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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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ListL aller wäbrend SsiPjägins Amtszeit aus den
wichtigsten Städten verbannten Personen ein-
gefordert. Die Zahl der Verbannten soll 60 000 er-
reicht haben, einsckiließlich der in ihre Dörfer znrückge-
schickten Arbeiter. Herr von Plehwe war iiber das Re-
sultat der Erkundigungen erstaunt und erkannte die
Gesahr der Verteilung so vieler mißgestimmter Perso-
nen über das Land. Seit der Ermorhung Ssipjägins
und dem Amtsantritt Plehwes haben' viele verbannte
Professoren, Aerzte. Juristen und Litteraten den Rat
erhalten. um Revision ihrer Fälle einzukommen. Einige
der Verbannten kehren bereits zurück, man glaubt aber,
Laß Plehwes Bemühungen um Einführung eiues libera-
leu Regimes wahrschcinlich durch die reaktionären Ein-
flüsse, welche Ssipjägin und seine Unterdrückungs-
Politik rmtcrstützten, vertitelt werden. Gpgenwärtig
scheint alles ruhig in Petersburg zu sein, Gerüchte mel-
Üen aber, daß ernste Nnruhen in Saratow stattgefunden
haben, und es heißt, daß 192 Personen in Kiew während
der Nacht des 2. Juni verhaftet worden seien.

Griechenland.

Athen, 15. Iuni. Der Verlobung des Prinzen
NikolauS von Griechenland mit der Gro ß f ü r-
stin Heleue, Tochter des Großfürsteu Wladimir
von Rußland, wurde hier bekannt gegeben. Prinz Ni-
kolaus, der dritte Sohn des Konigs von Griechenland,
isl am 9. Januar 1872 geboren. Die Großfürstin He-
lena Wladimirowna, tzine Kousine des Kaisers Nikolaus,
ist 20 Jahre alt. Die Bkutter des Prinzen Nikolaus,
Königin Olga, ist eine Tocht.er des verstorbenen Groß-
sürsten Konstantin Nikolajewitsch, Bruders Aleranders
des Zweiten und der Vater der Braut, Großfürst Wladi-
mir, ist ein Sohn Aleranders des Zweiteu, also ein
Oukel des jetzigen Kaisers von Rußland. Die Groß-
fürstin Helena war vor einigen Jahren mit dem Prinzen
Max von Baden verlobt.

Aie geptarlten Kerstelkungen im gr'ßyerzog-
lichen Schtosse in Kartsruhe.

Jm Nachtragsbudget wird ausgeführt:

Das Großherzogliche Hofbauamt hat in den letzten
Jahrcn in fteigendem Maß die Wahrnehmung gemacht,
daß die Beheizungseinrichtungen, insbesondere die Ka-
mine im hiesigen Residenzschloß uud seinen illü'bengebän-
den in mannigfacher Hinsicht mangelhaft sind und auch
bei Anweudung größtmöglicher Sorgfalt nicht mehr die
erforderliche Sicherheit bieten. Diese Thatsache kann
nicht auffallen, wenn bedacht wird, daß das Schloß in
den Jahren 1750 bis 1782 erstellt wurde, somit die vor-
handeneu Kamine und sonsügen Feuerungseinrichtungen
150 bis 130 Jahre alt sind, und daß dieselben inzwischen
noch niemals eineni durchgreifenden Nmbau unterzogeu
wurden. So ist es gekommen, daß trotz sorgfältiger
Unterhaltung allmählich die Mangelhaftigkeit immeir
größer wurde und daß zu wiederholtenmalen aus dieser
Ursache in verschiedenen Teilen des Schlosses Schaden-
seuer ausgekommen sind, die glücklicherweise jeweils
im Entstehen gelöscht werden konnten. Jmmerhin hat der
am 6. Jannar 1886 im Arbeitszimmer Jhrer König-
lichen Hoheit der Großherzogin ausgebrochene Brand
größeren llmfang angenommen und erheblichen scha-
den angerichtet. Einzelne Teile des Schlosses können
wegen der Schadhastigkeit der Kamine dauernd über-
haupt nicht mehr beheizt werden. Das Großherzogliche
Hofbanamt hat seit Jahr und Tag bei jedem sich bieten-
den Anläß auf die Notwendigkeit einer dnrchgrcifenden
Verbesserung hingewiesen und ueuerdings jede Verant-
wortung für die Sicherheit des Schlosses und seiner Be-
wohner bei weiterer Belassnng des gegenwärtigen Zu-
standes abgelehnt, znmal nach dem Brand des Stutt-
garter Hostheaters, der 'bei ähnlichen baulichen Ver-
hältnissen wie hier sehr wahrscheinlich durch die Mangel-
haftigkeit eines alten steigbaren Kamins hervorgerufen
wurde. Ebenso ist bekantlich vor einigen Jahren ein
beträchtlicher Teil des Würzburger Schlosses aus glei-
cher Ursache einer Brandkatastrophe zum Opfer gefallen.
Unter diesen Umständen mußte mit allem Nachdruck in
die Prüfung der.Frage eingetreten werden, wie am
besten und zweckmäßigsten deN bestehenden Mängeln ab-
geholfen und die Feuersicherheit am einfachsten wieder
hergestellt werden könnte. Als das nächstliegende Mittel
wnrde ein Umbau aller vorhandenen Kamine in Betracht
gezogen. Er würde zur Voraussetzung haben, daß an

