt aus, dah das Volksschulwesen ge-
wih verbesserungsfähig wie auch -bedürftig sei, doch von einer
Veriiachlässigung desselben könne man lvohl kaum reden.
Die Ansführungen Frühaufs übcr den Lehrermangel seien
übertrieben. Man dürfe zur Regierung wohl das Vertrauen
haben, datz sie zur rechten Zeit alle jene Mahnahmcii er-
greifen würde, um das Volksschulwesen vorwärts zu brin-
gen.

Abg. Heunig (Zentr.) bedauert die Uebertreibungcn,
die in diesem Hause vorgetragen, bie man doch nicht mchr
Ernst nchmen könne. Wenn die Verhetzungen so weiter gin-
gen, dann werde der Lehrermangel nicht ausbleiben. Red-
ner nimmt weiter den Organistenparagraphen in Schutz, der
in ganz Deutschland bestehe und noch vor vier Jahren auch
Vie Anerkcnnung dieses Hauses fand.

Abg. Hennig (Zentr.) lrirr den Uusführuiigen des
Vorrcdners bei und Abg. K l e i n (Natlib.)' erklärt, dem
Gesetz zuzustimmen.

Abg. Wilckens (Natlib): Wenn Heimburger scinen
Antrag zurückziehe, so handle er als prakrischer Volitiker. Bci
der allgemeinLn Gehaltsrevision werden man weiter gehen
als heute, namentlich den Anfangsgehalt wesetttlich erhöhen.

seines Onkels, eines Herrn Soundso. Der Schutzmann zog
ein Adretzbuch aus der Tasche, kvnnre aber in demselben den
gcnannten I>amen absolut nicht auffinden.

„Mein Onkel wohnt gar nicht weit vom Hause des reichcn
Rothschildl" meinte der Schneider.

„Lieber Maun," entgegnete der Schutzmann, „der reiche
Rothschild besitzt oder besah vicle HLuser in Franksurt. Wenn
Sie sonst nichts Näheres wissen, wird Jhnen das Aufsuchen
Jhres Onkels viele Mühe machenl"

Dann drehte er sich herum und lietz die Beiden allein
beieinander stehen.

Dem Schuster wurde schon etwas bänglich zumute und
auch der Schneider fand die Situation unbehaglich, doch lieh
dieser absolut nichts davon merken.

„Gehen wir einmal die Hauptstratze entlang," meinte
diescr, „das Weitere wird sich schon findenl"

Die beiden Freunde gelangten schlietzlich an das östliche
Ende der Zeil; hier versuchte der Schneider noch einmal sein
Glück bei einem Schutzmann, leider mit dem gleichen Erfolg
wie das erstemal.

Nnn iiberkam auch den Schneider ein Gefühl der Nieder-
geschlagenheit. Da der Schuster über Hunger klagte, so
wurdc für einige Pfennige Wurst und 'Brot gekauft, alsdann
noch eiu Stück Wegs ostwärts marschiert und das Gekaufte
dann auf einer Bank verzehrt.

Es schlug gerade 12 Uhr und der Schuster dachte mit
Wehmut an das eingemachte Kalbfleisch und die Nudeln der
Meisterin in Heidelberg.

Äachmittags wurde die Stadt kreuz und quer durchstreift
rmd iwch vielmal erfolglos nach der Wohnung des Önkels
gefragt. Das Gefühl der Bitterkeit über das Mihgeschick
verdrängte jedes Jnteresse für die Sehenswürdigkeiten Frank-
furts und lietz auch sonst keine zerstreuende Unterhaltung
aufkommen. Schlietzlich brach der Abend herein und so such-
ten sie, da ihre GeMerlegenheit keine andere Möglichkeit zu-
lieh, eine der gewöhnlichsten Herbergen auf. NlZ die Beiden

