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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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den Lehrern an den Mittelschulen. Die Uni-
versitäten seien vielfach als Bildungsstätten für höhere Be-
amte begründet und in diesem Sinne von den Regierungen
gefördert worden, aber sie härten von jeher mit Vorliebe, und
nach Redners Meinung mit berechtigter Vorliebe, ihre rein
Wissenschaftlichen Aufgaben stark betont. Diesen ihren Charak-
ter bestreite jetzt niemand mehr. Aber er- führe sie gelegentlich
ziemlich weit ab von dem, was das Leben unmittelbar fordere,
und besonders sei das in der philosophischen Fakultä' der
Fall gegenüber dem, was in den Schulen verwendbar sei.
Die Gegenstände, die in den Borlesungen und besonders in
den einen grotzen Teil der Zeit und Kraft der Studierenden
in Anspruch nehmenden seminaristischen Uebungen behandelt
werden, bestimmen sich zumeist nach rein wissenschaftlichen
Gesichtspunkten und liegen nicht selten stark abseits vorr den-
jenigen Gebieten eines in der Schule vertretenen Lehrfaches,
auf denen der 'Lehrer vor allem stark sein soll. Daran vermöge
die Regierung durch Verordnungen wenig oder nichts zu
ändern.

Redner führt das im Einzelnen näher aus, rndem er be-
sonders auch die lange Zeir matzgcbend gewcsene und noch heute
nicht entbehrliche Spezialisierung der Wissenschaft in den
Kreis seiner Erörterungen zieht. Die Wissenschaft reguliere
sich zum grotzen Teile wieder selbst, uird auf die Zeiten der
Spezialisierung folgen Zeiten der Sammlung. Aber die Spe-
zialisierung sei nicht ohne Nachwirkung vorübergegangen, und
derarrige spezialisierende Bestrebungen spiegeln sich in der Ent-
wicklung der Prüfungsordnungen der letzten Jahrzehnte wie-
der, und gelangten neuerdings zum Ausdrucke in dem Ent-
wurfe, der gerade aus Lehrerkreisen der Schulverwaltung
unterbreitet worden sei. Jn diesem ihrem Einflutz seien sie
nicht unbedenklich, und Redner giebt seiner Meinung dahin
Ausdruck, dah man nichi Prüfungsordnungen einführen dürfe,
die es dem Lehramtskandidaten durch zu weit geführte Spezi-
fiziernng erschweren, sich in den Fächern seiner Wahl die für
ihn so wichtige, in erster Linie zu fordernde gute Allgemein-
bildung zu erwerben.

Besonders gefreut habe ihn die Erklärung der Regierung,
den Mädchenschulen Förderung angedeihen lassen
zu wollen. Dem Anspruche des schönen Geschlechts auf Uni-
versitätsbildung sei durch die Anordnungen der Regierungen
vollauf Genüge geschehen. Die Frau könne jetzt genau unter
den gleichen Bedingungen, wie der Mann, eine solche Bil-
dung erwerben. Redner halte aber daran fest, datz das Nor-
malinstitut für eine tüchtige Erziehung der weiblichen Jugend
die höhere Töchterschule mit anschlietzenden Fortbildungskursen,
nicht das Gymnasium sei. Er könne die vollendete Universi-
tätsbildung, und am wenigsten gerade die der deutschen Uni-
versitäten, wie sie geworden sei und mit vollem Rechte und im
wesentlichen unabänderlich bestehe, nicht als das Jdeal weib-
licher Bildung anerkennen. Um so freudiger begrütze er die
Vereitwilligkeit der Regierung, für die Weiterentwrcklung der
höheren Töchterschulen einzutreten, und könne nur wünschen,
datz das bald in noch ausgiebigercm Mahe geschehen
könne. »

Jn dem andern Hohen Hause sei darauf abgehoben worden,
Latz in bem Geschichtsunterricht auch die K u l t u r-
geschichte behandelt werden soll. Er müsse sich entschreden
dagegen aussprechen, datz in den Geschichtsunterricht zusarnmen-
hanglos einzelne sogenannte kulturgeschichtliche SLtze einge-
streut werden. Ein Gegensqtz zwischen dem Persönlrchen und
Zuständlichen, wie er in dem anderen Hohen Hause zur
Sprache gebracht worden sei, bestehe nicht. Die Persönlichkeit
könne nur verstanden werden im Zusammenhange mit ihrer
Umgebung, das Genie und sein Auftreten aber herleiten und
völlig erklüren zn wollen aus dem Zuständlrchen, aus dem
Milieu, sei ein Beginncn, das jeder tieferen Auffassung nur
ein Lächeln ablocken könne. Als unentbchrliche Grundlage
jeder geschichtlichen Einsicht sei stets ein fester Bestand von
Thatsachen und Daten zu fordern.

