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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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Damii isi die Generaldiskussion geschlossen. Spezial-
diskussion findet nicht statt. Dcr Entwurf wird e i n st i m -
m i g angenommen.

Freiherr vou Rüdt berichtet weitcr über die Bitte der
Stadt Kandern und von 15 Gcmeinden nm Errichtung eines
Amtsgerichts in Kandern. Statt einen dritten Amtsrich-
ter in Lörpach anzustellen, möge man lieber eiuen Bezirk ab-
zweigen. Die Stadt Kandern sei bereit, ein ehemaligcs Schul-
haus als Lokal zur Verfügung zu stellen. Dic Petitions-
lommission giebt die Vorteilc für die Gcmcinden zwar zu,
glaubt aver, datz die Kanderthalbahn es sehr erleichtere, nach
Lörrach zu kommen und hebt die Grüirde hewor, die gegen
die Bitte sprcchen, namcntlich dcn llmstand, datz von den 35
iu Aussichk gcnommenen Gemeinden nur 15 sich der Bitte an-
geschlossen haben. Die nach dem Rhein zu gelegenen gravitie-
ren mehr nach Lörrach als nach Kandern. Mit nur 15 Ge-
meinden wäre ein Amtsrichter nicht genügend beschäftigt. Die
Petitionskommission verweist auch auf die Finanzlage uud
beantragt Ilebcrgang zur Tagesordnung. Wird ohne Erörte-
rung einstimmig angenommen.

Namcus dcr Kommission für Justiz und Vcrwaltung er-
stattet sodann Geh. Rat Lewald Bcricht über den Entwurf
eincs Gesetzes, die Abänderung dcs Landesgesetzes vom 24.
März 1888 über die A u s f ü h r u n g der U n f a l l- und
Krankenversicherung und des Landesgesetzes vom
7. Juni 1892 über die Ausführung dcr Krankenver-
sicherung bctreffcnd. Der ncue Entwurf bezwcckt keiue
grundsätzliche Aenderung, sondern nur dic Anpassung des
Landesgcsetzes' an das neue Reichsgesctz und zugleich eine
neuc, übersichtliche Redaktion. Eine Neucrung ist nur die
Bildung einer weiteren Klasse für die ganz kleinen Betriebe.
Obwohl die Kommission glaubt, datz dabci nur einc sehr ge-
ringe Ersparnis erzielt werde, so nxll sic doch nicht diese Be-
stimmung beanstanden. Redner bespricht im Anschlutz an eine
in dcr Zweiten Kammer gegebcne Anregung das Verhältnis
der Berufsgenossenschaft zur künftigen Landwirtschaftskammer,
die er getrenut zu halten empfiehlt. Die Kommission bean-
tragt Annahme ohne Aendcrung.

Dcr Antrag wird ohne' Erörtcrung cinstimmig angcnom-
men.

Gch. Hofrat Dr. Rümelin berichtet über die Bitte
des .Kassiers Kirchberger, der behauptet, dah ihm gegenüber
die Paragrap'hcu 5 und 28 des Bcamtcngesetzes vcrletzt wor-
den seien und eine authentische Jnterprctation verlangt. Jn
der Zweiten Kammcr ist hierzu cine Resolution beschlossen
worden, worin die Regierung znr Einleitung einer Aenderung
des Beamtcngesctzes aufgefordcrt wird. Der Bittsteller ist
durch eine Versetzuug aus Klasse 3 in Klasse Z? 3 zurück-
geschobcn worden. ^Die Kommission ist der Ansicht, datz dies
zulässig ist, nur muh dem Beamten der bisherige Gehalt be-
lassen werdcn. Eincn uneutzichbareu Anspruch auf die Aus-
sichten des Vorrückens giebt es nicht, wenn eiu Beamier eine
Stellung nicht auszufüllen imstande ist. Durch cin neues
Gesetz könnten diese Aussichten uuentziehbar gemacht werdeu,
und zwar wegen der Seltenheit dcr Fälle mit geringen finan-
zielleu Opfern. Einige Mitglieder der Kommission warcn
aber für Bclassung des jctzigen Zustandcs. Antrag: Ucber-
Weisung zur Llenntnisnähmc, wodurch das Haus eincm späte-
ren Gesetzentwurf gegenüber freie Hand üehält.