Damir sei auch die Rcgiernng einverftandeii. Auch die geisrige I
Hebung der Lehrer müpe geforderr werden, aber öie For- '
derung akademischer Biloung sei eiue Ucbcrrreibung. Dies
sei gewitz auch die Meinung deS Laiides. Die Aufhevung des
Orgauisteiiparagraphen ser von der uarionaUiberalen Parrei
schon im vorigen 'Landrage verlangt worden. Der Abg.
Frühauf habe eine Oualirälsverschlechrerung der Lehrer be-
haupret, aber das sei in dicser Allgemeinheit unrichtig. Den
s-rüdrcn stünden bei Bedars ausgezeichnete Krüfte zur Ver-
füguiig. Die Vermehrung dcr Kreisschulräte sei ein Bedürf-
nis; einer bezüglichen Forderuug werde seine Fraktion zu-
sriliimcli. Die üriliche Lchulaufsichr sei nicht ganz zu ver-
werfen, sie sei oft dem Lehrer eine Stütze. Redner verweist
auf Lie Bciräte der Mittelschuleii und wendct sich gegen meh-
rere Aeuherungen Eichhorns, namentlich die, die Hochschulen
seien nur für die Bcmittelten da. Durch Schuldgeldbefrci-
uugeu und Stipendien geschehe mehr als je und thatsächlich
srudierten eine Menge uubemittclrer junger Leute. Der Allf-
wand für die Hochschule käme aber nicht bloß einzelnen Stu-
diercnden, sondern dem ganzcn Lande zu gute. Richt ein-
vcrstaiiden ist Redner mit Wackers Ausführungcn über die
Kirchcnaufsicht und über die gemischte Schule. Für dile
gemifchte Schule werde die natiünalliberale Fraktion stets
eintreten; die Zentrumspartei werde nie die Mehrhcit im
Hause crlangen und daher auch nicht imstandc sein, die
gemischte Schule aufzuhcben. Den Religionsunterricht aus
der Schule zu entferneii, konime den Liberalen nicht in den
Sinn; er sei notwendig, damit tolerante Gesinnung gepflcgt
werde. Redner bestreitet die Richtigkeit mehrerer Behaup-
tungen Heiiuigs. Seine Fraktion werde nicht müde ivcrden,
für Verbcsserung der Zustände eintreten. (Bravol )

Abg. Heimburger (Dem.) wcist gleichfalls die
Ausführungen Eichhorns zurück, als ob die Mittelschulen den
unteren Ständen verschlossen seien. Die Lehrer würden erst
in die gebührende Stellung kommen, wenn sie in den Ge-
haltstarif eingereiht würden. Nach dcr Erklärung der Re-
gicrung ziehe er den Antrag auf Erhöhung der Dienstzulage
auf 200 Mark zurück, um das Justandekommen des Äesctzes
nicht zu gefährden. i

Abg. Eichhorn (Soz.) erörtert nochmals in eingehen-
der Weise die sozialdemokratischen Forderungcn und pole-
misiert scharf gegen das Zentrum, dessen Bildungsfeindlich-
kcit die ganze Haltung desselben in Schulfragen verständlich
mache. Redner wird dabei vom Zentrum wiederholt leb-
hafi unterbrochen. Wiederholt Iverden laute Rufe laut und
die Abgeordneten verlassen den Sal.

Äbg. Wacker (Zentr.) führt aus, datz alle gegen Eich-
horn gerichteten Angriffe von demselben auf das Uner-
hörteste provoziert worden scien und geht sodann nochmals
auf die Materie .selbst ein.

An der weiteren Debatte betciligen sich die Abgeordneten
Fehrenbach, Geck und der Berichterstatter. Jn der
Spezialbcratung wird der Gesetzcntwurf angenommen.

Ii'ächste Sitzung: Montag 4 Uhr. Klcine Gesctzvorlagen.

Württemberg.

Stuttgart, 6. Juni. Die vom Ministerium deS
Jnnern unternommenen V er mit tl ungs ver su che in
dem Straß enb ah nst reik sind gescheitert. Das Polizei-
amt erließ einen Aufruf an die Einwohnerschaft, sich an
den Aufläufen nicht zu betciligen. Für Sonntag wurde
die vollständige Einstellung des Straßenbahnverkehrs
angeordnet. _

Arrsland.

Oesterreich-Ungarn.

P e st, 6. Juni. Jn den hiefigen Volksschulen wird
auf Antrag aller Direktoren im nächsten Schuljahr in der
deutschen Sprache nicht mehr unterrichtet.

Holland.

— Jn Holland wirkt die dort nicht erwartete Kapi-
tulation der Buren außerordentlich tief. Wenn man
sagt, daß dte Nachricht von der Unterwerfung der Buren-
führer in der öffentlichen Meinung einen nieder-
fchmetternden Eindruck gemacht habe, so sei dies
noch eine sehr schwache und unvollkommene Bezeichnung
der augenblicklichen Stimmung. Die holländischen Blätter
suchen sich nun damit zu trösten, daß nun ein friedlicher
Kampf folgen werde, indem schließlich doch das holländische
Element in Südafrika das Uebergewicht erringen werde.

