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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Editor]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,1): Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.1226#0195
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l68 KREIS HEIDELBERG

Haupteingange und den Anfangen der Seitenmauern, jetzt in einen Schuppen verbaut,
alles übrige bis an den Turm heran ist auf eine Länge von ca. 15 m niedergerissen.
An letzterem ist die Anfallinie der Dachschräge noch erkennbar. Dagegen sind Turm
und Chor noch leidlich gut erhalten und erscheinen nur dadurch so arg verwahrlost, daß
sie jetzt als Lagerräume für die Ökonomie dienen, die hier oben betrieben wird. Der
Turm (mit herrlicher Aussicht), dessen Kreuzgewölbe eingestürzt erscheint, ist neuerdings
durch eine Holztreppe besteigbar gemacht und mit einem geschieferten Aufbau versehen
worden. Trotz der entsetzlichen Profanierung bietet der stattliche, hohe Chor mit seinen
drei hohen ehemals zweigeteilten Fenstern in den drei Abschlußwänden und mit den
vortrefflich erhaltenen, von eleganten Rippen getragenen Sterngewölben einen reizvollen
Anblick (s. Querschnitte und Längsschnitt in Abbildung Fig. 84). Der eine der beiden
Schlußsteine enthält das Wappen des Stifters (von Gemmingen), der andere das des
Lehensherrn, des Kurfürsten von der Pfalz. Der Putz mit den Resten ehemaliger Malerei
ist fast durchweg abgefallen, das Maßwerk in den Fenstern teils erstaunlich gut erhalten
trotz des Fehlens des Mittelpfostens, teils ganz verschwunden. Die spätgotische Form-
gebung (s. Fig. 85) ist vortrefflich und gereicht dem sonst unbekannten Meister Jacob
(s. oben die Bauinschrift) zur Ehre. Daß die merkwürdige Anlage eines Turmes zwischen
Chor und Schiff nicht im ursprünglichen Plan gelegen haben kann, erscheint zweifellos.
Auch die Verschiedenheit der beiden Öffnungen der Turmhalle — nach dem Chor zu
ist diese breiter und höher, auch anders profiliert -— legt dies nahe, Dagegen zeigen
nicht nur Turm und Chor in den architektonischen Einzelheiten und der Technik völlige
Übereinstimmung, sondern ebenso Chor und Schiff, soweit die wenigen erhaltenen
Architekturteile des letzteren ein Urteil hierüber zulassen. Es wäre also nur zulässig,
anzunehmen, daß sich nach Vollendung von Schiff und Turm, dessen Untergeschoß in
üblicher Weise als Chor diente, sehr bald das Bedürfnis nach Erweiterung des Chores
infolge der Zunahme der Wallfahrten geltend gemacht habe, so daß nur eine kurze
Spanne Zeit dazwischen liegen würde.

Unterhalb der erwähnten Inschrifttafel, die hier übrigens nicht an ihrem ursprüng-
lichen Platze zu sein scheint, lehnt zurzeit an. der Mauer eine unverzierte große
Grabplatte eines Mühlbacher Leutpriesters (w. S.) mit der zum Teil verwitterten In-
schrift : Anno Domini Millesimo quingentesimo 6 die /'/// obiit Peter Eißenhuber de
Mulnbach Plebanus ////

Das Erdgeschoß der nördlich von der Kapelle gelegenen Scheuer scheint
mittelalterlichen Ursprunges, vielleicht sogar älter als die Kapelle zu sein, wahrend das
anstoßende jetzige Wohngebäude, den zugemauerten gotischen Fenstern nach zu
schließen, etwa mit der Kapelle gleichzeitig entstanden sein dürfte.

GEMMINGEN

Schreibweisen: Gemminchheim ad a.769; Gemminisheim ad a.7 69; Gemmyngen oder
Gemyngen 1399, 1479 etc.; Gemmingen oder Gemingen 1277, 1331, 1362, 1487 etc.

Literatur: C. W. F. L. Stocker, Chronik der Familie von Gemmingen und ihrer
Besitzungen Heidelberg, Heilbronn 1865 bis 1881 I. Bd. 2. Heft: Gemmingen, Heidel-
berg 186S.
 
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