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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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ZSadischer Landtag.

LO. Karlsruhe, 26. Funi. (B a h n P r o j e k t.) Die
Firma Vehring und Wächter hat sich 'bereit ertlärt, den
Bau der normalspurigen 10,6 Kilomcter langen Neben-
bahn von Biberach über Zell nach Oberhar-
mersbach herzusrelten und in Betrieb zn nehmen,
wenn ihr vertragsmäßig die unentgeltliche und lastenfreie
Ueberweisung des zum Bahnbau erforderlichen Gelän-
des sowie die Uebernahme der damit verbundenen Neben-
kosten von den Gemeinden und Jnteressenten zugesichert
und ein Barbetrag zu den Baukosten in der Höhe von
30 000 Mk. für das Kilometer, im Ganzen akso 318 000
Mark von Seiten des Staates bewilligt wird. Durch die
Bahnerstellung würde das an Naturschönheiten reiche
Harmersbachthal unmittelbar erschlossen, das Nordrach-
thal mit den stark besuchten Lungenheilanstalten und dem
stets steigenden Güterverkehr lder Schwarzwaldbahn
nm einige Kilometer näher gerückt. Die Baukosten sind
in den geprüften Voranschlägen zu 1 210 000 Mk. er-
mittelt; die Kosten des Grunderwerbs wurden von dem
Komitee auf 186 000 Mk. festgestellt, so daß als reine
Baukosten chnschlieszlich der Bietriebsmittel 1 025 000
Mark verbleiben oder auf das Kilometer 96 690 Mk. Bei
den bisher mit staatlicher Unterstühung zur Verwirtlich-
nng gebrachten Bahnprojekten kommt ein ähnlich hoher
kilometrischer Bauanfwand nur bei der Bahn von Wall-
dürn nach Hardheim mit 93 800 Mk. vor. Die Be-
triebseinnahmen werden zu 67 600 Mk., die Betriebs-
ausgaben zu 46 000 Mk. geschätzt, so daß sich ein jähr-
licher Ueberschuß von 21 600 Mk. ergeben würde. Diese
Summe würde genügen, um ein Kapital von 716 667
Mark zu 3 Prozent jährlich zu verzinsen. Da die eigent-
lichen Baukosten 1 025 000 Mk. betragen, so find
308 338 Mk. durch Staatszuschuß aufzubringen. Die
Großh. Regierung ist der Ansicht, daß diese in ihrem
Gesamtbetrag nicht allzu hohe Beihilfe aus der Staats-
kasse gewährt werden sollte, da die Seitenbahn, deren
Ausfüihrung durch den Staat nicht in Aussicht genoni-
men werden kann, sür die Land- und Forstwirtschast und
die Jndustrie des Harmersbachthales sehr förderlich sein
wird und in dieser Beziehung das Zustandekommen des
Unternehmens auch vom Standpunkte der staatlichen
Jnteressen wünschenswert erscheint.

— Der an Stelle Küglers zuni Präsidenten
des Oberverwaltungsgerichts ernannte
Ministerialdirektor im Ministeriuni des Jnnern, Doktor
Peters, steht jetzt im 61. Lebensjahre. Nach seiner
Wirksamkeit in der Provinz Schleswig als Rechtsanwalt
und Notar wurde er nach Durchführung der Steuer-
reform zum Mitglied des Oberverwaltungsgerichts be-
rufen und dann vor einigen Jahren in das Ministerium
des Jnnern. Als Parlamentarier gehörte Dr. Peters
sowohl im Reichstaq wie im Landtag lvon 1886 bis
1893) der n a t i o n a l l i b e r a l e n Partei an.

Ausland.

Schweiz.