Aus Stadt und Land.

Heidclb erg, 7. Jmi'i.

^ Zur Vaugeschichte des Heidelberger Schlosses lautet de^
Titel einer im Vcrlag von Heinrich Kcller in Frankfurt er'
fchienenen Publikation, die bei allen Freundcn unserer Schlotzruin^
dem lebhaftesten Jnteresse begegnen muß. Die Schrift ist von
Profefsor Albrecht Hanpt iu Hannover verfaßt imd beruht

das Wenige, das sie daselbst verzehrten, bezahlt und auch
das Schlafgeld entrichtet hatten, waren sie nur noch im Be-
sitze von wenigen Pfennigen.

Am andern.Vormittag versnchtc der Schneider zwecks
Anffindung des Önkels nochmals sein Glück. Mit dem
Schuster war gar nichts mehr anzufangen. Es war kein
Wort mehr aus ihm herauszubringen. Um sein Hungerge-
fühl etwas zu verscheuchen, suchte er in seinen Taschen sorg-
fältig nach Ueberbleibseln von Zigarren, reinigte dieselben
und benützte sie als Kautabak.

Da die zwei Freunde kein Fahrgeld mehr besahen, blieb
keine andere Möglichkeit, als die Rückkehr nach Heidelberg
zu Fntz auf der Landstrahc zu bewirken. Mittags um 2 Uhr
marschierten sie auf der alten Brücke am Denkmal Karls des
Grotzen vorbei nach Sachsenhausen und von dort iii der Rich-
tung nach Darmstadt. Jn der nun folgenden Nacht mutzte
fortwährend marschiert werden, da bei der nahkalteu Wrtte-
rung an ein Ausriihen im Freien durch eine längere Marsch-
paufe nicht zu denken war. Von Zeit zu Zeit ging ein Regen-
fchauer nieder und der Wind wehte ihnen die kalten Tropfen
ins Gesicht. Um sich noch etwas anf den Beinen zu halten,
tranken sie hin und wiedcr in den Ortschaften, die ste passier-
tcn, von dem billigen Brunnenberger. Erschöpft nud tot-
müde trafen die Beiden in Hcidelberg ein.

Bei der neuen Neckarbrücke in Heidelberg verabschiedete
sich der Schneider von dem Schuster in ähnlicher Weise, wie
Wilhelm Busch den Antonius von Padua von einem Bären
Abschied nehmen läßt. Der Schneider meinte aber auch:
Mein Freund, Du kannst nun gehen
Und was einem passieren kan»,

Das hast Du nun gesehen. —

Der Schuster als er heimwärts schlich,

Der brummte vor sich her:

