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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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Miltvoch. 11. Juni 1902._Jweites Blatt. 44. Jaürgmg. — 133.

^rscheint taglich, Sountags ausgeiwmmen. — Preis mit Fawilienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

A nzeigcnpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petstzcile oder deren Naum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiestge Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bcstimmt
dorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Keschäst und Uatriotismus.

Vor einiger Zeit hatte das Verhalten eines der Beamten
°er Faberschen Bleistiflfabrik zu Nürnberg mit Recht des-
halb gerechte Entrüstung erregt, weil er de- und wehmütige
^riefe nach Polen geschrieben halte, daß man in Polen
°och ja wegen der Wreschener Vorgänge die gcschäftlichen
Berbindungen mit der Firma Faber nicht abbrechen möge.
Der betreffende Beamte wurde indes von der Faberschen
Firrna entlassen. Wie die „Natl. Korr." hört, hat nun
e>ne sehr bekannte Berliner Wcltfirma ebenfalls
^riefe nach Warschau abgehen lassen, die um weitere Ge-
ichäftsverbindung bitten und versichern, man werde im
^erliner Geschäfte polnische Korrespondenten an-
stellen, um die Kunden in Warschau nicht mit der deut-
ichen Sprache zu belästigen.

Deutsches Reich

— Tem soeben aus dem Festmrgsgefängnis in Tan-
M entlassenen chsmaligen Nnteroffizier Marten ha-
om verschiedene Hotelbesitzer angeboten, zu seiner Er-
holung rmeutgeltlich bei ihnen Aufmthalt und Ver-
Vflegung zu nehmen. Taraufhin beabsichtigt Marten,
oemnächst das Ostseebad Lwineinünde aufzusuchen.
Dann will er nach Hamburg übersiedeln, wo ein Onkel,
sier Ktnismann ist, für sein ferneres Fortkommen zu
iorgen versprochen hat. Auch Hickel will nach Hamburg
stehen, um dort Stellung zu snchen. L-chließlich wird noch
witgeteilt, daß daü alte Marten'sche Ehepaar Ende d. I.
Gnmbinnen verlassen und in seiner Pommerschen Hei-
^ot, wahrscheinlich in Kolberg, sich dauernd niederlasscn
bsird.

Ausland.

Belgien.

B r ü ssel , 10. Iuni. Offiziös verlautet, daß
hie Krankheit der Königin ein sehr fortgeschritteneS
Herzleiden fei, welches wenig Hoffnung lasse, daß sie
chre ini nächsten Jahre fällige goldcne Hochzeit noch er-
wben werde.

Holland.

^ U t r e ch t, 10. Juni. Präsident K rüge r ließ die
esiagge von Lransvaal auf seiner Vsilla e i n z i e h e n.
Man deute dies als Zeichen der Aneckennung der eng-

uschen Souverenität.

England.

. -— Die englischen Verluste in Südafrika betrugen nach
siner amtlichen Zusammenstellung bis Ende. Mai
(^7 477, davon tot 1072 Offiziere und 20 870 Mann.

den Gefechten sind gefallen 618 Qffiziere und 6268
^lann, an ihren Wundcin gestorben 183 Ofsiziere und
1835 Mami, während Krankheiten erlegen. sind 239
Dffiziere nnd 12 911 Mann. °Als Jnvaliden wurden in
Pe Heimat gesandt 8110 Offiziere und 72 314 Mann.
H. Morgan-Browe hat die Kosten des Krieges biS Ende
^lärz d. I. auf 3450 Millionen Mark berechnet. Die
^gentlichen Kriegtzkosten betrngen in den ersten beiden
Kriegsjcihi-en 2470 Millionen Mark. Davon kommen
^uf Löhnung der Truppen 494, Traiitzport (300 000
^ach Afrika, 100 000 zurück uud 300 000 Pserde rc.)