Aus dem Unterricht in den klassischen Sprachen durfe dre
Grammatik nicht mehr verdrängt werden, als schon ge-
schehen sei. Die Ausbildung in der Grammatik drohe übri-
gens auch im neusprachlichen Unterricht zu sehr in den Hinter-
grund zu treten.

Zum Schlusse giebt Redner seiner Freude daruber Aus-
Lrnck, datz die Regierung dem Wunsche, die Lehrer an den
Mittelschulen möchten bei der Revision des Gehalts-
tarifs gebührend berückfichtigt werden, sich sympathisch ge-
genLbergestellt habe. Es müsse als Grundsatz festgehalten wer-
den, datz Beamte von akademischer Vorbildung in Rang und.
Einkommen gleichzustellen seien.

Direktor des Grotzh. Oberschulrats, Geh. Rat Dr. Arns-
perger, glaubt in Uebereinstimmung mit dern Herrn Vor-
redner, dah die Ueberbürdungsfrage jetzt wohl als
erledigt betrachtet werden könne, datz vielmehr, wie der Herr
Vorredner richtig hervorgehoben habe, die Gefahr bestehe, datz
an die Schüler zu geringe Anforderungen gestellt werden. Die
Oberschulbehörde werde ernstlich darauf bedacht sein, datz die
Schüler an den Mittelschulen strenges und selbständiges Ar-
beiten lernten und darin geübt würden — was doch ein Haupt-
zweck der Schule sei —- und dah sie deshalb zu ernstlichem
und reifem Arbeiten herangezogen werden.

Auch der Kampf gegen die a l t e n Sprachen ge-
hört nach Redners Meinung einer früheren Zeit an. Er sei
in einer Zeit des Ueberganges entstanden, in der die Realmit-
telschulbildung noch nicht die volle Anerkennung gefunden, die

voraus und patz' wo auf ihn. Meine Büchs' is' gut versteckt,
und wenn ich fertig bin mit ihm, nachher schleich' ich mich
schon hinüber nach Walchensee und in dein Häusl hinein.
Wenn du auch noch net daheim bist, das macht nix! Von mir
aus kannst die ganz' Nacht im Postwirtshaus in Walchensee
sitzen bleib'n. Dein Häusl is verfall'n g'nug! Da kann man
leicht bei ein'nr Fenster einsteig'n, oder bei der Stadelthür,
die so, glaub' ich, gar net einmal ein' Riegel hat, hinein."

„Vergitz nur net, 'was zum Schnabulier'n mit heimz'brin-
gen, denn ich darf mich ninderst blick'n lassen, auf der Stratz'
net und im Wirtshaus schon gleich gar net. Also — ver-
schwind' jetzt, damit net im letzten Augenblick noch wer daher-
kommt und uns beisamm' sieht."

Er nickte dem Gefährten kurz zu, wandte sich und schritt
wieder auf die Straße zurück. Sepp dagegen tauchte ins Ge-
büsch ein und eilte in entgegengesetzter Richtung davon, dem
Kesselberge zu.

Jm Dorfe aber, und besonders in und vor dem Postwirts-
hause hatte inzwischen der Lärm und die Lustbarkeit seinen
Höhepunkt erreicht. Das ging so fort, bis der Mond über die
Berge heraufblickte, äls wollte er verwundert fragen, was der
ungewohnte Lärm zu so später Stunde bedeute. Allgemach
aber begann sich jeht die Gästeschar doch etwas zu lichten.
Einzelne Liebespaare schlichen sich vom Tanzplatze fort und
machten sich auf den Heimweg; auch mancher Zecher, der dem
Kruge schon zu viel zugesprochen haben mochte, wankte un-
sicheren Schrittes zur Dorfstraße hinab dem Walde zu, um
auf weichem Mooslager das schwere Haupt zur nächtlichen
Ruhc zu betten. Nur die Unersättlichen, die sich durchaus vom
Kruge und dem Tanzboden nicht zu trennen vermochten, blieben
bis das letzte Fätz geleert und der letzte Trompetenton ver-
klungen war, und das bleiche Frührot unerbittlich zum Auf-
Lruch mahnte.