Mein Lebculaug bekümm'r ich mich
Um keineii Schueider mehrl

auf zwauzigjährigeiu eingehendeu Studium sowohl d-S Schloffes
selbst, als der archivalischeu uud sonstigeu Quellen zur Schloß-
baugelchichte. Die Resultate, zu deneu der Verfasser init Hilie
scharfsiiiuiger uud im Allgemeinen zwanglos erscheineuder Kombi-
uatiouen kommt, sind kurz zusammeugefaßt folgende: Der Otto-
Hemrichsbau ist urspriiuglich als Nachbilvuug deS Palazzo
Rovcrclla m Ferrara gcplant und zwar schon von Friedrick, dem
Zweiten, wofiir spricht, daß der östliche Teil der Südfront deS
glasernen SaalbaueS schou ursprünglich darauf berechuet gewesen
fft, von emem andereu Gebäude verdeckt zu werdcn. Der Entwiirt
ruhrt von Flötner, dem Verfertiger des berühmten Kamins uuv
der Jnichrifttafel am Nupprechtsbau her, der auch für den
gläiernei, Saalbau gearbcitet, insbesondere dessen Reuaissance-
architekturteile angegeben hat. Bildhauer des Otto--Heinrich«baues
war zuerü Anthoui. Friedrich II. hat deu Bau maugels Mittel
liegen lapeu müssen. Sein Nnchfolger Otto Heiurich hat ihu
wieder aufgenommen. Er hat stch uach Authoui's Weggang deS
vlämffchcu Bildhauers Colins bedient. Der »rsprüngliche Plan,
der den Abschluß des BaucS mit eiiiem flacheu Dach vorsah, ffr
in der neueu Bauperiode uach dem geänderten Geschmack bereicherr
und umgeformt worden, wobei es ohne Gewaltthätigkeiten nicht
abging. Als Otto Hcinrich starb. ging Colins fort. Da« Dach
war damals noch nicht gelegt. Der Bau wurde langsam mit
bescheidenen Mittcln zu Ende geflltzrt. Als Dach erhielt er das
Doppelgiebeldach, über das Meriau und der tllssaurus pietusrum
iu Darmstadt brauchbare Auskuuft gebeu. Die Rekonstruktion,
die der Verfasser auf Grund dieser Abbilduug von dem Otto-
Heinrichsbau nach seinem usprünglichen Ausseheu macht, weicht
erheblich von deu Nekoiistruktioneu von Schäfer und von Seiö
ab. Wie der Verfasser dicse seine Behauptungen begründet und
an Hand von Zeichnungen verdeutlicht, dies in seinem Buch nach-
zulesen, ist von höchstem Jnteresse. Bemerkenswert ist, daß auch
er die Ansicht hegt, die Schloßbauteu würden über kurz oder lang
Bedachung erhalten. Man mnß ihin aber znstimmen, wenn er
sagt, beyor dies geschieht, sollte eine so gründliche Prüfnng der
Banten, der von ihnen sprechenden Dokumente und aller in Be-
tracht kommenden Faktoren vorgenoinmen werden, daß keine kimft-
geschichtliche oder historische Kritik an irgend einem Punkt einen
begründeten Etnwand gegen die Richtigkeit der znr Ausführung
in Aussicht genommenen Pläne mehr zn erheben vermag-
Zur Verhütung von Mißverständnissen sei noch ' hervorgehobew
daß seine Annahme, der erste Plan zum Otto Heinrichsban rühre
von Flötncr hcr und sei noch nnter Friedrich H. gefertigt, auch
von ihm nur als Hypothese vorgeführt wird, die den Kern seiner
Darlegungen nicht berührt. Dieser Kern bcsteht vielmehr darin.
daß der Otto-Heinrichshan in italienischer Frühreuaissance be-
. gonnen worden ist, daß später von Colins in vlämischer Weift
fortgefahren ist und daß dabei das uoch von Anthoni herrührenve
Material willkürlich und ohne rechtes Verständnis des msprüng'
lichen Plans vcrwendet worden sei. So zeige der Bau zwer
Kleider über einander, das eine schimmere dnrch das andere hin-
durch nnd dies gebe ihm den aparten Reiz, den er besitzt. ZuM
Schluß sei noch b merkt, daß der Verfasser anch den EnglischeN
Bau behandelt nnd die Meinung verteidigt, daß der Baumeister
des Friedrichsbanes, Schoch, auch ihn erbaut hat.

O Kunstverein. Die von dem Vorstande des Kunstvereins-
Hrn. Geh. Hofrat H. Thode, veranstaltete Ausstellnng von 2S0
Blatt Reproduktionen der „Florentinischen Plastik des 15. Jahr'
hunderts". nmfassend die Werke der Hauptmeister Ghibetti, Do-
natello, Luca nnd Andrea della Robbia hat bei dem hiesige>r
kunstsinnigen Publiknm die volle, richlige Würdigung bis jeB
nicht gefunden, wie der nur mäßig starke Besnch beweist. Es i"
doch selten Gelegenheit geboten, die Werke der alten Meister in 1"
übersichtlicher, geordneter Aufstelliiiig zn besichtigen und es sollt?
diese für das Publikum ein Ansporn sein, sich einnial in den tiet
religiösen Geist zu versetzen, in welchem diese gläubigen Meister
ihre vielbewunderten Werke geschaffen haben. Eine zn dieseM
Zwecke geschriebene Broschüre ist im Kunstverein zu haben un,v
dient als Führer. Die anfgestellten 12 plastischen Werke (Reliet'
büsten) sind eine werte Zugabe. Unter den sonst ansgestellteu
Knnstwcrken stnd zu nennen: 6 Oelgemälde des Brüffeler Mater-
Phil. Swyncop, welche Motive von Paris und St. Cloud dar-
stellen und in ihrer Art recht flott gemalt sind. Fritz Wucherer'
Frankfurt hat 5 gute Landschaften vom Taurus ausgestellt, R-
großen Fleiß und gute Aussührnng bezeugen. Anch die 7 LaE
schaften von C. Harbers-Karlsruhe mit Motiven aus der Em
sind gut gesehen und flott behandelt. Frl. Hedwig Schnnk-Muro
chen hat 9 Oelgemälde eingesandt, Motive von der Riviera, ua^
neuester Dachauer Schnle, in breiter Ausführung, für welche ff^
die Äesucher des Kunstvereins an den zwei letzten Sonntag^
nicht besonders erwärmen komiten. Zwei vorzügtich ausgefüd^
Oelgemälde von I. L. Rüdisühli-Basel wirkeu sehr ansprecheu '
Frl. Georgine Nuhn, die hier durch ihre frischeu, flottgemam
naturwahren Gemälde in bestem Andenken steht, hat 28
studien ausgestellt, von denen sowohl die Landschaften wie ",
Blumenstücke sich würdig den frllyer ausgestellten anschliE
Schließlich sei noch auf die flott ausgeführten Aqnarelle vO
Helga von Cramni hingewiesen, von denen 25 sehr aute Bw
mit Motiven von Egypten, Pompeji nnd den Schweizer Alp^,
ausgestellt sind. Möge ein reger Besuch die Bcmühungen ° ''
Kunstvereins lohnen. m