— Die Studenten der B e r n e r Hochschüle, die deur
Professor Vetter eine Katzenmnsik darbrach-
ten, sind aus der französischen Schweiz und 'dem Tessin.
Sie führten ihre Absicht nur teilweise und unter Schwie-
rigkeiten aus. Die Polizei nämlich roch Lunte und
rückte mit dem Polizeidirektor und dem Polizeihaupt-
mann zum Bärengraben hinunter, in dessen Nähe Prof.
Vetter in einem Chalet auf einer Anhöhe wohnt. Die
Polizei bezog in mohreren Mteilungen gedeckte Stellun-
gen. An dem öffentlichen, schmalen Wege, wo Vetter
wohnt, zogen gegen 10 llhr etwa 100 meist junge
Studenten hinauf. Nachdem ihre Produktion einigs
Minuten gedauert hatte, drang die Polizei aus dem
Dunkel hervor und versprengte die musizierenden Musen-
söhne in der Richtung des Bärengrabens. Die Stu-
denten, unwillig über die Störung ihrer musikalischen
Aufführung. schlugen mit ihren Stöcken, worauf die
Polizisten blank zogen und dabei mehrere Personen, da-
runter auch einen Zuschaucr, verwundeten. Drei Ver-
haftungen wurden vorgenommen.

Asien.

Schanghai, Mitte Mai. Jm Jahre 1899
wählten die Mandarinen und Standespersonen von
Hangtschau dreißig der begabtesten Schüler aus
dieser Stadt und schickten sie für drei Jahre nach Japan.

Lltere Kusine, bei welcher sie am Vormittag abgestiegen war,
mit.

„Bitte, melden Sie mich Herrn Riedel", sagte sie, indem
sie ihre Karte abgab.

„Herr Riedel ist krank", erwiderte der Diener.

„Jch weiß es, melden Sie ihm, datz ich ihn in einer
für ihn höchst wichtigen Sache zu sprechen wünsche."

Der Diener verschwand und kam einige Minuten darauf,
um die Dame herein zu geleiten.

Der grauhaarige Mami mit den eingesunkenen Wangen,
der da lag, fragte mit matter Stimme nach ihrem Begehr.

„Jch kommc im Jnteresse von Horst Elfinger," sagte
Leonie.

Der Kranke fuhr auf und sah sie angstvoll an.

Leonie heftete ihre leuchtenden Augen auf den Mann
vor ihr; ein plötzlicher Jnstinkt, wie er nur Frauen kommen
kann, beseelte sie, und ihre Blicke bohrten sich förmlich in
die ihres Feindes.

„Sie haben Horst Clfinger ins Gefängnis gebracht", fuhr
sie fort.

„Jch?" stöhnte Riedel. „Wie sollte ich — was konnte
tch dafür -—?"

„Sie haben ihn ins Gefängnis gebracht. Und morgen
tvird er sein Alibi erbringen."

Nochmals fuhr Riedel auf, doch sank er kraftlos wieder
zurück. Er bewegte unruhig die Hände.

„Der Prozetz ist beendigt."

„Er wird wieder aufgenommen werden."

„Nun gut. Und was weiter?"

Leonie fühlte ihr Blut stocken. Der Schlag ins Blaue,
den sie jetzt führen wollte, ging um Tod und Leben; aber
sie zögerte nicht. Mit der Gewitzheit, die eine ahnungsvolle
Regung zu schaffen vermag, verfolgte sie ihr Ziel.

„Was weiter?" fragte sie. „Wo befanden Sie sich, Herr
Riedel, in der Nacht zum zwölften Juni?"

Das Gesicht des Kranken wurde «schgrau.

„Fch? Was soll die Frage?" .