668 — dreimal so viel, als in gewöhnlicheii Zeiten
nötig wäre — Remonten 206, Verpflegnng und Fou-
rage 600, Bekleidung 146, Kriegsmaterial und Vor-
räte 338 und Befestigungen 118 Millionen. Eine Ge-
sellschaft, die hauptsächlich Fleisch für die afrikanischen
Truppen kieferte, verdiente einmal bei einer Lieferung
20 Acillionen; sie überwies im vorigen Jahre dem Re-
servefonds 14 Blillionen und verteilte noch >105 P-.o-
zent Dividende. Der Aufwand für den Mann und Tag
betrng 1870—1871 auf deutscher L-eite 5 M., bei der
deutschen Expedition nach Ostasien 14 M.; bei der eng-
lis-chen Armee in Südafrika 17 M. Die täglichen ei-
gentlichen Kriegskosten Deutschlands betrugen 1870 bis
1871 6,33 Millionen, die Englands im südafrikanischen
Kriege 3,44 Millionen. Für einen Krieg auf dem Fest-
lande hat von Renauld anch für einen znkünftigen Krieg
Teutschlands Pro Mann nnd Tag nur 6 M. ermittelt.
Der südafrikanische Krieg ist denmach der teuerste Krieg,
der je geführt wurde.

Serbicn.

— Ueber die vom verstorbenen König Nc i l a n
hinterlassenen « ch n l d e n beginnt sich endlich der
«chlcier zn lüften. Zur Zeit, da der Vater Aleran-
ders I. in Wien für immer die Augen gefchlossen hat,
war es nämlich kein Geheimnis, daß der V.erstorbene
seinen Gtänbigerii noch innner mehrere Millionen
schutde. Vier Jahre vor seinem Tode hatten seine
^chnldcn allein in Paris die Höhe von ne!nn Millionen
Franken erreicht. Als er nach Serbien zurückkehrte,
wnrde bekanntli-ch so manches geregelt. Dennoch war
am Todestage iwch ein bedeutender Betrag unbeglichen
geblieben, nnd damals lag die Vermntung nahe, Kaiser
Franz Josef von Oesterreich, der ja Milan auf seinc
Kosten begraben ließ, habe auch die Tilgung seiner hin-
terlassenen Schulden auf sich genommen. Jetzt stellt es
sich heraus, daß diese Annahme unrichtig war. Heute
weiß mcin nämlich genau, daß König Milan nicht we-
niger als 7 Millionen in Paris und Wien fälliger Schul-
den — darnnter anch Wechselschnlden, für welche sein
Sohn hastete — hinterließ und daß König Alexander
diesen ganzen Betrag ans seinen Ersparnissen, die schon
während seiner Mnderjährigkeit, unter der Regent-
schaft Ristischs, auf mehr als zwei SNillioneir gestiegen
waren nnd zur Zeit des Ablebens Milans nngefähr
6 Millionen ausmachten, einsprnchslos gezahlt hat. Ta-
dnrch scheint der König seiner ganzen Barschaft ent-
ledigt, nnd dieser Umstand soll zur Stnnde, unter den
angenblicklich nicht gerade günstigen Verhältnissen in
Serbien, im Konak eine gewisse Beunruhigiiiig hervor-
genfien haben. Königin Traga sucht einstweiten die
Sache dadurch wettzimmcheii, daß sie eifrigst spart und
von den 80 000 Franken, welche ihr der königliche Ge-
mahl allmonatlich zu ihrem eigensten Gebrauche zur
Verfügnng stellt, kmim etwas verausgabt.

Aus Stadt und Land.

* Städtische uncntgeltl. ArbeitSnachweis-Anstalt Heidelberg.
Monatsbericht. Nach amtlichcr Zusawmenstellung wurden
im Monat Mai 1902 im qaiinn 956 Gesuche eingetragen
und zwar: 359 von Arbeitgebern, 275 sür männliche und 86 für
weibliche Personen, welche 499 Arbeitskräfte (410 männliche und
89 weibliche) verlangten und denen 636 Arbeitskräfte (568 männ-
liche und 69 weibliche) nioewiesen wurden. Arbeitnebmer wurden