Selbst der Forstmeister, obwohl seine Tanzerin sich schon
längst mit einigen Freundinnen auf den Heimweg gemacht,
traf lange nach Mitternacht erst Anstalten, um ebenfalls nach

sie erstrebt habe. Nachdem jetzt aber auch sie als gleichwertrg
mit der Gymnasialbildung, wenn auch als andersartig aner-
kannt sei, glaube er, werde man sich über den Wert der hu-
rnanistischen und realistischen Bildung verständrgt haben, um-
somehr, als sich auch die Tendenz geltend mache, die Berech-
tigungen auf Grund der Realschulbildung zu erweitern.

Auch Redner hält es für wünschenswert, datz für die M r t-
telschulen jetzt eine Zeit der Ruhe komme sollte.

Der Herr Vorredner sei sodann auch auf die Ausbildung
und die P r ü f u n g s o r d n u n g für die Mittelschul-
lehrer zu sprechen gekommen und habe betont, es sei eine
eigcnartige Bestimmung, datz Oberrealschulabiturienten, die
doch keine Kenntnis des Lateinischen und Griechischen besätzen,
zum Studium der klassischen Philosophie zugelassen werden
sollten. Der Verein unserer akadernisch gebildeten Mittel-
schullehrer habe sich für volle Freigabe des Stndiums auch
für die Oberrealschulabiturieten ausgesprochen. Auf die sei-
tens der Oberschulbehörde geäutzcrten Bedenken, es könnten
dadurch junge Leute auf einen falschen Weg gedrängt werden,
habe man erwidert, in den wohl seltenen Fällen, in welchen
ein Oberrealschulabiturient das Studium des fraglichen Faches
nnternehmen werde, würde ein tüchtiger Mensch sich schon
durcharbeiten, ein minder tüchtiger werd,e aber Fiasko machen,
beziehungsweise seine Bcstrebungen von selbst aufgeben. Von
der Richtigkeit dieser Anschauung habe er (Redner) sich bis
jetzt uoch nicht völlig überzeugen können und es sei dies auch
cin Grund, datz die Prüfungsordnung noch nicht dem Mini-
sterium vorgelegt und publiziert worden sei. Wenn in der
Prüfrmgsordnung ausgesprochen werde, alle Abiturienten neun-
klassiger Lehranstalten sollten zu dem StUdium und Berufe
der klassischen Philosophie zugelassen werden, dann sei es
wohl kaum möglich, bei den Juristen einen anderen Stand-
punkt einzunehme'n. Solange die Frage der Vorbildung der
Juristen durch das Ministerium nickst entschieden sei, solange
habe er geglaubt, auch mit der Vorlage der Prüfungsordnung
für die Mittelschullehrer an das Ukinisterium zuwarten zu
sollen.

Was die Vorbildung der Mittelschullehrer
aufden U n i v e r s i t ä t e n anlange, so könne er bestätigen,
datz bie von dem Herrn Vorredncr hervorgehobenen Schwie-
rigkeiten wirklich vorliegen. Schwierigkeiten biete hauptsäch-
lich noch die Stellung der Geographie in der Prüfungsordnung.
Die Geographen wollten ihre Jnteressen thunlichst wahren,
auch müßten wir nach unserem Lehrplan geographisch ausge-
bildete Lehrcr durchaus haben. Es müsse deshalb ein Aus-
gleich bersucht werden.

Den Ausführungen des Herrn Vorredners über die Mäd-
chenschulen kann Redner beipflichten; es sei richtig, datz
die Grundlage der Ausbildung der Mädchen
die Mädchenschule bleiben müsse.