Stelle der geräumigen, steigbaren, vielfach auf Holz ge-
schleiften Kamine neue solche mit kleinerem Durchschnitt,
sogenannte russische Kamine durch alle Stockwerke hin-
durch bis über Dach aufgcführt werden. Allein eine
solche Maßnahme würde, abgeseheu von der Beseitigung
der dabei unzweifelhaft zu Tag tretenden sonsligen bau-
lichen Mängel, einen erheblichen Eingriff in das Jnnere
aller Geniächer bedingen und in zahlreichen Fällen eine
wesentliche Veränderung ihrer Ausstattung notwen-
dig machen. Sie erforderte daher nicht nur einen
längeren Zeitraum, während dessen die Allerhöchsten
Herrschafteu in der Benützung des Residenzschlosses sehr
behindert wären, sondern auch einen Kostenaufwand, def-
scn Größe im Voraus gar nicht zu übersehen ist. Zu-
dem könnte gleichwohl auf diese Weise die erstrebens-
werte größtmögliche Feuersicherhcit im Schloß und seinen
Nebengebäuden um deßwillen nicht erzielt werden, weil
bei der bestehenden baulichen Beschafsenheit, insbeson-
dere wegen der für heutige Begriffe ungeheuren Holz-
massen, die sich in den Tccken, Wänden und im speicher
befinden, die Verwendung von lokalem Feuer zur Be-
heizung unter allen llmständen Gefahren in sich schließt.

Es ist nnn der Vorschlag gemacht worden, im Wege
der Erstellung einer Zentralheizung die wünschenswerte
Feuersicherheit zu erzielen, eine Einrichtung, die ja heute
in zahlreichen öffentlichen und privaten Gebäuden nach
den verschiedensten Spstemen mit gutem Erfolge einge-
richtet ist. Jhre Durchführung ist durch die vorhandenen
geräumigen Kamine wesentlich erleichtert, da in ihnen
nnschwer die Leitungen verlegt wcrden können. Die
große Ausdehnung der an eine Zentralheizung anzu-
schließenden Hofgebände bedingt nun an und für sich
schon, daß die Heizanlage, um sie zu zentralisieren, von
einzelnen der zn beheizenden Gebäude räumlich abge-
rückt wird und diese Erwägung zusammen mit der That-
sache, daß auch das Hofelektrizitätswerk eiuer Erweite-
rung bedarf, die an seiner jetzigen Stelle nicht aus-
führbar ist und daß dasselbe verlegt werden muß, ließ
den Plau reifen, die Zentralheizanlage mit dem Elektri-
zitätswerk zu vereinigen und beide nach dem bereits
bestehenden Hofwasserwerk im Hardtwald zu verlegen.
Auf diese Weise ist man zu dem Projekt gekommen, für
das Schloß nebst seinen Nebengebäuden eine Zentralsern-
heizung einznrichten und an diese die bereits bestehenden
Zentralheizungen des Hoftheaters, der Bildergalevich
und des botanischeu Gartens anzuschließen. Eine der-
derartige Einrichtung besteht bereits in Dresden und
zwar im lleberschwemmungsgebiet der Elbe, woselbst
eine größere Anzahl Hof- und Staatsgebäude, insbe-
sondere das Schloß und das Hoftheater an eine Zentral-
fernheizung mit räumlich erheblich größerer Ausdeh-
nung, als sie hier in Frage steht, angeschlossen sind. Nach
den an Ort und Stelle eingezogenen Erkundigungen hat
sich die Anlage bisher in jeder Beziehung bewährt.