Zwanzig von ihnen beschäftigten sich dort mit Kunst und
Wissenschaft, während öie nbrigen zehn die Militärschulen
besnchten. Da die vorgesehenen drei Jahre nun ver-
gangen sind, so hat der Owuverneur der Provinz Tsche-
kiang die jungen Leute angewiesen, nach seiner Haript-
stadt Hangtschau znrückzukehren, daniit sie dort Lehrer
an den neu eingerichteten höheren Schulen für die „Wis-
senschaften des Westens" würden. Denjenigen unter
ihnen, die eine besonders hervorragende Begabung zei-
gen, soll sedoch Gelegenheit gegcben werden, sich in euro-
päischen Ländern noch mehr anszubilden. Ferner will
man weiter dreißig Zöglinge nach Japan schicken, die
die zurückkehrenden ablösen sollen, und nach drei Jahren
gedenkt man wieder ebenso zu verfahren, bis eine ge-
nügende Zahl von Lehrern vorhanden ist. Alles dies
klingt sehr schön und es ist ia auch ganz anerkennens-
wert. Das Schlimnie dabei ist in China nnr, daß der-
gleichen Maßregeln immer anf zwei Augen stehen. Stirbt
der Gouverneur von Tschekiang oder wird er versetzt,
so ist sein Nachfolger in keiner Weise an irgendwelche
Verordnungen seines Vorgängers gebunden. Die Zen-
tralregierung in Peking hat allerdings kürzlich sämtlichen
Vizekönigen und Gouverneuren befohlen, in ihren Pro-
'vinzen höheve Schuslen für die „Wissenschaft des
Westeiis" zu errichten. Aber woher die hohen Bian-
darinen die Lehrkräfte dafür nehmen sollrn, ist nicht
dabei gesagt. Was China zunächst braucht, das sind
wie die „Berl. Ztg." sehr richtig hervorhebt, nicht Hoch-
schulen, da deren Lehrstoff für die allermeisten Zöglinge
noch unverdanlich ist, sondern gute, nach fremdem Muster
eingerichtete Elementarschulen, auf denen sich später wei-
ter bauen läßt. ^olaiige man dies in Peking nicht ein-
sieht, kann bei den ganzen Reformbestrebnngen nicht
viel herauskommen.

Amerika.

— Jm Kohlengebiet der Vereinigten Staaten
ist ein aklgemeiner Aiusstand ausgebrochen,
vor dem sich die kolossale Geldmacht des Trusts vorläu-
fig als ohnmächtig erweist. Die zur Belegung der Streik-
bewegung eingeleiteten Verhandlnngen sind resultatkos
verlaufen. Die Folge davon ist, daß im Osten die Zahl
der Bahnzüge aus Kohlenmangel ganz erheblich einge-
schränkt werden niuß. Handel und Verkehr stocken,
große Fabriken stehen still, die Hochöfen werden ansge-
blasen, nnd aus dein Ausstand entwickelt sich öer Auf-
stand. Die Arbeitgeber und 'Fabi/ikdirektorckn suchen
einen teilweisen Betrieb aufrecht zu erhalteu und bewaff-
nen dic Streikbrecher; schon ist es zu wütenden Kämpsen
mit Revolvern und Dynamit gekommen. Die Polizei ist
den organisierten Massen gegenüber meistens machtlos,
und die Milizen sind unzuverlässig; das stehende Heer
ist neulich erst wieder verringert worden und wird ledig-
lich für den Kampf anf den Philippinen verwändt. Jn
dem Anarchistennest Paterson ist Mord und Totschlag
die Losung: der Bürgermeister bewaffnete ein Korps
gegsn die Anarchisten nnd erklärte ste für vogelfrei, wo-
gegen diese eine Proklamation erließen, in 'der sie zur
Niederbrennung der Fabriken und Ermordnng des Bür-
germeisters öffentlich auffordertcn. Die Hand des einen
ist wider die des anderen. das Ende dieser grauenvollen
Znstände ist noch gar nicht abzusehen.

Aus Stadt und Land.

Aglasterhausen, 23. Juni. Badegelegenheit.)
Dem Bedürfnis, in einer Gemeinde eine Badeanstalt zu be-
sitzen, hat nun die Firma Scherer und Klempp, Peitschenfabrik
dahier, dadurch Rechnung getragen, indem sie im Bereiche ihres
Etablissements einen entsprechenden Baderaum geschaffen, den
sie in sehr dankenswerter Weise auch den Einwohnern zur Ver-
sügnng gestcllt hat.