Gch. Hofrat Dr. Schäfer giebt dem Wunsche Ausdruck,
es möchte keine Prüfungsordnung in Kraft treten, durch die
eine Kombination der Geographie mit der Geschichte ausge-
schlossen werde.

Deutsches Reich.

— Daß der Jungtscheche Klofac im ö st e r r e i ch i-
schen Abgeordnetenhause eine freche Rede gehalten hat,
die von Angriffen auf Deutfchland und Kaiser Wilhclm
wegen der Marienburger Rede strotzte, hat in reichsdeut-
schen Kreisen bittere Empfindungen ausgelöst, aber man
hat sich damit trösten dürfen, daß es dem Mond nichts
schadet, wenn ihn ein Hnnd ankläfft. Nnn wird aber
aus Warschan gemeldet, die dortigen Polenblätter
seien dnrch die Zensur verständigt worden, daß sie die
Rede Klofacs wörtlich zum Abdruck bringen könnten, des-
gleichen gewisse Artikel jungtschechischer nnd galizischer
Blätter, die sich ebenfalls mit der Marienburger Kaiser-
rede befaßten. Die Warschauer und russisch-polnischen
Blätter hätten natürlich von dieser Erlaubnis ausgie-
bigsten Gebrauch gemacht. Es läßt sich bei den bekannten
russischen Verhäktnissen unmöglich feststellen, ob dieser
Meldung ein wahrer Kern zugrunde liegt, aber Thatsache
ist, daß die russische Zensur seit einiger Zeit jede Kritik
der deutschen Polenpolitik ungehindert passieren läßt. Die
Absicht der russischen Regierung ist wohl die, die eigene
Politik in Polen im Widerschein des jungtschechischest
und galizisch-polnischen Preßfeuerwerks dm Polest äls
verhältnismäßig angenehm erscheinen zu lassen.

— Nach der „Tägl. Rundschan" ist der Erfinder
dss „T u ck e r b r i e f e s", aus den Bebet so gründlich
hereingefallen ist, jetzt festgestellt; es ist derselbe, der in
dem Versahren gegen Dr. Peters der Hauptbelastungs-
zeuge war. Dr. Peters hat gegen ihn die Verleumdungs-
klage angestrengt. Dieser angebliche, in der That ge-
fälschte Brief des Bischofs Tucker gab mit den Anstoß
zu dem Verfahren gegsn Dr. Peters, durch das Deutsch-
land sich seines besten Kolonialpioniers beraubte.

Baden.

— Eine neue Begründung für die Einführung von
Klöstern in Baden bringt der „Beob." bei. Den

Hause zurückznkehren. Ganz allein schritt er, da es ihm
durchaus nicht um Gesellschaft zu thun war, den Kesselberg
hinau. Die Höhen des Herzogstand und Heimgarten waren
überflutet von silberweitzem Mondlickst, Berge und See schlie-
fen und lagen hell wie am Tage. Ringsumher tiefes Schwei-
gen; nur vom Dorfe herauf schlugen zuweilen lärmende Laute
an das Ohr des nächtlichen Wanderers.^ Bald lag alles hinter
ihm in der Tiefe und rasch ausschreitend, nur manchmal die
nächste Umgebung mit spähenden Blicken musternd, verfolgte
der Forstmeister den steil aufwärts führenden, ziemlich be-
schwerlichen Weg.

Nun hatte er die höchste Höhe erreicht. Die Srratze
senkte sich wieder und schon sah er Urfeld und den im Mondlicht
schimmernden See vor sich liegen.

Plötzlich hielt er den Schritt an und blieb einen Augen-
blick, angestrengt lauschend nnd ernen dunklen Streifen Busch-
werk zur linken Seite der Stratze mit scharfen Blrcken mu-
sternd, unbeweglich stehen. Schon griff er hastig nach der
Büchse und war eben im Begriffe, sie von der Schulter zu
reitzen, als ein Blih aus dem Gebüsche zuckte und der Donner
eines Schusses die Nacht aus ihrem Schlummer emporschreckte.
Der Angefallene fühlte ein heftiges Brennen am linken Ober-
schenkel, rih aber, dasselbe nicht beachtend, die Büchse an die
Wange und wollte sie eben aufs Geradewohl ins Gebüsch
abseuern, als ein zweiter Schuh ihn zu Boden streckte. Ern
Rauchwölkchen stieg aus dem Gebüsche auf, und eine dunkle
Gestalt, die vorsichtig die Zweige auseinanderbog, wurde sicht-
bar. Schon wollte der Mörder aus seinem Verstecke hervor-
brechen, als plötzlich auf der Stratze erlige Schritte laut wur-
den und ganz in der Nähe zwei Schüsse hintereinander krach-
ten. Ein Schmerzensschrei und wilde Ausrufe tönten durch
die Nacht, die Büsche rauschten und bewegten stch einige
Augenblicke hefkig, dann trat wieder Ruhe ein. Aber nicht
lange blieb es still; wenige Minuten später rauschten die
Zweige aufs neue, eirr Mamr erlte aus dem Dickicht, sprang