Was das Hofelektrizitätswcrk anlangt, so ist das-
selbe im Jahre 1890 aus Mitteln des Zivillistegrundstocks
erbaut und zufolge ständischer Bewilligung im Staats-
voranschlag von 189 !—1895 aus Mitteln des Domä-
nengrundstocks erweitert worden. Gleichwohl entspricht
es hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit — allen inzwi-
schen aus Mitteln der Hofverwaltung ergriffenen Maß-
nahmen unerachtet — heute den zu stellenden Anfor-
derungen nicht mehr, da der Bedarf an Licht im Schloß
und seinen Nebengebänden und insbesondere im Thea-
ter sich in den letzteu Jahren in einem solchen Maße
gesteigert hat, daß schon jetzt die vorhandenen Einrich-
tungen bis an die Grenze ihrer Leistungssähigkeit iu
Anspruch genommen sind, während mit Bestimmtheit
vorausgesehen werden kann, daß der Bedarf an elektri-
scher Energie noch nicht auf seinem Höhepuukt angelangt
ist, sondern weiter zunehmen wird. Bei größeren Fest-
lichkeiten im hiesigen Sckstoß, die mit Theatervorstellun-
gen von erheblichem Lichtbedarf und von längerer Dauer
zusammenfallen, müsfen alle vorhandenen Maschinen nnd
auch die Akkumulatoren herangezogen werden, so daß
es derzeit an der zur Aufrechterhaltung eines gesicherten
Betriebs unbedingt notwendigen Reserve gebricht. Da-
bei wird die Beobachtung gemacht, daß in solchen Fällen
gesteigerten Lichtbedürsnisses die übermäßige Jnanspruch-
nahme der vorhandenen .Kraft ein erhebliches Nachlassen
der Jntensität des erzeugten Lichtes zur Folge hat.
Hand in Hand damit geht eine Erwärmung einzelner,
besonders in Anspruch genommener Teile der Leitung,
die in feuersicherheitlicher Hinsicht nicht unbedenklich ist

und nnt Nücksicht auf die beim Stuttgarter Theater g?-'
machten Erfahrungen nicht weiter zunehmen dari-
Ueberdies entsprechen die Leitungen, die eben jetzt schoU
über 10 Jahre alt sind, bei den großen Fortschritten-
welche die Elektrotechnik inzwischen gemacht hat, vielfach
nicht mehr den heute zu slellendeu Ansorderungen; st
sind, um nur Eines hervorzuheben, die SicherungeN-
namentlich auch im Theater, auf Holz moutiert; sÜ
müssen nach den neuen Verbandsvorschriften vom Iüli
1900 durch Verteilungstafeln aus feuersicherem Maüv
rinl ersetzt werden.