Ministcrialbirektor Heil dankt für den vorsichtig ge-
stellten Antrag der Kommission. Die Rcgierung habe vom
Standpunkt der allgemeincn Staatsintcrcssen aus Bedenken
gegen ciue Gesetzcsänderung. Die tüchtigen Beamten bedürfteu
einer Bcruhigung nicht, und wenn ein schuldbares Verhalten
vorlicge sübrigens ein sehr seltencr Fall), oder wenn die
Befähigung cines Beamien für eine Stelle nicht passe, so sei
es meist leicht, eiu Einverständnis mit dem Beamten auf Ver-
sctzung zu crreichen. Schwicrigkeiten seicn mcht hervorge-
tretcn; es sei am Platze, an die Aeudcrung dcs Gesetzes sehr
twrsichtig heranzutreton.

Nach kurzen Bcmerkungen des Berichterstatters, dahin
gehend, datz wenn die Regierung zu dem Ergcbnis komme, eine
Gesetzesänderuug für notwendig zu haltcn, mit dieser nicht
auf die ällgcmeinc Revision des Beamtengesctzes gewartet zu
werden brauche, wird der Antrag auf Ueberweisung zur Kennt-
nisnahme einstimmig angenommen.

Vizepräsidcnt Graf v. Bodman kündigt an, datz nächste
Woche drei Sitzungen stattfindeu sollen, nm das Budget bis
zum 28. Juni fertig zu bringen.

Nächste Sibung: Donnersrag, 26. Juni. Schlutz nach halb
11 Uhr.

L.O. Karlsruhe, 21. Juni. (109. Sitznng der
Zweiten Kammer.) Vor Einiritt in die Tagesordnung
widmet Präsident G ö n n e r dem verstorbenen König Albert
von Sachsen einen Nachruf.

Sodann wird die Beratung über den Gesetzentwurf be-
treffend die Abänderung des Gebäudeversicherungs-
gesetzes fortgesetzt.

Die Paragraphen 25 bis 32 werdeu uach den Kommissions-
beschlüsseu, die Berichterstatter Binz darlegt, ohne Debatte
genehmigt; desgleichen Art. 2, iu den von der Kommission
die Bestimmung aufgeuommeu wurde, datz alle auf die Ge-
bäudefünftcl bezüglicheu Verträge mit Privatvcrsicheruugs-
gesellschaften am 1. Januar 1912 auslaufen sollen.

Die Kommission schlägt dem Hause folgende Resolution
vor:

„Die Regieruüg möge erwägeu, ob nicht auch Versichc-

rungen von Rohbauten währeud der Vauausführung durch

die Gebäudevcrsicherungsanstalt crfolgen künne und über

Gerichte, dic ohne Zweifel dem Mörder seinen verdienteu
Lohu gcben werden."

Der Forstmcister nickte und faltete die Hände.

„Das sind die Gerichte Gottes," iggte cr leise und bc-
tvegt. „Der Elende wollte mir ans Lebcn und hat uun selbst
bei Ausübnng seiuer grausen That das seinige eingebützt. Nächst
Gott aber, dcr mich so gnädig aus Mörderhand errettet, habe
ich dem braven Horncgger, der mir so wackcr beigestauden, zu
daukeu. Uud doch hat sich sogar dcr Verdacht an ihn herauge-
wagt, und cs sind Stimmen laut geivorden, als ob er in eifer-
füchtigem Hah die Haud gegeu seinen Vorgesetzten erhoben.
Allein ich selbst habe von allem Anfang an nicht daran ge-
glaubt, und wenu ich auch die unschuldige Ursache gewesen
bin, datz Zwietracht zwischen ihm und sciuer Geliebten ent-
ftanden —"

„Jch biti', Herr Forstmeister," fiel hicr Franzl beschämt
und über nnd über erglüheud eiu, „sagen S' kein Wort mehr
wcitcrl Der Hcrr Assisteut hat mir aufm Heimweg schon allcs
verzählt, und ich seh's ja jetzt haarscharf eiu, datz ich ein stock-
blinder Dummian nnd Hornochs g'weseu bin. Freilich,
g'wutzt wcuu ich's halt hätt', daß dcr Hcrr Forstmeister ja
selber eine bildschöne Braut und im Sinn hat, bald Hochzeit
z' mach'n, nachher wär' mir eine so strohdumme Eifersucht
gar niemals net in'u Siun 'kommen. Aber vou der Marei,
von dcr gift's mich schou g'waltig, datz 's mir gleich so 'was
hat zutrau'n und nachher noch dazu gleich gar vor alle Leut'
ins G'sicht hat sag'u können."