80. Karlsruhe, 28. Juni. (Jn ärztlichen Krei-
sen) dürfte ein unlängst ergangenes Urteil des Oberlandes-
gerichtes interessieren. Ein praktischer Arzt hatte sich gewei-
gert, in dem von ihm ausznfüllenden Sterbeschein die genane
Todesursache seines Patienten anzugeben, weil die Angehöri-
gen des Verstorbenen die Bekanntgabe der betreffenden Todes-
ursache (Moholvergiftung) nicht wünschten und hatte sich des-
halb darauf beschränkt, Nervenleiden anzuführen. Er hielt
diese Weigerung zu näherer Angabe auch aufrecht, als das
Bezirksamt in Uebereinstimmung mit dem Bezirksarzte und
einem Erlasse des Ministeriums des Jnnern die Angabe der
Todesursache nach der sogenannten Virchowschen Nomenklatur
verlangte. Es wurde deshalb gegen den Arzt wegen Ueber-
tretnng des Paragraph 134 des badischen Polizeistrafgesetz-
buchs bezw. der auf diese Gesetzesvorschrift gegründeten Ver-
ordnung des Ministeriums des Jnnern bom 11. Dezember

1888 betrefferrd die Berufspflichten der Aerzts durch Straf--
verfügung des Bezirksamtes auf eine Geldstrafe von 20 Mk.
erkannt. Nach Ziffer 3 der genannten Verordnung werden
die Aerzte u. a. für verpfsichtet erklärt. nach Matzgabe der
bestehenden Verordnungen die für die Medizinalstatistik erfor-
dcrlichen Angaben zu machen. Der Arzt stellte gegen die
Strafverfügung Antrag auf gerichtliche Entscheidung und das
Amtsgericht hob die Strafverfügung auch thatsächlich auf. Die
Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende
schöffengerichtliche Urteil hatte jedoch den Crfolg, datz der Arzt
. vom Landgericht wieder zu der ursprünglich festgesetzten Geld-
strafe verurteilt wurde. Das Oberlandesgericht verwarf seine
gegeii dieses Urteil eingelegte Revision. Letzteres stützte die
Verpflichtung des Arztes zu genauer Angabe der Todesursache
zwar ebenfalls auf die obeu genannte Verordnung über die
Berufspflichten der Aerzte, wich aber insofern von der Auf-
fassung des Landgerichts ab, als es die „bestehende Verord-
nrmg", auf Grund welcher der Arzt die erforderlichen statisti-
schen Angaben zu machen habe, nicht in dem „Erlasse" des
Miiristeriums über die Virchowsche Nomenklatur fand (dies sei
keine Verordnuiig), sondern in der Leichenschauberordnung,
welche den Arzt verpflichtete, die Art der Krankheit im Sterbe-
schein anzugeben. Die Einwendungen des Arztes, die Todcs-
ursache sei ein Privatgeheimnis, welches ihm nur als Arzt des
Berstorbenen bekannt sei und gegen den Willen der Angehöri-
gen nicht veröffentlicht werden dürfe, wurde nicht als stich-
haltig anerkarmt.

Heidelberger BereinsangelegettheiLen.

i. Gartenbauverein. Die vorgestrige Monatsversammlung
des Gartenbauvereins in der Harmonie brachte den Mitglie-