Heiden könnte nicht das Christentum gebracht werden, wenn
alle Staaten gleich Baden, Ordensniederlassungen nicht
zuließen, denn die Missionen gingen von Orden und
Kongregationen aus. Ja, wenn, wenn! Wie wenig
der „glaubenslose" Staat Baden an den Ausgaben füc
kirchliche Zwecke kargt, bewcist ein Blick in das ordentliche
Bndget. Für die katholische Kirche sind 1902 vorgesehen
660 993 M„ 1903 553 000 M. Darunter befindet sich
der erzbischösliche Tischtitel mit 100 183 M. und die
Staatsdotation zur Anfbesserung gering besoldeter
Pfarrer mit 350 000 M. jährlich. Letztere Gabe ist eine
ganz freiwillige des Staates, und die Geistlichkeit hätte
wohl Ursache, sich dafnr erkenntlich zu zeig.en. Dazu sollen
noch die schon genannten Posten im Nachtragsbudget
hinzukommen, und zwar 35 000 M. als jährliche und
180 000 M. als einmalige Beiträge.

— Geh. Hosrat Dr. C I a u ß, der erste Direktor dec
Bad. Versorgungsanstalt, soll beabsichtigen, wegen eines
andauernden Augenleidens aus 1. Oktober zurückzutre-
ten. Als sein Nachfolger sei Ministerialrat Wein-
gärtner in Aussicht genommen.

Sachsen.

—- Tresden, 17. Juni. Die hiesigen Sozialdemo-
kraten haben es — ein neuer Beleg für ihre kaum über-
troffene, vielfach vorbildliche Organisation — in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit fertiggebracht, eine halbe Vril-
lion Mark für ein den Zwecken der Partei dienendes
Volkshans zu sammeln, das vor einigen Tagen
eröffnet worden ist. Es besteht aus zwei Gebäuden in
guter Lage. Das Hanptgrnndstück hat 15 Fenster Front.
Der solid ansgestattete Restaitzrationssaal im Drdge-
schoß, in dem sämtliche Partei- und fast alle Gewerk-
schaftsblätter aufliegen, gewährt etwa 200 Personen
Platz. Daneben liegt ein großes Vereins- und Ver-
sammlungszimmer, worin tagsüber ein paritätischer
Arbeitsnachweis errichtet ist. Der große Saal fnr all-
gemeine Versammlungen, Festlichkeiten, Vorträge usw-
liegt ebenfalls zu ebener Erde, zwischen beiden Grund-
stücken, und faßt mit den Gallerien über 800 PersoneN-
Jm ersten Stock befinden sich die Bureanräums der
Gewerkschaften, ein zweites großes Vereinszimmer, das
für etwa 120 Personen eingerichtet ist, mehrere kleinere
Sitzungszimmer und eine Anzahl Logierzimmer füc
Parteigenossen. Alles übrige bis zum vierten Stock wird
vorläufig vermietet. Das kleinere Grundstiick dient Re-
staurations- und Herbergszwecken. Sämtliche Räunw
sind elektrisch beleuchtet; im großen Saal allein sind 200
elektrische Lampen und vier «rroße Bogenlampen ange-
bracht. _

Ausland.

Frankreich.