„Nun, das müssen Sie ihr nicht gar so übel auslegen. mein
liebcr Hornegger," sagte Herr von Rüdheim uud reichte Franzl
die Hand. „Es war freilich unüberlegt von ihr, allein sie hat
sich eben vom erstcn Schreck und der ersten Aufregung fort-
reißeu lasseu. Sie hat wohl auch gebangt und gezittert für

das Ergebnis der Kammer Mitteilung machen, eveutuell
dem Laudtag einen entsprechcnden Gesetzentwurf vorlegeu."

Minister S ch e n k e l erklärt, datz durch das vorlicgende
Gesetz ein Gebäude, solange es nicht unter Dach ist, als Roh-
bau versichert werden darf. Jm übrigen werdc dic Regierung
gerne der Frage näher treten, wclche Gebäude als Rohbau
zu betrachten sind und ob es einer Abschätzung bedarf, uud
seinerzeit dem Landtag das Ergebnis der Untersuchung mit-
teilen, nötigenfalls ihm auch ciue entsprechende Vorlage nnter-
breiten.

Die Resolution wird angeuommen.

Ueber die zu dem Gesctzentwurf eingclaufeueu Petitionen
geht das Haus ohne Dcbatte zur Tagesordnung über.

Der Entwurf wird sodann einstimmig genehmigt.

Es folgt die Beratung dcs Gcsetzentwurfes betreffcud die
Erziehung und den Untcrricht nicht vollsinniger Kinder, über
welcheu Abg. Wilckens dcu Kommissionsbericht crstattet.
Bcreits im Juni 1900 ist dcr Gesetzentwurf der Kammcr
vorgelegt worden, konnte jedoch nicht zur Erledigung gelan-
geu. Jnzwischen ist derselbe anf eine audere Grundlage ge-
stcllt worden. Währeud die erste Norlage einen Anstaltszwgug
für solche Kiuder vorsah, bestimmt die jetzige Vorlage nur, datz
es den Elteru übcrlassen werdcn kanu, ob sie der Verpflich-
tung zum Unterricht eines solchen Kindes durch privaten
Untcrricht oder Abgabe an eine Anstalt nachkommcn wollen.
Hat der Zögling kein eigcnes Vcrmögeu und auch keine uuter-
haltspflichtige Verwandtc, so soll nicht der Armenverband, son-
dern die Gemeinde, in der däs Kind den Unterstützungswohnsitz
hat, beziehuugsweise der Kreis, dcsscn Landarmeuverband ein-
zutrcten hätte, aufkommeu. Ein Drittel des Aufwandes soll
die Staatskasse ersetzcn. Der Mchraufwand, welcher für
dic Staatskasse eintretcn wird, ist, insoweit die taubstummcn
und blinden Kinder in Betracht kommen, unter Berücksichtigung
der Kostcn des Betricbes einer ncucn Taubstummenanstalt,
wic solche behufs Durchführuiig dcs Gesetzes iu dcr nächsten
Budgetpcriodc errichtet werden soll, auf etwa 60 000 Mark
jährlich veranschlagt. Die Kommission beantragt, dem Eut-
wurf zuzustimmen.

Nach kurzen Ausführungen des Abgeordneten Dietcrle
(Zentr.), der aus vollcm Hcrzcn dcr Vorlage zustimmt, und
des Ministerialpräsidenten Frcihcrrn von Dusch, der die
Verzögerung der Vorlage auf zivilrcchtliche Gründe zurück-
führt, sowie des Abg. Geck (Soz.), der cine intensivere
Bekämpfuug der Kindcr-Jnfcktionskrankheiteu bcfürwortct,
wird dcr Gesetzentwurf einstimmig angenommcn.

Schlus; dcr Sitzung 1412 Nhr. Moutag: Nachtragsctat
und Vorlage betreffend Rheinregulicrnng.

Baden.

Baden-Baden, 21. Juni. Der Großherzog
begibt sich morgen Nachmittag nach DreSden zu den
Beisehungsfeierlichkeiten.

Hcssen.