Schließlich bedarf auch das aus Mitteln des Domm
nengrundstocks (Budget 1862—1863) vor 40 Jahren
erbaute Hofwasserwerk dringeud der Erweiterung, da
es nicht mehr den inzwischen ganz erheblich gesteigerieN
Anforderungen zn entsprechen vermag. Insbesondeco
ermöglickzen die zwei vorhandenen Reservoirs, abgesehen
von ihrer räumlichen Unzulänglichkeit, nicht den erfor^
derlichen Truck, um hinreicheude Wassermengen in dü'
höheren Teile der zu versorgendeu Gebäude zu liefern-
Jn dieser Beziehnug ist namentlich bedenklich, daß dec
jetzt zur Verfügung stehende Truck nicht ausreicht, uNs
das Wasser jederzeit aus den Schniirboden des Theaters
in genügender Menge zu liefern: es bedars hier uur dec
Andeutuug, welche llnzuträglichkeiteu aus diesem Maw
gel entstehen könnteu. Dem ZNißstaud kanu bei dem be-
vorsteheuden Anlaß am einfachsten dadurch abgeholfen
werden, daß ein Reservoir von, 90 Knbikmeter Inhalt
auf dem vorhandenen und zu erhöhenden WasserturM
aufgestcllt wird.

Es ist hiernach beabsichtigt, bei Einführung der Zew
tralferuheizting für das Resideuzschlüß und seine Nebew
gebäude die Dampferzeugungsstelle auf dem Gelände
des Hofwasserwerks zu errichten und bel Derlegung des
Hofelektrizitätswerks dahin unter ausreichender Vergrw
ßerung desselbeu auch mit Rücksicht auf weitere Bedürl-
nisse der Zukunft beide Betriebe mit demjenigen de^
Hofwasserwerks zu vereinigeu. Das hat nicht nur den
Vorteil, daß eine einheitliche Kessel- und Maschinenanlagc
allen drei Zwecken dient und daß dadurch mannigfaäü
Vereinfachungen im Betrieb und wirtschaftliche Vorteist
erzielt werden, sondern es wird so auch die Möglichkeü
geschaffen, das große Dampfkamiu im Theaterhof beiü
botanischen Garten und weiter dasjenige im SchloßgarteN
neben den Gewächshäusern zu beseitigen: das erstere il^
wegen der daraus hervorgehendcn RauchbelästiguüS
schon von der Großherzoglichen Fabrikinspektion beaw
standet worden, obgleich die daran angeschlossenen KessA
in sorgfältigster Weise bedient und nur mit bestem Koch
lenmaterial beschickt werden. Aber auch sonst ist dst
Rauch- und Rußbelässtgung im Schloßbezirk wegen dec
vielen Feuerstellen eine sehr große; diesem Mißstandc
würde durch die Einrichtung einer ZentralfernheizuiP
mit einem Schlag abgeholfen und so dem schönsten Töü
der Stadt und damit der Allgemeinheit ein großer Poc"
teil bereitet werden.

Die Zentralferuheizung bedingt die Führung dec
HeiFrohxo zwischen der Dainpferzeugungsstelle, dew
Schloß und seinen Nebengebäuden in einem jederzeit be-
gehbareu Tunnel, der zugleich für den inneren Verketst
zwischen dem Schloß und diesen Gebäuden benützt lveü
den könnte. Heute ist vom Schloß die Hofküche, dü
Kaffeeküche und die Weißzeug-Beschließerei nur über deü
freien Hof erreichbar, so daß bei Wiud und Wetter uiid
bei jeder Kälte die Dienerschaft beim Aufwarten den stü'
bilden der Witternng ausgesetzt ist. Kommt die Anlag^
wie Projektiert zu Stande, so wird künftig der Verkelst
zwischen dem Schloß und den genannten Wirtschastc't
ränmen sich im geschlossenen und teniperierten Tuniü'
vollziehen können. Die Erfüllung der dem Arbeitgebec'
obliegenden sozialen Pflicht der Fürsorge für die P?'
diensteten und ihrer Bewahrung vor Gesundheitsschädü
gungen aber hätte ohnehin auf die Dauer die Belassunö
des jetzigen Zustandes unmöglich gemacht, so daß uiitA'
diesem Gesichtspunkte die Erstellung des Tunnels ast
eine Nlaßnahnie erscheint, die doch nicht länger hätn
umgangen werden können.

