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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Hausenstein, Wilhelm: Max Beckmann
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Uhde-Bernays, Hermann: Johann Heinrich Füssli
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0186

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er, da es auch Kubin gibt, nicht der Einzige der
Gattung. Und nun — wenn dies alles begriffen
werden kann, so wie es ist: muß man dann nicht
noch zugeben, daß die Werke Beckmanns im
Verhältnis zu dieser Situation wahre Wunder
der Schönheit vollbringen ? Diese Zeit nach dem
Krieg war ein grauenhaftes Jahrzehnt. Beck-
mann beschönigt nicht; aber sind seine Werke,
angesehen auf die Reinheit des Formalen, auf
Zeichnung, Komposition, Farbe, Malerei, ja
selbst auf den farbigen Geschmack, nicht doch
herrliche* Dinge? Er kennt den Verfall der
menschlichen Physiognomie in unseren Tagen.
Dennoch bewahren seine Bildnisse eine naive
Frische oder eine infernalische Macht. Zuweilen
glaubt man, in seinen Bildern, namentlich denen
aus Italien, eine geheime Klassizität der Kom-
position zu spüren — sogar dies, obwohl Beck-
mann zu Italien gewiß nicht in einem konven-
tionellen Andachtsverhällnis stellt.
Etliche Bilder im schmalen Hochformat haben
— man denke nicht, dies sei eine Lästerung —
mit der Schönheit mittelalterlicher Kirchen-
fenster zu tun: durch die knappe Fügung in der
Komposition, durch die im Verhältnis zum
traumhaften Grauen der Bildinhalte fast lieb-
liche Feinheit des Farbig-Lichten. Es ist sehr

wohl möglich, daß Beckmann in solchen Bildern
etwas zu malen gedenkt wie die Fenster zu einer
imaginären Kirche unserer gottlosen Epoche.
Aber was in seinem Werk den großen Namen
„Stil" verdient, ist gleichwohl nicht herbeige-
holt; es ist nicht ausgedacht; es gehört der Macht
der Antriebe an, mit denen dieser schwere, ernste
Mann, dieser Arbeiter und Lastträger in der
Malerei unserer Zeit, ausgerüstet ist. Auch das
Geheimnisvoll-Hintergründige, das Rätselhafte
seiner Kunst ist nicht die Folge eines Y\ illens,
sondern das Erträgnis seiner mit Ahnung be-
schwerten Natur — einer Natur übrigens, die
mitten in ihrer starrenden Kraft auch die Emp-
findlichkeit der feinsten Nerven besitzt. Seine
Kunst kommt aus ihm. Er kommt aus unserer
Epoche, und in Deutschland ist seine Kunst der
stärkste Ausdruck der Zeil; keiner von der
Generation kommt ihm gleich an Gewalt, nicht
einmal der außerordentliche und oft so wunder-
bare Kokoschka. Aber eben dieseVerbundenheit
mit der Epoche ist auch die Bürgschaft für die
Dauer seiner Werke. Das Bedeutendehatimmer
den Nachdruck der starken Augenblicklichkeit
— und aus dieserVerfassung heraus führt unmit-
telbar der Weg in die immerwährende Geltung

des WTerks, des Namens. "Wilhelm Hausenstein

JOHANN HEINRICH FÜSSLI*)

In allen Betrachtungen der Kunstgeschichte
aus der Zeit des Uberganges vom 18. zum
19. Jahrhundert ist die merkwürdigste Erschei-
nung unter den Malern, die in einem engeren
Sinne mit den Dichtern der „Geniezeit" und
des „Sturm und Drang" in Verbindung stehen,
der Schweizer Johann Heinrich Füßli, immer
dargestellt worden wie von einer nebelhaften
Dämmerung umflossen, die das problematische
Wesen seiner Begabung nicht in dem gebüh-
renden Maße hat erkennen lassen. Eine umfang-
reiche Ausstellung von Gemälden und Zeich-
nungen Füßlis, welche im Sommer 1926 im
Züricher Kunsthause stattgefunden hat, zeigte
nun die zugleich phantastische und individuell-
realistische Eigenart seines W esens, und ange-
sichts des mit außerordentlicher Sorgfalt zu-

*) Johann Heinrich Füßli. Dichter und Maler. 17-ii —1825.
Von Arnold Federmann. Orell Füßli-"\ erlag, Zürich und
Leipzig.

sammengestellten Werkes ergab sich das über-
raschende Resultat, wie nahe doch die schöpfe-
rische Kraft Füßlis bis zu Goya heran, und wie
sie weiter reiche zu Hogarth und Blake, end-
lich wie sich in ihr die Vereinigung des Grotes-
ken und Monumentalen mit aufregender
Gegenwärtigkeit, die Schärfe Hodlers treffend,
durchgesetzt habe. Füßli trat aus dem Rahmen
der klassizistischen Malerei heraus und bewährte
sich als ein wichtiger Partner des Asmus Jacob
Carstens. Die literarische Belastung, an seiner
Malkunst getadelt, erschien geringer als bisher
angenommen wurde, die Tätigkeit des Illustra-
tors nicht mehr als entscheidend, und der Ein-
druck der Ausstellung gipfelte in der Uber-
zeugung, hier wirklich einer durchaus „dämo-
nischen" Natur gegenüberzustehen, deren rich-
tiger Platz in der Kunstgeschichte historisch
erst noch zu bestimmen sei. Ein Seitenblick
auf die gleichzeitigen Dichter zeigte außerdem,

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