dern wiederum einen prächtigen Vortrag.Das Thema, wor-

über der Redner des Abends, Bäron v. G ö l e r, sprach-
betraf „Die Zwergobstbäume und dereu Formen". Zunüchst
auf die Bedeutung des Wortes Zwergobstbaum eingehend, er-
klärte der Vortragende in lebhafter Schilderung die Entstehuug
und Entwickelung dieser von dcn Gartenfreunden sehr geschätz-
ten Bäume. Die Zwergobstbäume sind gewöhnlich keine sot-
chen, die aus dem Kern hervorgebracht werden, denn solche
Gewächse würden nicht die Grötzen einhalten, die beabsichtigt
sind. Die Zwergbäume werden in der Regel auf strauchför-
migen Unterlagen gezogen, wozu die Quitte, der Weitzdorn
und audere mehr sich sehr gut eignen. Die Frage, warum ge-
rade die Zwergobstbäume bei den Gartenfreunden so grotze
Aiiwenduug und Anerkennung gefuriden haben, findet ihre Be-
antwortung einmal in der bequemenBehandlung und Ernte und
dann auch in der Dankbarkeit dieser Bäume. Die, wclche aus
solch strauchförmiger Unterlage gezogen werden, sind zehn
Jahre früher ertragsfähig als cmdere. Bei den Zwergobst-
bäumen hat man nun die verschiedensten Formen beliebt, gebun-
den sowohl wie frei. Die Formbäume, wie sie auch heitzen-
eine Erfinduug der Franzosen, bilden einen schönen Schrnuck
für Geländer und Mauern. Als Spalierbäume erhalten
sie die Ausdehnung mehr in der Breite als in die Höhe-
Die einfachste Form ist die sogenannte Q-Form. Bci
Centimeter Stammhöhe teilt sich der Baum iu zwei Aeste, die
gewöhnlich 30 Centimeter von einander entfernt sind und min-
destens 4 Meter hoch werden. Weiter giebt es dann die glei-
chen Bäume mit 4, 8, 12 und mehr aufsteigenden Aesten. MaN
neiint diese Zwergbänme Palmetten. Als weitere Form tretest
noch Palmetten mit schrägen Aesten in Erscheinung, die 2 bis
3 Moter hoch werden. Die Kordons oder Schnurbäume, eine
andere Abart, treibt die Aeste in regelmätzigen Abständen
zu beiden Seiten des Stammes hervor. Die Absicht, sie mög-
lichst klein zu halten, wird durch Anpflanzungen in geringen
Abständen erreicht. Schiefe Kordons, die 3 Meter hoch wee-
den, in der Lange gemessen, wagerechte Kordons, eine verkrüp-
pelte Form, zweiarmig und einarmig, beschlietzen die Reihe deü
Zwergbäume in gebundenen Formen. Von den freistehenden
Zwergbäumen ist in erster Linie die Pyramide zu nennen, em
Baum, der 2 bis 7 Meter hoch, eine Stammhöhe von
Centimeter hat und der die Aeste (gewöhnlich 6) zu beiden
Seiten) in aufsteigender Richtung in regclmätzigen Abständen
hervorbringt. Die Aufzucht eines guten Pyramidenbauin^
erfordert eine große Kunst des Gärtners. Nach kurzer Schllf^)
rung der unregelmätzigen Pyramiden, der Spindel oder Spu^
delpyramide, kam der Vortragende noch eingehend auf ZeN
Buschbaum, eine verwilderte Art, zu sprechen. Er empfab
diesen als einzig richtig freistehende Form angelegentlich
Anpflanzung. Mit dem freundlichen Versprechen, über
Pflege, den Schnitt der Zwergbäume und die BeschaffeE?
der Stellagen später einen Vortrag halten zu wollen, sckst^
Herr Baron v. Göler die dankenswerten und belehrenden Avs-
führungen, die er durch Skizzen von den angeführten Bäurn^
wirksam unterstütztc. Der Vorsitzende Hofrat Dr. Pfist/„
machte die Anwesenden dann noch auf zwei der Narcisst^
ähnelnden wohlriechenden Zwiebelgewächse aufmerksam,
vor die übliche Verlosung ihren Anfcmg nahm.

Kleine Zeitung.

— Hochschulnachricht. Man schreibt der „Frank^
Zeitung": Die deutschen Nniversitäten zählen in diestst

„Nun?"

„Jch war in Jnterlaken."

„Neinl" rief Lconie, und ihre sonore Stimme bebte vor
rasender Erwartung. „Sie waren vom zehnten bis zum
vierzehnten Juni nicht in Jnterlaken — sondern hierl"

„Mein Gott", stöhnte Riedel, „mein Gott, mein Gottl"

„Antworten Siel" herrschte Leonie. Die Depesche, welche
Jhnen nach Jnterlaken am zwölften gesandt wurde, blieb
zwei Tage unbeantwortet. Sie logen —- ja, Sie logen da-
mals, Sie wären auf einer Höhentour begriffen gewesenl

— Nun aber hat Horst Elfinger Freunde — nnd jetzt, jetzt
endlich kommt die Wahrheit ans Lichtl"

Riedel lag in schwerer Ohnmacht.

