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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Ferdinand von Miller und Ludwig der I. von Bayern
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FERDINAND VON MILLER UND
LUDWIG I. VON BAYERN

Vor zwei Jahren ist in München ein Künstler ge-
storben, der wie ein reckenhaftes Denkmal aus
einer längst verklungenen Zeit in die Gegenwart
mit ihren anders gearteten Idealen und mit ihrer
weniger erfreulichen sozialen Einschichtung der
Künstlerschaft hereinragte: der Erzgießer und
vormalige Akademiedirektor Ferdinand Freiherr
von Miller, der das hohe Alter von 87 Lebens-
jahren erreichte. Er konnte sich noch des Be-
suches der berühmten Königsfavoritin Lola
Montez, der Urheberin der Münchner Revolution
von i848, in der schon von seinem Vater gelei-
teten Erzgießerei erinnern, er war dabei, als das
Riesenstandbild der Bavaria auf der Sendlinger
Höhe über der Münchner Theresienwiese ent-
hüllt wurde, er hat auch schon vor sechs Jahr-
zehnten, als eine Reise nach Amerika noch eine
fast ungeheuerliche Angelegenheit war, „drüben-
ein Monumentalwerk der Münchner Erzgießerei
aufgestellt. Vor allem aber hatte Ferdinand von
Miller, der in einem langen, tatenreichen Leben
die Leiter der Erfolge, Ehrungen und Auszeich-
nungen, der Ämter und Würden bis zur höchsten
Sprosse erklomm, viele Erlebnisse mit einem um
das Kunstleben Münchens und ganz Deutschlands
einzigartigen verdienten Mann: mit König Lud-
wig I. von Bayern. Man sagte diesem äußerlich
etwas rauhen, sonderlinghaften Manne nach, er
sei ein „Original"; er war mehr und Größeres,
er war ein Genie und hätte von sich reden ge-
macht, auch wrenn er nicht auf einem Königs-
thron gesessen hätte.

Ferdinand von Miller ist, dank der Beziehungen
seines gleichfalls bedeutenden Vaters, schon als
ganz junger Mann mit dem alten König in Be-
rührung gekommen. In der Künstlergesellschaft
„Allotria"', deren Präsident Ferdinand von Miller
durch eine Beihe von Jahren war, hat er sich
einmal auf Anregung aus der Freundesrunde
bereit finden lassen, über die Ludwigs-Zeiten
und über seine persönlichen Erlebnisse mit die-
sem eigenartigen, aus dem offiziellen Format
geratenen hohen Herrn zu erzählen. Nach Millers

VY ir verweisen bei dieser Gelegenheit auf das soeben im \ erlag
F. Brackmann AG. erschienene Erinnerungswerk „Fer-
dinand v. Miller erzählt", herausgegeben von Prof. Dr. Stoll-
reither. Leinen M. G.EjO.

eigenem Bericht wiederhole ich hier, dem An-
denken Ferdinand von Millers selbst huldigend:
König Ludwig war ungemein großzügig ; er war
praktisch veranlagt, hat seine Kunstwerke billig
gekauft und mit wenig Geld großartig gebaut.
Als er die Propyläen und die Basilika erbaute,
kaufte er in Salzburg Schloß Leopoldskron, denn
da gehörte ein Steinbruch dazu, aus dem er das
Baumaterial für diese beiden Bauwerke heraus-
holte. Bei Kelheim kaufte er Steinbrüche, um
die Bausteine für die Befreiungshalle daraus
zu gewinnen. Als er hörte, daß die Türken in
der Schlacht bei Navarin so viele Geschütze ver-
loren hatten, bat er, ihm zu genehmigen, die
Geschütze heben zu lassen. Die gehobenen Ka-
nonen, aus Bronze gegossen, kamen in die Münch-
ner Erzgießerei. Immer wieder kam der König
in die Erzgießerei und fragte: „W ieviel Kanonen
sind noch da?" Darnach richtete er seine Be-
stellungen von Büsten und Monumenten ein. So-
lange Kanonen da waren, ging den Münchner
Bildhauern die Arbeit nicht aus. Damals wurde
das Theater am Gärtnerplatz gebaut und das
Stadtviertel darum herum erschlossen. Der Kö-
nig bestellte die Denkmäler für Klenze und
Gärtner, obwohl die ja nichts mit dem Theater
zu tun hatten. Auch sie wurden aus den Kanonen
von Navarin gegossen. Der Kunstschriftsteller
Friedrich Pecht ließ damals, in dieser denkmal-
setzenden Zeit, einen Artikel los, es sei scheuß-
lich, daß in München alle Denkmäler so blank
aufgestellt würden wie Kessel; man könne da
gar nichts unterscheiden in den Formen: in
Paris seien die Denkmäler bronziert, wenn sie
aufgestellt würden und das mache einen viel
günstigeren Eindruck. Ferdinand von Miller,
der in seiner Jugend in Paris das Verfahren er-
lernt hatte, nahm sich den Artikel Pechts zu
Herzen, er patinierte also das Monument Gärtners
und gab ihm braune Bronzefarbe, während er
den Klenze unpatiniert ließ. Dann ließ er durch
den Adjutanten den König in die Erzgießerei
einladen und ihn bitten, zu unterscheiden, ob
er die Figuren patiniert wünsche. König Ludwig
konnte bekanntlich sackgrob sein, so grob aber
wie an diesem Tage hatte ihn Miller noch nie
gesehen. „Ich verbitte mir das-, fuhr er den da-
mals noch sehr jungen Künstler an, „zum Teufel,

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