1860.
irckensckmmk.
U. Nrkt.
Wandmalerci
und
die neueste Publikation des christlichen
Kunftvereins in der Diözese Rotten-
burg.
11.
So leicht der Beweis zu führeu ist, daß die
Ausmalung der Kirchen von ^lnbeginn des
Kirchenbaues an Regel war, so schwer scheint
es, wenn man alle Hindernisse und Schwie-
rigkeiten betrachtet, einer allgemeinen Wieder-
aufnahme dieses Gebrauchs die Bahn zu bre-
chen. Die hin und wieder gemachten Versuche
der Wandbemalung dienen mehr dazu, die
Aufgabe zu erschweren, als sie zu erleichtern.
Zum Theil halten sie sich inner der Gren-
zen einer bloßen Dekoration, zeigen sich als
unwürdige Nachahmung profaner Dekorir-
weise, verrathen eben dadurch eine niedrige
Ansicht von der Bestinmrung und Würde des
Gotteshauses, und wirken dadurch auch treu-
lich dazu mit, dasselbe in den Augen des Be-
suchers herabzuwürdigen. Denn da diese Far-
bentüncherei doch an Solidität und Geschmack
weit hinter der Dekoration eines Theaters
oder Kaffeehauses zurücksteht, so kann sie,
wenn sie je eine Stimmung hervorzubringen
vermag, mehr zur Verachtung und zum Wi-
derwillen, als zur Ehrfurcht und Andacht
stimmen.
Das Aeußerste in diesem Genre der Kirchen-
verwüstung ist in einer schönen romanischen
Kirche des Niederrheins zu sehen, deren Wände
und Pseiler mit Schnecken, Hörnern und Zick-
zacks dergestalt beschmiert sind, daß Einen die
Steine erbarmen möchten. Sie sieht völlig
aus wie eine Narrenjacke. Wenn der Maler,
der diese Jdee ausgehekt hat, vielleicht schon
ähnliche dekorative Ueberzüge der Wände und
Säulen in Musiv-Arbeit gesehen hat und
diese mit Tünchfarben nachahmen wollte, so
hat er eben unglücklich vergessen, daß jedes
Material seine eigene Behandlungsweise hat
und was sür koftbare Mosaik paßt, nicht eben
auch in Erdfarben eine gute Wirkung macht,
sondern nmgekehrt eine schlechte.
Jn einer Ansangsperiode gothischen Dilet-
tantismus, wo man in gothische Bogenstellun-
gen und Maßwerke vernarrt ist, bringt man
diese überall an, ohne zu fragen, ob ste passen
oder nicht, und so wurde auch bei uns manche
Kirche uud Kapelle mit diesen Bogen und
Schachbrettquadraten bekleidet, welche der
Volkswitz in treffender Anspielung Nuf eine
damalige Mode „Westenzeug" nannte.
Kein Wunder, daß diese geschmacklose und
geldverschwendende Westenmode viel dazu bei-
getragen hat, die Erweckung einer monumen-
talen Maleret zu verhindern.
Nicht nur hat ste derselben viele Geldmittel
entzogen, sondern was noch mehr ist, die Ge-
müther ihr entfremdet. Wem so ein bunter
Schnickschnack für „Wandmalerei" ausgege-
ben wird, dem ist ntcht zu verargen, wenn er
jede Zumuthung, zur Wandmalerei betzutra-
gen, mit Entrüstung von sich weist.
Es wäre bitter zu beklagen, wenn eine
durch die Zeitungen gegangene Nachricht stch
bestätigte, daß auch die ehrwürdige Frauen-
kirche in Müuchen tn dieser Weise mißhandelt
werden sollte, und zwar, wie man sagt, mit
einem Auswande von 40,000 Gulden. Die
neuerlichen Restanrationsarbetten an dieser
Kirche haben noch schöne Reste von alten
Wandmalereien zn Tage gefördert, welche dem
restaurirenden Vereine klar genug ankünden,
wie diese Wände bemalt waren mnd wie sie
wieder bemalt werden sollen, wenn Restaura-
tion und Malerei dem Charakter und der hei-
ligen Bestimmung des Baues ntcht ins Ge-
Kirchenschmuck, I86V, Hest 11 oder Band VIII.