Leonie pretzte dic Hand ihrer Kusine zwischen ihren beiden
wie einc Maschine. Sie wutzte, datz sich in diesen Stunden
ein gewaltiger Umschwung für ihr Leben vollzog. Nur eines
erflehte sie jetzt mit bebender Angst vom Himmel: datz Riedel
vor Zeugen seine Schuld bekennen, und somit die öffentliche
Besprechung jenes nächtlichen Besuches unnötig werden möchte.
Denii wer, wer würde ihr denn glauben, datz jene Zusammen-
kunft ihre Ehre nicht verletzt habel

Als Riedel endlich erwachte, winkten der herbeigerufene
Arzt und der Krcmkenwärter Leonie Schweigen zu. Mlein
sie war entschlossen, den Kampf bis zu Ende zu kämpfen.

„Doktor," flüsterte der Kranke, „es geht zu Ende — laffen
Sie meine Hand los — und hören Sie zu — ich mutz reden

— nein, ich kann nicht mehr warten l"

Erschöpft hielt er einen Augenblick inne. Dann, die matten
Augen ms Leere gerichtct, fuhr er fort:

„Das Geld — damals im Juni — habe ich selbst gestohlen.
Jch hatte Börsenschulden, schon lange, von denen Elfinger
nichts wußte. Dann wollte ich die Leute auf falsche FKHrte
locken. — Jch selbst habe am nächften Morgen das Geld in
Elfingers Schrank gelegt — ich konnte in seine Wohrnmg un-
bemerkt gelangen, in keine andere so — es ist ja auch alles
gelungen" — der Kranke lächelte fast — „nur hatte ich nicht
gewutzt, -aß ich es nicht aushalten würde."

Atemlos lauschten alle.


Riedels Züge veränderten

znsehends. Er seufzte ein paarmal tief auf, dann
er fort:

„Jch war all mein Lebtag ein Spieler. Jch konnte nchl.
dafür, es war angeerbt; und dann wußten anch nur westi^
davonl Aber schlecht war ich nie — bis zu diesem Jnrn ^
da stand mir das Waffer bis an den Hals, und ich stahk O
Papiere, für welche ich keine Garantie übernommen hM^j
sie gehörten Elfingers Freunden, die sie ihm privatim und H
dem Geschäft übergeben hatten.

Als ich es gethan hatte — Fhr seht es ja, da ging -A
daran zu Grunde. Könnte ich leben bleiben, so mühte
ohnehin Konkurs anmelden, es ist nnn am besten so, wie es
Elfinger soll mir verzeihen —" ,

Eine neue Ohrimacht nmfing Riedel. Ilnd ans diestr

wachte er nicht mehr. —-- „

Wenige Tage später sprang die Gefängnisthüre für V
Elfinger auf, und Leonie stürzte in seine Arme.

Horst hielt sein Lieb umschlungen und schwor zu den ^
nen, datz sie nnn sein Weib werden müffe.

Dem alten Geheimrat blieb keine Wahl als ja zu M
oder Leonies Namen gebrandmarkt zu sehen.

„Jch habe mir keine Schuld vorzuwerfen, Papa", sass^ »g
schöne Mädchen. „Aber wenn du uns jetzt nicht hei^v^e
lätzt, so schwöre ich dir, datz ich dafür sorgen werde, datz ^ji:
nächtliche Zusammenknnft bekannt wird, nnd du kannn
denken, welcher Gkcmdal daraus entst'ehen würde. Sage
„Ja". — Sieh, du wirst alt, wir wollen alle vergcmgenen,
Worte vergessen und miteinander glücklich sein, willst ^

Er wollte zwar nicht, aber er mutzte.

Und nachdem er Elfinger als Schwiegersohn aufg^^jt^
men und seine Tochter eine seinen Mitteln entsprechende
gift gegeben hatte, that er den Mitwelt den Gefallen, zu
ben. sa^

Leonie hat nie wieder zntreffende Ahnungen gehabt,
aber auch, datz sie mit dieser einen Probe zufrieden 3^' ^
jei. '
 
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