Paris, 17. Juni. Der General Bonnal ist
aus drei Jahre in Nichtaktivität vom Kriegsminister ver-
setzt worden. Zu dieser Angelegenheit werden solgende
Einzelheiten mitgeteilt:'Bonnal hatte vor achtLehn Iah'
ren eine ziemlich bedeutende Geldsumms erhalten, welche
er als Geschenk ansah, während ein Gerichtsbeschluß
erklärte, diese Summe sei ihm lediglich zur Verwahrung
gegeben, mit der Verpflichtung, das Geld zurückzuer-
statten. Da Bonnal dies unterließ, strengte die Mutter'
des minderjährigen Eigentümers der Geldsnmme eineri
Prozeß an. Bonnal wurde zur Rückzahlung verurteilst
welche jedoch nur ratenweise ersolgte. Vor kurzew
wandte sich der inzwischen großjährig gewordene Prozeß'
gegner an den Kriegsminister, welcher sich veranlaßt sah,
die Angelegenheit dem Disziplinargericht zu unterbrei-
ten. Wie dsr „Temps" wissen will, sei die Disziplinar-
maßregel gegen Bonnal erfolgt in Widerspruch mit dew
Urteil des pnilitqrischen Uniersuchungsrates, der unter'
dem Lorsitz des General Duchesne die Frage zu beaml
worten hatte, ob General Vonnal sich einen Vorstoß gegeü
die Ehre habe zu schulden kommen lassen, der geeignel
sei, seine Verabschiedung herbeizuführen. Der Unter-
suchungsrat habe diese Frage verneint. Die Blätter hast
ten vor einigen Tagen diesen Ausgang unter Hinweis ci"l
den Namen, den sich General Bonnal als Offizier vjh'
der Front und im Felde, wie als militärischer Schrisl'
steller gemacht habe, mit Genugthuung begrüßt. Um
peinlicher berührt die Maßregelung des Generals durw
den Kriegsminister, mit dem Bonnal gestern eine läng'v
persönliche Unterredung gehabt hatte. Die NichtaktiR'
tät dauert drei Jahre; der so gemaßregelte Osfizier

trittna^Ablau^iese^Fris^mede^nda^Hee^urück'

Lber den Stratzengraben und bengte sich über den regungslr»

auf der Straße Liegenden. ,

„Herrgott im Himmel, is er tot?" stammelte der Äjst

kömmling, während er den regungslosen Körper untersuckm'
Das Mondlicht fiel hell auf sein bleiches Gesicht — es tva
der Hornegger Frcmzl. .

„Er lebt, was fang' ich aber jetzt mit ihm an?" stietz,^
Jäger, als er sich gleich darauf wieder emporrichtete, aufös.
regt hervor. „Jch allein kann den schweren Mann so wsis
net tragen, aber Urfeld is ja, Gott sei Dank, ganz in
Näh', und im Wirtshaus sind'F vielleicht nöch auf oder doo'
wenigstens leicht herauszuklopsen." ^

Cr warf den Riemen der Büchse über die Schulter P
rannte, so rasch ihn seine Fütze trugen, Urfeld und dem
sehr weit entfernten Gasthause zu.

Hier nun fand der Jäger freilich schon alle Fenster erlev"!
tet und das ganze Haus auf den Beinen, denn die Jnwoh^
waren durch die rasch hintereinander fallenden Schüsse aus m »
Schlafe aufgeschreckt nnd aus den Betten gelockt worden.
atemlos vor Eile und Erregung erzählte Franzl das Vorg^
fallene und rief mit seiner GefS^chte einen förmlichen AufrUd
nnter den Bewohnern und Gästen des Hauses hervor. . .x
„Herrgott, is's denn nur g'rad' menschenmöglich", rief ^ ^
Wirt, während er die Knechte, die Lichter und grotze TuA^j
hervorsuchten, zur Eile antrieb, „datz's ein' so schlechten
auf der Welt geb'n kannl Der arme, gute Herr Forstmerst^-
Macht's, tummelt's enk (euch), damjt er sich net mn ^
gar noch verblut't! Jch will hinauf auf Nummer
und -den Herrn Doktor Heim heraustrommeln, wenn er ^
vielleicht so schon in der Höh' is. Es is doch ein wahres
datz der Herr aus der Münchnerstadt g'rad bei mir sein--
merloschi (logis) g'nommen chat, nnd dah das llnglua
uah' bei mein'm Haus' passiert'-is."

(Forisetzung folzt.)
 
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