Die Gesamtkosten der Herstellnngen sind nach deb
vorliegenden Plänen und Kostenanschlägen auf 1 476 006
Mark berechnet, wovon die Hälfte nstt 738 000 Mark aw
den Domänengrundstock übernommen, die andere Hälfü
dagegen aus Mitteln des Zivillistegrundstocks bestritte^
werden soll. EZ handelt sich hier um zur Hofausstattiiilö
gehörige Gebäude und Anlagen, beziiglich derer nach dew

such, schärfer auszuschrciten. Marie aber ritz sich unmutig los
und ging hinüber auf die andere Seite der Straßc.

„Fallt mir net ein, so z'rennen," sagte sie kurz und barsch.
„Jch will mjr's Schwitzen bis zum Tanz aufsparen, is mir da
uoch z'wider g'nug."

„So?" höhnte der Jäger. „Gut, so bleib' z'ruckl Jch
weiß ja jeht, wie ich d'ran bin mit dir. 's is wohl kein Zu-
fall, datz der .Hcrr Forstmeister so auf eiumal hinter uns her
is. Da wird schoiüeine Abmachung 'troffen word'n sein, und
d'rum will ich net länger im Weg sein —"

„Franzll"

„Willst mitgeh'n oder z'ruckbleib'n? Denk' uur net, datz
d' mich noch länger am Narrenseil herumführ'n kannst, falsche
Kreaturl"

Ohne noch ein Wort zu erwidern wandte sich das Mädchen
zornglühend ab und setzte sich am Rande der Stratze auf einen
hervorragenden Stein. Der Jäger aber stampfte ungestüm den
Boden und ballte zähneknirschend die Fäuste.

„Gut, aus is's," stietz er hervor. „Aus und vorbei für
ewige Zeitenl Aber gieb acht, datz's dich net noch amal reut,
was d' heut' gethan hastl So viel reut, als d' Haar auf'm
Kopf haftl"

Er eilte mit grotzen Schritten davon uud war bald den
Blicken der Nachschauenden entschwunden.

Als der Jäger Urfeld hinter sich hatte, verfolgte er seinen
Weg etwas langsamer; eben wollte er, nachdem er uoch eine
Weile fortgeschritten, die Stratze verlassen und in den Wald
einbiegeu, als ein lauter Ruf ihn aus seinen Träumen ritz
und jäh emporfahren machte. Am Rande des Grabens, nur
wenige Schritte vom Walde entfernt, satz ein jägerhaft geklei-
deter Mann, der den Ankömmling mit forschenden Blicken
beobachtcte nnd sich nun langsam emporrichtete.

„Weldniann's Heil, Kamerad," sagte er jetzt mit rauher,
widerlich klingender Stimme. „Oder geht's net iirs Rcvier?
Der Ausstaffierung nach sollt' man's schier net meinen l Viel-
leicht auf d' Alm hinauf zum Schatz? Wenn's so is, will ich
uet im Weg umgeh'nl Nur a Frag' thät' ich noch gern an
Len Herru richten, wenu's verlaubt wär'. Js der Herr viel-

leicht von Walchensee? Jch biu nämlich a vazierender herr-
schaftlicher Förster und will g'rad' hinüber nach Walchensee,
um beim Herrn Forstmeister nachz'frag'n wegen einer An-
stellung. Jch heitz' Wendel Hauser, hab' die besten Zeugniss',
und wenn der Herr vielleicht a Fürwort für mich einleg'n
könnt' — ich thät mich g'witz net lumpen lassen."

Während der Fremde sprach, hatte Franzl Zeit gehabt,
ihn genauer zu mustern. Der vazierende Jäger war ein
Mann von ungefähr vierzig Jahren, zwar klein, aber doch,
wie es schien, zicmlich kräftig gebaut. Sein Kopf hatte etwas
Raubvogelartiges, Bart und Haare waren brennend rot, das
Gesicht dagegcn von gelblicher Farbe und mit unzähligen Fu^-
chen durchzogen.

„Sparen 'S die Versprechungen," sagte Franzl, indem er
sich zum Weitergehen anschickte. „Jch kann Jhnen gar nix
behilflich sein. Aber auch den Weg nach Walchensee können
S' Jhnen heut' sparcn, denn der Herr Forstmeister is heut'
nach Kochel, und auch ich bin g'rad auf'm Weg dähin."