Darmstadt, 20. Juni. Die Ztveite Kammer
beendete heute nach achttägiger Verhandlung die erste Le-
sung der Landtagswahlgesetz-Vorlage. Trotz des Wider-
spruches der Regierung wurde die Einführung der Wahl-
pflicht mit 29 gegen 14 Stimmen beschlossen. Die
Bestimmung nach der unentschuldigtes Fernbleiben von der
Wahl mit einer Buße jin Höhe eines Steuerzieles belegt
wird, wurde mit 22 gegen 17 Stimmen beschlossen.

Elsaß-Lothringcn.

Metz, 21. Juni. Das Allgcmeinbefinden des Generals
Grafen Häseler ist heute Morgen nach ärztlichem Gut-
achten befriedigend. Der Unterschenkelbruch ist ohne Com-
plicationen, eine gute Heilung ist daher wahrscheinlich.

Bapern.

München, 20. Juni, Die von dem Zweigverein des
EvangelischenBundes einbernfene große Versannn-
lung der Münchener Protestanten erhob Einsprnch gegen
die Beschimpfung durch die Flugblätter des Katholischen
Preßvereins. Sie erklärte ausdrücklich, Frieden mit deu
Katholiken halten zu wollen und keinerlei bayrische Los
von Rom-Bewegung zu unterstützen.

Preuße«.

— Biit dem Rezept gegen dic Trunk -
sucht, das vom preußischen Äbgeordnetenhanse der
Regiernng empfohlen wird (die gewünschte Vorlage soll
das Vcrbot des Spirituosenberkaufs an Personen nnter
16 Jahren enthaltcn und den Schluß der „Schänken"
während des Hauptgottesdienstes bewirken), beschästigte
sich auch das preuß. Herrenhaus aus Anlaß eines
Antrages von Levetzow, der dasselbe will. Einige dcr
Herren hielten von den vorgeschlagenen Mitteln nicht
viel: So sagte der Schlesier Graf Kospoth:

Jch bin selbst alter Korpsstudcnt und weitz, wic wir mit
eincr guten Menge von Wisscn dic Univcrsität vcrlassen habcn,
aber auch mit verdorbenem Magen. Bei mir ist der Magen
wicder gesund geworden. Es wärc ein grotzer Scgen, wcnn
bei dcn Korps der Trinkzwang aufhörte. Jn Kösen (bei dcr
alljährlichen Vertretervcrsammlung der Korps) aber habcn
einige crklärt, daß es ganz egal sei, ob er aufgehoben wird
oder nicht, man säuft doch freiwillig weiter. (Hciterkeit.)

Sie, und deshalb dürfen Sie ihr wohl verzeihcn und die Hand
znr Vcrsöhnung bieten. Wenn Sie mir eine grotze Freude
machen wollen, so vcrsöhncn Sie sich hier vor meinen Augcn
mit Jhrcm Schatz. Jhr habt bcide gefehlt mit Eurem Verdacht
— eins hat dem andcrn Unrecht gcthan, und drum werdet Jhr
Euch anch nicht weigern, cinandcr nm Verzeihung zu bittcn
nnd die Hand zur Vcrsöhnung zu reichen. Jch aber werde
dafür sorgcn, datz Jhr bald cin Paar wcrdet nnd Hochzcit
machen könnt."

„Herr Forstmeister," ricf Franzl in freudigcm Schrcck.
„Ja — Herrgott im Himinel, hab' ich denn wirklich auch
recht gehört?"

„Ja, Hornegger," sagtc Hcrr von Rüdheim frcundlich,
„so soll es geschehen. Jch wcitz zwar, datz Jhr beide arm seid,
abcr ich werde dafür sorgen, datz Sie baldigst cine feste An-
stcllung als Forstwart und die Hciratsbewilligung von der vor-
gcsetzten Behörde erhalten. Auch werde ich Euch ausstatten
nnd das alte Häuschen der Mutter Mareis niederreitzen und
cin hübsches Jägerhaus dort aufführen lassen. Darin sollt
Jhr dann wohnen, und die paar Grundstücke, die dazu gehören,
aber belastet sind, werdc ich ebcnfalls frei machen. Nein,
kcincn Dank? mein licbcr Horncgger! Jch bin in Jhrer
Schuld, und die will ich abtragen, was mir, gottlob, auch
möglich ist, da ich von Haus ans wohlhabend bin. Und jetzt,
mein lieber Herr Grubcr, thun Sie mir den Gefallen und
holcn Sie mir schleunigst die Marei herbei, damit wir auch
mit ihr reden und heute noch alles in Richtigkeit bringen
können."