598 eingctragen (542 männliche und 56 wcibl.), und konnte
hievon 561 sofort Arbeit nachgewiesen werden (511 männliche
und 50 weibliche). Befriedigt wurden im ganzen 735, und zwar
309 Arbeitgeber (268 männliche und 41 weibliche) und 426 Arbeit-
nehmer, darunter 382 männliche und 44 weibliche Personen. Außer-
dem haben noch 791 Arbcitnehmer (768 männl. und 23 weibl.)
bei der Anstalt um Arbeit nachgesucht, wclche aber, da thnen
nicht sofort passende Arbeit nachgewiesen werden konnte auf
einen Eintrag verzichteten. Leider hat das Angebot offener
männlicher Stellen auch in diesem Monat gegenüber dem gleichcn
Monat v. I. nachgelassen, wo auf 100 Stellcn 233,4 Stellc-
suchende kamen, während in dtesem Monat das Angebot aus
319,5 stieg und waren es hauptsächlich Bau- und Maschinen-
schlosser, Schmiede, Spenglcr und ungelernte Arbeiter, denen nur
selten Arbett nachgewicsen werden konnte.

st Sterblichkeits-Vericht. iltach den unterm 6. ds. Mts.
herausgegebenen Vcröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits-
amtes zu Berlin über die Gesamtsterblichkeit in den 293
deutschen Städten und Orte» mit 15000 und mehr Einwohncrn
während des Monats Aprtl 1902 hat dieselbe — auf je
1000 Einwohner auf den Zeitraum eines Jahres berechnet —
betragen: s. weniger als 15,0 in 50, b. zwischen 15,0 und 20,0
in 147, o. zwischen 20,1 und 25,0 in 73, L. zwischen 25,1 und

30.0 in 17, s. zwischcn 30,1 und 35,0 in 3 und t. mehr als

35.0 in 3 Orten. Die gcringste Sterblichkeitsztffer hatte in dcm
gedachten Monate die Stadt Wilhelmshavcn in Hannover
mit 7.1, dogegen die höchste Ziffcr die Stadt Retchenbach in Schlesien
mit 43,7 zu verzeichnen. Jn den Städten und Orten des Groß-
herzogtums Badenmit 15 000 und mehr Einwohnern sind folgende
Sterblichkeitsziffern für den Berichtsmonat — gleichfalls wie
oben aus jc 1000 Einwohner auf den Zeitraum eines JahreS be-
rechnet — ermittelt worden: Jn Mannyeim 13,9, Pforzheim 15,5,
Karlsruhe 18,1 (ohne Ortsfremde 16,i). Baden-Baden 19,5,
Konstanz 19,9, Heidelberg 20.7 (ohne Ortsfremde 13,5) und
ia Freiburg 25.6 (ohne Ortsfremde 20,9). Die Säuglings»
sterblichkeit war im Monat April d. I. eine beträchtliche, d. h.
höher alS ein Drittcl der Lebendgeborenen tn 10 Orten; dieselbe
dlieb unter etnem Zehntel derselben in 38 Orten. Als TodeS-
ursachen der während des gedachten Monats in hiesiger Stadt
vorgekommenen 72 Sterbefälle — darunter 20 von Kindern im
Alter bis zu einem Jahre — stnd angegeben: Masern und
Röthcln 2, Diphtherie und Croup 1, Lungenschwindsucht 13, akute
Erkrankungen der Atmungsorgane 9, allc übrigen Krankheiten
44 und gewaltsamcr Tod 3. Jm Ganzen scheint sich der Ge-
sundheitSzustand gegenüber dem Monat März d. JS. wenig ge-
ändert zu habcn. Die Zahl der in hiesiger Stadt während des
Monats April d. I. zur standesamtltchen Anmeldung gelangtcn
Geburten hat — ausschließlich der vorgekommenen 5 Totgeburtcn
101 betragcn; dieselbe hat mithin die der Sterbefälle (72) um
29 überstiegen.