„Wirklich? Ja, wenn's so is, nachher wird's wohl am
besten sein, wenn ich auch wicder umkehr'. Freilich, ich hab'
's ja gehortl Jn Kochel is ja heut' Tanzmusik, und da kann
ich auch ein bisl hinschau'n, wenn ich in Walchensee jetzt doch
nix ausrichten kann. Vielleicht kann ich nachher gar im Post-
wirtshaus mit'm Herrn Forstmeister ein' Augenblick red'n und
mein G'such vorbringen. Wenn's dem Herrn net zuwider is,
könuen wir den Weg ja miteinander mach'n und vielleicht
auch a paar Matzeln miteinander trinken? Der Herr wird
wohl net so stolz sein und eine solche Kleinigkeit annehmen
von ein'm Kameraden. 's is auch unterhaltlicher zu Zweit,
uud z' plauschen giebt's auch g'nug von der Jagd und von der
Jagerei."

Er lachte, schaute Franzl mit stcchenLen Blicken ins Ge-
sicht und schritt dann, ohne eine Erlaubnis abzuwarten, rüsstg
neben dem jungen Mann, dem der Gesellschafter nicht gerade
sehr crwünscht zu sein schien, her.

Trotzdem waren sie aber, als sie nach einiger Zeit Kochel
und das Postwirtshaus erreichten, schon vertrauter miteinander
geworden. Franzl machte^airch keine Einwendungen mehr,

als dcr fremde Jäger, nachdem sie sich mit einiger Mühe eiU
stilles Plätzchen erobert, Bier, kalten Jmbih und Zigallü
herbeiholte und nicht nur selbst mit gutem Beispiel voranginö'
sondern auch seinen Gast fleitzig; zum Zulangen einlud. ^
Bald waren auch die Köpse der beiden erhitzt, denn Fra>6
lietz sich, da er seinen Zorn und Jngrimm hinunterschwerriwü
wollte, nicht lange zum Trinken nötigen, und Hauser,
eine Menge lustiger Jägergeschichten und Schnurren aus dfU
Jagerleben zum Besten gab und vom Erzählen eine dursstö
Kehle bekam, schleppte immer wieder aufs neue frisch gefim'
Krüge herbei. >,

Jnzwischen waren immer noch mehr Gäste, Schau- U'.st
Tanzlustige eingetroffen, und im Postwirtshause selbst, '
den Gaststuben und auf dem Tanzboden, sowie auch draußü,
vor dem Hause unter den Bäumen, wimmelte und surrte st
durcheinander wie in einem aufgestörten Bienenkorbe. Üjst
als erst die ersten Trompetentöne durch das Haus schmesterü
und das junge Volk zum Tanze riefen, daWieg der Lai^
und die Lustbarkeit aufs höchste und machte sich im GelächM
und übermütigen Juhschreien Luft. Der Tanzboden dröhuj.
und zitterte vom Stampfen und Schleifen der dahinfliegendi
Paare, und die Musikanten bliesen, dah ihre Köpfe rot a>^
schwollcn und ihre Backen von der furchtbaren Anstrenguiig "
bersten drohten. „

Anfänglich hatte Franzl nicht die Absicht gehabt, sich oH j
im Tanzsaale blicken zu lassen; aber die Neugier war
doch stärker gewesen, und als sein Trinkkumpan sich eüuU^
für kurze Zeit entfernte, schlich er sich ebenfalls ins Haus u'
hinaus in dcn Tanzsaal. Hinter einer halboffenen Thüre ve
steckt, musterte er die Tanzenden, und eifersüchtige Wut lode»
aufs neue in ihm auf, als seine Blicke die treulose Geliebte e
spähten, die in einem Winkel des Saales eifrig den AZost
ihres Tänzers, eines hochgewachsenen vornehm ausseheud^
Mannes lauschte. Fetzt war der Tanz zu Ende. Die „
lösten sich auf, und Franzl wollte cben wieder zähneknirsch^ §
seinen Lauscherposten verlassen, als er eine Hand auf solU
Schulter fühlte.

(Fortsetzung folgt.)
 
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