Bald darauf stand auch das Mädchen purpurrot vor Vcr«
wirrung und Freude vor dem Forstmeister. Und als dieser
lächelnd ihre Hand fatzte, und sie in die Hand Franzl's legte,

Die alten Deutschen waren trotz des Trinkens die stärkste und
siegreichste Nation. Wenn die Regierung dafür sorgt, datz dec
Branntwein nicht im Uebermaß genossen wird, dann wird die
dcntsche Nation ihre Kraft erhalten und die äußern Feinde
aufs Haupt schlagen, so wie einst die alten Römer. (Beifall.)

Ter Ostpreuße Graf Schlieben wies ganz richtig da-
ranf hin, daß die Gastwirte es einem Ltnnden doch nicht
ansehen können, ob er erst 15^ oder schon 16 Jahre vor-
bei ist nnd fuhr fort:

Sodann muß der Begriff Schänke gehörig definiert wer-
den; wir wollen doch nicht für die oberen Zehntausend eine
Ausnahme machen, daß die sich besaufen können, wcnn sie Lust
haüen, die armen Arbeiter aber, die durch ihre soziale Stellung
darauf angewiesn sind, statt Rotspohn Schnaps zu trinken-
nicht. Trunkenheit dürfte vor Gericht nicht Milderungsgrund,
sondern gerade Verschärfungsgrund sein; jetzt ist es gerade
eine Prämie auf das Betrunkensein. Datz wir aber alle zwölf
Punkte des Antrages annehmen, ist ganz unmöglich; machen
Sie Bestimmungen, welche Sie wollen, der 8 11 bleibt doch
bestehen. (Heiterkeit und Beifall.)

Auch dio Prenßische Regiernng hält den vorge-
schlagenen Weg wohl nicht für gangbar; sie wird, wie
Minister von Harnmerstein erklärte, vor Einbringung
einer Vorlage e r st p rüfen, ob ein Eingreifen der
Landesgesetzgebnng möglich ist. Der Schluß der
„Schänken" zum Beispiel, der weniger zur Bekämpsung
des Alkohols als aus kirchlichem Interesse gefordert
wird (im Abgeordnetenhanse wurde das ossen zugegeben)
ist in dieser Einseitigkeit unansführbar, anch kaum ver-
einbar mit dei: Reichsgewerbeordmmg.

Ausland.

Oesterreich-Ungarn.

Pest, 21. Juni. Jn der heute srüh erscheinendeN
Nummer des „Amtsblattes" erscheint solgende Veröffent-
lichung:Der ThronfolgerErzherzog F ranzFerdinand
wohnt der Krönungsfeier in London in Vertretung des
Kaisers bei. Es ist Sitte, daß bei solchen Reisen eine
größere Begleitnng aus den Kreisen genominen wird, die
dem gewöhnlicheu Hofstaate nicht angehören. Bei der Aus-
wahl wird auch darauf Bedacht genommen, daß der V '"
gleitung der Vertretung des Kaisers und Köuigs Staats-
angehörige beider Staaten zugeteilt werden, wobei die AbsE
föderalistischer Gruppicrung in der Zusammenstellung der
Begleitung, wie letzteres irrtümlicherweise im vorliegendell
Falle vielfach angenommen wurde, ausgeschlossen ist. 3"
seiner Eigenschaft als Vertreter des Königs wird der ErZ^
herzog von dem ungarischen Bannerherrn, Oberst-Mnndschel'
Grafen Festetics begleitet sein. (Außerdem nimmt der
Erzherzog, wie schon bei einer früheren Gelegenheit, einen
deutschen, einen czechischen und einen polnischen Kcwalier mü-t
Englaud.

London, 21. Juni. Dem Beifpiele der irischen
lamentarier folgend, hat die vereinigte irische Liga
schlossen, den Krönungstag als Trauertag ^
Jrland zu begehen und durch Zweigvereine im ganze»
LandeTraucrmeeting^bhalter^i^lassen^^^^^^^^

Bortrag in der nationat-soziaten Wereinigurrg'

