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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 8.1860

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8. Heft
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Gallerie antiquarischer Curiositäten,[3]
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Anekdoten zur kirchlichen Kunstgeschichte der Gegenwart,[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18472#0035

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28

crirte Hostien zu holen, und fand ste gewiß
vorräthig. Nnr mußte er ste aus dem allge-
meinen Speisegesäß in die zum Versehen die-
nende Büchse übertragen. Dteses nnd nicht
die „Einsegnung" hat den kurzen Aufenthalt
auf dem Altare veranlaßt. Auf Verlangen
hätte der gesprächige Meßner dem reisenden
Herrn erklären können, daß die Consecration
der Hostien nicht so im Fluge, sondern wäh-
rend des heiligen Meßopsers vorgenom-
men wird.

Anekdoten zur kirchlichen Kunstgeschichte
der Gegenwart.

i.

Auf Ansuchen einerLandgemeinde, welche
aber auch dazu die Erlaubniß des Pfarrers
erholt hatte, besorgte ich für deren altes go-
thisches Ktrchlein die Anschaffung eines styl-
gemäßen neuen Altärchens. Da nur die
Summe von 400 fl. zu verwenden war, die
aber ganz durch die Beiträge der armen Fi-
lialgemeinde stch ergab, so konnte natürlich
nur ein einsaches Altärchen gebaut werden.
Es wurde nur auf richtige gothische Construk-
tion, leichten Aufbau und entshrechende, har-
monische Farbensaffung des Ganzen gesehen.
Der statuarische Schmuck konnte dadurch ge-
wonnen werden, daß man zierliche altdeutsche
Figuren, dte sich noch an den Wänden besan-
den, von frühern gothischen Altärchen stam-
mend, dazu verwendete. So kam ein Altär-
chen zu Stande, das allen billigen Ansorde-
rungen wohl entspricht; es ist leicht, zierlich,
niedrig, lebendig, erbauend. Die Gemeinde
war auch höchlich zufrieden und freut stch stets
ihres schönen gothischen Altares. Sie geht
seit dieser Zeit doppelt gerne zur Kirche, wie
auch ihr Kaplan immer einen neuen Sporn
zur Andacht und zum Seeleneiser darin findet.
Aus langes Bitten, doch auch den neuen Altar
anzusehen, kam endlich der gute alte Pfarrer
auch dahtn. Er konnte stch beim Eintritt tn

die Kirche des günstigen Eindrucks des Alta-
res nicht erwehren und war im Ganzen zufrie-
den mit dem Kirchenschmuck. Nun aber stellte
er dte Frage: Was hat das Altärchen gekostet?
Als man thm den Prets sagte, war er voll
Verwunderung uud bemerkte: Was? Vier-
hundert Gulden? An dem Altar stnd sa nicht
2 Klafter Holz verwendet. Und dafürhabt
thr 400 st. bezahlt? Das ist viel zu theuer!

II.

Ein Regierungsarchitekt war mit der Auf-
gabe betraut worden, einen städtffchen Monu-
mentalbau mit reich verzierter Faxade zu ent-
werfen. Als er mir die Schwierigkeiten bei
einem zufälligen Zusammentreffen schilderte,
indem er in seinem Plane vom Gothischen
weggehen wolle und müffe, um etwas Neues
und Originelles zu geben, rieth ich ihm, er
solle nur suchen, ^>as Ganze reingothisch zu
machen, es ginge dann von selbst weg! Und
der Erfolg hat meine Prophezeihung bestätigt.
Der Bau geht gründlich vom gothischenStyle
weg, er hat von ihm gar nichts als die Nasen,
die (ohne Profil!) in reichlicher Fülle über die
ganze Fatzade hingegossen sind!

III.

Jn einer großen katholischen Stadt ging
kürzlich ein sehr kleiner katholischer Priester
aus der Sakristei, um an einem Altar im
Seitenschiffe die heilige Messe zu lesen. Er
hatte eine ganz, wenn nicht orthodore, doch
orthe d. i. gerade, steife Kasel, welcher Pap-
pendeckel untergelegt war. Auch die Baßgei-
genform war zierlich ausgeschnitten. Auf sei-
nem Wege kam er nun auch beim Frohnleich-
namsaltar vorüber, bei welchem er die vorge-
schriebene Kniebeugung ganz andächtig bis zur
Erde machte. Aber welch ein Mißgeschick!
Während er stch verbeugte, blieb die Kasel
steif wie ein Grenadier auf der Erde stehen,
des Priesters Kopf schlüpfte durch die weite
Halsöffnung hinein und plötzlich sah man nur
mehr eine Kasel ohne Kopf dastehen, vorne
Baßgeige und hinten Quadratbrett. Geflü-
 
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