* ZirkuS Lolie. Die geftrige Vorstellung ivar sehc ö ^
bcsucht. Es war wiederum eiu sehr abwechseluugsremO
Programm aufgestellt. Der Besuch des Zirkus ist wtt,
zu einpfehlen. Heute und nwrgen finden je zwei Vorstellw
gen statt. Die Abschiedsvorstellimg ist am Montag und vz,,
giimt schon um 7 llffr abeuds. Dadurch ist deu Bffncch^
Gelegenheit gegeben, nach Schlutz der Vorstellung die Sastv"
beleuchtimg anzusehen.

f Der 29. Stcnographentag des Südwcstdeutschen '
bandcs Gabclsberger Stcnographen wird heute Abend Vs!
eine geschlossene Sitzung der Vereinsvertreter im StädtiwO
Saalbau eröffnet. Beim Wettschreiben, das moE^
Soimtag, früh, im Gymnasium abgehalten wird, werden

__ r.. -11... -<1 E/

2D0 Stenographen in die Schranken treten. Um Ö-Qjt'
Vormittag beginnt dann im Städttschen Saalbau die M,,y--
liche Hauptversammlung mtt dem Festvvrtrag des Herru La
tagsstenographen Teske-Karlsruhe. ^j,i

il. Landwirtsachftliche Ausstellung in Mannheim. fft

Besuch Lieser autzerordentlich reich beschickten AusstcllnaS
auch Nicht-Landwirten sehr zu cmpfehleu. Die
faltigkeit bes Geboteneu ist so grotz, die Fortschrttte aM
einschlagigen Gebieten sind so gewaltig, datz dem Besiv jsl
die Zeit nur zu fchuell vergeht. Fiir leibliche Genüff.'^t,
in Kaffee-, Wein-, Bier- imd Milchhallen bestens öÄaeip
in einigen davon finden täglich Konzerte statt. Da die t-'Oje
bahn bei Abstempelung der Karten in der Ausstelluug ch,ji
Rückfahrt gewährt, so ist der Besuch der AusstellnnS
verhältuismätzig geringen Koswn verknüpft. — ha"

Lcmdwirte, welche die Ausstcllung in Mannheim besch"ff gc^
ben oder besuchen, habeu hicr in Hcidelberg WohmMS
NVMMeN.

X Bon der ekcktrischen Strapenbahn Heidelbers-^
loch. Die Dtrektion der elettrischen Stratzenbahu
Wiesloch ersucht uns um Aufnahme iiachfolgenden Ber ^,,,-
Um verschiedenen, über die Ursache der Betriebsstocki")S ^ich
screr Bahn am 6. ds. fälschlich umlaufenden Gerüchte"
gegenzutreten, geben wir hierdurch zur Kenntnis, ^ hiei',
lätzlich des Unwetters in der Nacht vom 4. auf den 5. Aw
Monats von unserer Seite alles aufgeboten imirde- .ff pE
Betrieb ordnungsmätzig anfrecht zu erhalten. Obgleiw^^«
den in dcr Leimer Gegend niedergegangencn Woirc
Stratzen imd Gleis an vielen Stellen mehr als einen r
Meter hoch mit Geröll und Schlamm bekieckt ivaren, S^c
es noch in gleicher Nacht unter Aufbietung des I

Strecken- nnd Werkstättenpersonals, das Gleis notduri
 
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