H eid el b e rg, dcn 23. JuM-

Den Höhepunkt, gleichzeitig aber auch den Abschluß d-
regelmäßig wicdcrholten Zusammenkünfte der Freien natioiw -
sozialen Bereiniguug in diesem Semester bildete die Versaww,
lung am Freitag, die wiederum unter recht großer BcteiliguNv
im „Prinz Mäx" stattfand. Das Thcma des Vortrages-
„Arbeitergcnossenschaften", den Prof. Rathgen hier hlw '
bot viel Beachtenswcrtes. Die beredten Ausführungen
Vortragendcn fanden ungeteilte Aufmcrksamkeit und dan .
bare Anerkenmmg. Ausgehcnd von den Bestrebungen -L
Freien national-sozialcn Vereinigung, deren ProgramM M ^.
Stellung zu den Genossenschaften erörtcrnd, schilderte /
Redner zunächst dic Bedeutung und den Zweck der Geiiolie
schaften überhanpt, um dann auf deren verschiedene BilMl
gen und Sonderbestrebungen einzugehen. Bei den GenoM'
schaften sind zwei Hauptrichtnngen zu unterscheidcn, sow^
die die Produktion bezwecken und solche, die lcdiglich für
Verbrauchsverwertung eintreten. Die erstere GenossenschMM,
bildung, die Produktions-Associatiou, eiue Vcrciniguiig
Arbeitern, dic diesen und den Fabrikantcn in eincr Plwl)
darstellen, hat wenig Erfolge aufzuweisen. Die ErwartuE'

die. von ihren Gründern an die Produktions-Associatio» öi

knüpft imirdcn, haben sich nicht erfüllt, demi ihr fehleu !
manche imtcrschätzte Momcnte, so daß eine Blütc von gcU'w.
lichen Genosscnschafts-Großbetrieben wohl nie eintrcten lM.

s"

Anders ist es dagegcn mit den Verbrauchsgenossenschafteu,


ren Bildung mit den 60er Jahren einsetzte. Diese Genoll^.,,
schaften, wozu in erster Linie die Konsumvereine zählcn, hlw tz
cine grotze Ausdehming gewonnen, was durch das
über das Genossenschaftswesen noch gefördert wurde. Dic D-,l
deutung der Konsumvereine — diese bildeten den Haupu^e
des Vortrages — ist unverkennbar. Man mag über L.
Konsumveremc sonst dcnken wie man will, der spriugc>

--—-—-

da konnte sic sich nicht mchr halten, und aufjubelnd vor ls
nnd Seligkeit warf sie sich an die Brust des Geliebteu.

„Ja, is's dcnn mir g'rad' möglich?" rief sie. „Jchkw„,-,
ja noch gar net glaub'n und alles kommt mir bor, wic a sw
glücklicher Traam! Und die Mutter, was wird die M ,hi-'
dazu sag'n! Komm, Franzl, die Nachricht, müsscn wic
auf der Stell' bringen!" -.gt

„Ja, das thnt," sagte lächelnd der Forstmcister. Uno l,,z
ihr, in sechs Wochen — bis dahin werde ich wohl wiedco
gesund sein — soll in Kochel an ein und demselben Tagc.^„,i
Doppelhochzcit gefeiert werden, und sie könne sich jetzt '
frencn aus Hochzeitsmahl und Hochzeitstanz.

Als dcr crste Jubel vorbei war, wollte das glücklichc .1-^,1-
bor dcm Hausherrn niederknieen und seine Hände
allein dcr Forstmeister winkte und wehrte lächelnd ab,
aber schob die beiden sanft zur Thüre und wenige AugcU.„§d
später eilten fiic vom Glücke wie berauschten Hand iu ^
die Dorfftratze himmter dem Häuschen der alten chp

Ein paar Wochcn später klangen auch die Hochzeiisg „tzic
gar fröhlich vom Turme der Pfarrkirche in Kochel, und

Scharen eilten von allen Seiten herbei, stiegen von „,iU
gen nieder und kamen über den See, um die beiden
paare zu sehen, die heute der würdige Pfarrherr in dcr ^
kirche zusammengebcn sollte fürs ganze Leben. Und uaa^^c

Trauung erst! Ein so fröhliches Leben und Treibeu
noch nie im alten Postwirtshause geherrscht wie heutc
Hochzeitmahl ging fröhlich vorüber, und als die Drow^heo
lustig schmeiterteu, da bot Herr von Rüdheim der erro
Marei die Hand und schwaug sich mit ihr im fröhlia>e>
gen, Franzl, der glückstrahlende Bräutigam aber tauz
der jungen reizenden Gattin des Forstmeisters.

— Ende. — . - -"
 
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