Dilsberg, 10. Juni. (G e s a n g f e st.) Unsere alte,
ehrwürdige Stadt sicht in diescni Jahre eincm schönen Fest
cntgcgen. Der hiesige Gesangverein „Sängerbund" feiert
nämlich am 6. Juli sein fünfzigjähriges Stiftungsfest, ver-
bundcn mit Fahnenweihc. Die Fahne wird von der Thürin-
gcr Fahnenfabrik in Coburg geliefert. Als Festplatz dient
der Schloßhof und der sogcnannte „Wal", ivelch letzteren der
hiesige Herr Pfarrer zu dicscm Feste bereitwilligst zur Ver-
ügung stelltc. Die Einladungen an die Vereine der Um-
gcgend sind ergangen. Dcr Besuch dieses Festes wird vor-
aussichtlich cin sehr starker sein. Der Verein, wie auch die
Einwohncr Dilsbergs werdcn alles aufbieten, nm den werten
Sangesbrüdern und Bcsuchcrn des Festes den Aufenhalt auf
dem prächtig gelegenen Ansflugsort Dilsberg so angeuehm
wie möglich zu machen.

Mingolshcim, 9. Juni. (G e s a n g s f e st.) Am näch-
>ten Sonntag, 15. Juni, feicrt Lcr hiesige Gcsangverein
Sängerbnnd sein vicrzigjährigcs Stiftungsfest mit zweiter
Fahnenweihe und Gcsangswcttstrcit; 26 auswärtige Gesang-
vcreine habcn ihre Teilnahme zugesagt. Vier gestiftete Ehren-
prcise sind zu erringcn nnd cs kommcn außerdcm goldcne und
silberne Medaillen sowie Diplome zur Vertcilung.

Auf abschüssiger Bahn.

Roman von B. Corony.

(Fortsetzung.)

Ta wicdcr -— ein knackcndcs Gcräusch! — Und jetzt —
An leiscs Picken -— das einförmigc Arbeiten des Holzwurms?
^cdeuter es nicht dcn Tod( — Ach Dnmmheit. Aberglaube
albernen Volkesl Aber wcnn doch etwa Wahres daran
^are? — Ein grätzlicher Gedankel Schnell, schnell, fort den
^iegel vorgeschoben und dann zu Bett. Morgen mutz gleich
Arzt tvmmen und ihn von diesem Fieber befreien — denn
äieber und nichts weiter war dicse peinigende, unselige Angst.

Jn Schwcitz gebadct und mit schlotternden Knicn schwankte
^^ dcr Thürc zn. Da slog dieselbe auf; cin Mann stand
der Schwclle.

, „Gott ini Himmcl — was ist — wic kommen Sie hier
lcrein i" krcischt-e der Altc. „Hilfe! Hilfel Mörder — Dicbel"
„ Er wollte das Fenster aufrcitzen, aber schvn packte eine
^Urgcndc Hand ihn bei öer Kehle.

„Hilfe, Hilfel" klang es noch röchelnd durch den einsamen
i«tt crhcllten Raum. Dann stürzte Brcucr zu Boden und
Nug vergebens nach Atem, denn der Eindringling kniete
Dsu aus der Brust und pretzte seiueu Hals wie in eincm
^chraubstock zusammen.

Noch eiu kouvulsivisches Zuckeu, eine letzte, furchtbare
T^cr fruchtlose Anstrengung, die entsetzliche Last abzuschüt-
„ U' — dann brachen die wcit ^geöffneten Augen — ein
N'ägelndes Stöhnen — blutigev Schaum trat auf die bläu-
chen Lippen und alles war vorüber.
n^.Eine Stunde später verlictz eine Gestalt lcise und vor-
«n ^ ichleichend das einsame Haus, glitt wie ein Schatten
in! 7^^ Mauern Ler nächsten Gebäude entlang und verschwand

Dunkel der Nacht.

-^cr Bäckcrjunge, der jeden Morgen bei Brener Brütchen

ablieferte, sand die Thiir unverschlossen, entdeckte das Ver-
brechcn nnd schlug Lärm.

Bald füllte sich die schmale Gasse mit einer neugierigen
Menge und Polizisten betraten dcn Thatort.

Breuer lag mit verglasten Augen uud wie zum Ent-
setzcnsschrei geöffnetem, verzerrten Mund auf dcm Boden. Man
hattc ihn ermvrdet — ob auch beraubi, das lietz sich noch nicht
feststellen. Den eisernen- Gcldschrank hatte man ztvar zu
erbrechen vcrsucht, er hatte jedoch dc» Bemühungen Ividerstan-
den. Die erbrochenen Fächer des SArcibtisches standcn os-
fen, und der Jnhalt war hastig durchemander gckworfen; aber
vicl Geld pflegte dcr Alte da nicht zn vcrwahren, wie scin
Diener Klans, der im Krantenhans vernommen wurde, aus-
sagte.