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irckensckmmk.
U. Nrkt.
Wandmalerci
und
die neueste Publikation des christlichen
Kunftvereins in der Diözese Rotten-
burg.
11.
So leicht der Beweis zu führeu ist, daß die
Ausmalung der Kirchen von ^lnbeginn des
Kirchenbaues an Regel war, so schwer scheint
es, wenn man alle Hindernisse und Schwie-
rigkeiten betrachtet, einer allgemeinen Wieder-
aufnahme dieses Gebrauchs die Bahn zu bre-
chen. Die hin und wieder gemachten Versuche
der Wandbemalung dienen mehr dazu, die
Aufgabe zu erschweren, als sie zu erleichtern.
Zum Theil halten sie sich inner der Gren-
zen einer bloßen Dekoration, zeigen sich als
unwürdige Nachahmung profaner Dekorir-
weise, verrathen eben dadurch eine niedrige
Ansicht von der Bestinmrung und Würde des
Gotteshauses, und wirken dadurch auch treu-
lich dazu mit, dasselbe in den Augen des Be-
suchers herabzuwürdigen. Denn da diese Far-
bentüncherei doch an Solidität und Geschmack
weit hinter der Dekoration eines Theaters
oder Kaffeehauses zurücksteht, so kann sie,
wenn sie je eine Stimmung hervorzubringen
vermag, mehr zur Verachtung und zum Wi-
derwillen, als zur Ehrfurcht und Andacht
stimmen.
Das Aeußerste in diesem Genre der Kirchen-
verwüstung ist in einer schönen romanischen
Kirche des Niederrheins zu sehen, deren Wände
und Pseiler mit Schnecken, Hörnern und Zick-
zacks dergestalt beschmiert sind, daß Einen die
Steine erbarmen möchten. Sie sieht völlig
aus wie eine Narrenjacke. Wenn der Maler,
der diese Jdee ausgehekt hat, vielleicht schon
ähnliche dekorative Ueberzüge der Wände und
Säulen in Musiv-Arbeit gesehen hat und
diese mit Tünchfarben nachahmen wollte, so
hat er eben unglücklich vergessen, daß jedes
Material seine eigene Behandlungsweise hat
und was sür koftbare Mosaik paßt, nicht eben
auch in Erdfarben eine gute Wirkung macht,
sondern nmgekehrt eine schlechte.
Jn einer Ansangsperiode gothischen Dilet-
tantismus, wo man in gothische Bogenstellun-
gen und Maßwerke vernarrt ist, bringt man
diese überall an, ohne zu fragen, ob ste passen
oder nicht, und so wurde auch bei uns manche
Kirche uud Kapelle mit diesen Bogen und
Schachbrettquadraten bekleidet, welche der
Volkswitz in treffender Anspielung Nuf eine
damalige Mode „Westenzeug" nannte.
Kein Wunder, daß diese geschmacklose und
geldverschwendende Westenmode viel dazu bei-
getragen hat, die Erweckung einer monumen-
talen Maleret zu verhindern.
Nicht nur hat ste derselben viele Geldmittel
entzogen, sondern was noch mehr ist, die Ge-
müther ihr entfremdet. Wem so ein bunter
Schnickschnack für „Wandmalerei" ausgege-
ben wird, dem ist ntcht zu verargen, wenn er
jede Zumuthung, zur Wandmalerei betzutra-
gen, mit Entrüstung von sich weist.
Es wäre bitter zu beklagen, wenn eine
durch die Zeitungen gegangene Nachricht stch
bestätigte, daß auch die ehrwürdige Frauen-
kirche in Müuchen tn dieser Weise mißhandelt
werden sollte, und zwar, wie man sagt, mit
einem Auswande von 40,000 Gulden. Die
neuerlichen Restanrationsarbetten an dieser
Kirche haben noch schöne Reste von alten
Wandmalereien zn Tage gefördert, welche dem
restaurirenden Vereine klar genug ankünden,
wie diese Wände bemalt waren mnd wie sie
wieder bemalt werden sollen, wenn Restaura-
tion und Malerei dem Charakter und der hei-
ligen Bestimmung des Baues ntcht ins Ge-
Kirchenschmuck, I86V, Hest 11 oder Band VIII.
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