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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Migge, Leberecht: Miet-Wohnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0393

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379

MIET-WOHNUNGEN.

Hamburg hatte auch seine Ausstellung. Für »Wohn-
ungswesen, Hauswirtschaft und Volksernährung«
nannte sie sich. Von der Bojarentruhe über die Bouillon
zum »Stearinlichtkandelaber mit elektrischen Flammen«,
von der Stiefelwichse über die Lilienvase zum »gemüt-
lichen Kamin« mit Heizkörpern und Atrappenkohlen —
man sah schier alles auf dieser Ausstellung.

Und dabei wandert sie noch: »Wanderer, kommst
du nach Sparta, verkünde dorten . . .« Erbarmen, nur
nicht dasselbe wie hier! Denn im Grunde ist der
Gegenstand und seine Einflußsphäre doch zu bedeutend
und wichtig, als daß er in dieser Form lange ohne tief-
wirkende Schädigungen breiteren Volksschichten ver-
mittelt werden könnte. Diese, seine unzweifelhafte
Bedeutung fordert geradezu die Teilnahme aller gut-
gesinnten Elemente, aller wahren
Volksfreunde — und ihr Handeln.
Und das wird sich äußern müssen
vorerst in der Kritik des wohl
oder übel Seienden, in förderndem
Wohlwollen für das Gesunde,
Gewachsene, aber auch in scharfer
Abwehr alles dessen, was sich
wie stinkendes Geschmeiß auf
süße, mühsam gezogene Früchte
zu setzen pflegt.

Das war reichlich auf unsrer
»Schau«. Dieser Lärm mit seinem
Gehäufe von Nichtigkeiten ließ
so Gutes wie die Kunstwart-
ausstellung, die Darbietungen der
Gartensiadtgesellschaften und ein-
zelner Architekten, die Unter-
nehmungendesHamburgerVereins
für Kunstpflege und andere gute
Einzelheiten mehr, fast wie mit
komisch-selbstgefälliger Grandezza
dargebotene Attraktionen, wie
teuerbezahlte lockende Stars im
Jahrmarkt-Ensemble in Erschei-
nung treten.

Man kann den vielleicht mit
dem besten Willen ausgerüsteten
Veranstaltern — es sind die deut-
schen Mietervereine — nur raten,
mit den Kreisen engere Fühlung
zu nehmen, die seit Dezen-
nien nun bereits um die Hebung
unsrer Kultur bemüht sind, und
die Resultate deren Arbeit für
ihre Zwecke sich nutzbar zu
machen. Dann würden sie viel-
leicht zu allererst ihr kautschuck-
artiges Aushängeschild in etwas
modifizieren undeinenbestimmten,
kräftelösenden Gedanken auf ihre
Fahne setzen. »Ausstellung für
bürgerliches Wohnen«, das wäre
ungefähr der Titel, den ich dem
Unternehmen suggerieren möchte.
Er könnte wahrhaft eine Tat
gebären. — Denn wir brauchen

bitternötig die anständige Bürgerwohnung. Jahrzehnte
nun bald sind die Besten der Nation an der Arbeit
unsre Wolmungskultur zu reinigen und zu veredeln.
Und, Heil, wir können heute sagen: Jedermann ist durch
das Erreichte in den Stand gesetzt, sich sein Wohnen
würdig zu gestalten — wenn er bemittelt ist. Diejenigen
aber, die das Sammeln irdischer Güter aus irgend einem
Grunde vermieden haben, sie sind zur Zeit noch ver-
urteilt, in trüben, herzlosen Räumen ein interessantes
Dasein zu markieren. Das will sagen: der weitaus
größte Teil des Volkes, sein Herz, die Träger seiner
Zukunft, stehn abseiten seiner Bahn zur hohen, edelen
Kultur, die besten Kämpfer und Erhalter resignieren.
Und das will weiter sagen: Wir werden's nicht erreichen,
das Mühen es wird nutzlos bleiben für das Deutschtum

ARCHITEKT WILHELM KEPPLER.

Aus dem lf ohn-Zimmer\ Ausführung
der Möbel: A. Fochler—München, der
Metallarbeiten; K. F. Bauer—München.
 
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