J-n der Oberförsterei wurde Herbert crwartct. Die beidcn
für ihn bestimmrcn Zimmer gewährtcn einen eben so wahn-
lichen als eleganten Anblick.

Konstanze fand immer noch hier und da ctwas zu ver-
schönern. Das Glück strahlte aus ihren Augen und fävüte
ihre sonst sv bleichen Wangen rosenrot. Brautl Des Ge-
liebten Brautl Nicmand konnte ihr dicsen höchstcn Schatz,
dicsen bis zum Wahnsinn angebetetcn Menschen mehr neh-
men. Und wenn er nun nach Hause kam, dann wvllte sie
ihm als erste Gabe das teucr erkanfte Papier darbieten.
Ach was — teuer erkauftl Mit ihrcm Herzblut hätte sie
cs jnbelnd bezahlt, um dcm Vcrlobten einen Beweis ihrer un-
endlichcn Liebe zu geben. Das ging auch niemand etwas an.
Das blieb ihr nnd Herberts Geheimnis und sollte zu etnem
nenen, festen Bcmde zwischen ihnen werden. Jetzt fühlte sic,
dah das Gkück dcn Menschen veredelt und besscr macht, denn
während sie sonst stets leicht gereizt nnd trotzig luar, kvnnte
Konstanze sogar den finsterblickenden Onkel jetzt umschmei-
chcln und zärtlich fragen: „Bist du noch büse auf mich, Onkel-
chcn?"

„Nein, nein, mein Kind," erwiderte er.

Sieh, Onkcl, ich will deinem Sohn aüch alles zu Liebe
thun, was ich ihm nnr a» Lcn Augen absehcn kann —- unü
dir anch -—"

„Jch glnube es ja", sagte er, die Käffeetassc an die Lippen
führend, abcr unberührt ivicdcr hinstellend.

„Eine andcrc Schwiegertochtcr wäre dir wohl liebcr ge-
wcsen?"

„Du bist recht unfrenndlich gegen das Kindl" flüsterte
Melitta. „Als Eindringling soll sie nicht betrachtet werden,
Jn üicsem Falle würde ich Einspruch erheben."

Dcr Obcrförster sah auf unü bcmerkte zwei schimmernds
Thräncn an den langcn, seidencn Wimpern seiner illichle. Da
ergriff ihn innigcs Mitleid. Er streichelte ihre schmale, bren-
nendc Wange und murmelte: „Du warst mir immer so lieb
wie mein cigenes Kmd und wirst es mir auch fernerhiu
bleiben."

Sie tühtc jcinc Hand. „Darf ich dir die Zeitung vor-
lcscn? Das war doch frühcr stets mcin Amt und Regina ist
noch nichr von Gut Steinbach zurück."

„,Ia, mein Kind. lies vor."

„Erlaubst du mir auch, dcine Pfeife anzustccken?"

„Natürlichl Muht dir nicht gleich was Dmnmes cin-
bilden, wcnn ich cinmal griesgrämig bin. Das bringt das
Alter so mit sich."

„Jn tanm zwei Stunden wird Herbert da sein,"

„Du freust dich aber gar nicht so recht anf ihn."

„Licbes Kind, er bleibt ja »un bei uns. Diese Gewitz-
hcit läht mich seiner Ankunft ruhiger entgegensehcn. Du
täunst doch nicht von mir altem Manne verlangen, datz ich
sv stürmisch jubeln und in Entzücken geratcn sokl, wie ein
verlicbtes Bräutchenl"

„Ia, freilich, dn hast Recht. Jch bin ganz antzcr mir
bvr Freudel Dn findest mich gewitz recht thöricht?"

„Wic sollte ich? Deine Liebe verbürgt mir ja die frohe
Zuknnft meines Sohncs."

(Fortsetzung folgt.)
 
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