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Mr«. N die verkleinerte Ansicht eines
Rippholzes.
Literatur.
Ni883.lL R0IN33UM. Herausgkgeben von
Heinrich Reiß in Wien.
Unsere Leser sind mit dem Unternehmen des
Hrn. Reiß, ein Missale in mittelalterlicher Knnst-
weise herauszugeben, durch den V. Band, S. 74 ff.
unseres Archivs belannt geworden.
Als wir es das Erstemal besprachen, lagen uus
nur der Prospeetus und ein Probebogen vor; im
Uebrigen war es uns aus persönlicher Thcilnahme
an den Berathungen der mit der Prüfung sowohl
der leitenden Grundsätze, als auch einiger hienach
gefertigten Muster-Copien aus alten Missalien be-
schäftigten Commissionen der Generalversammlun-
gen des chrifflichen Kunstvereins bekannt.
Seitdem sind die vier ersten Lieferungen der ein-
facheren Ausgabe erschienen, und es ift uns deß-
halb ein tieferer Blick in das ganze Werk gestattet,
eine Empfehlung also auch um so begrüudeter.
Dem Umfang nach umfassen diefe vier Lieferun-
gen das Missale bis zum 16. Sonntag nach Pstng-
sten; also bis auf Weniges das Uropriam Nissu-
ruin äö tsmpore, einschließlich des oräo Ni8836 und
des Canons. Es könnte auffallen, daß die Uubri-
036 A6ll6r3l68 Ni883Ü8, welche selbstverständlich
das Missale eröffnen, nicht schon publicirt sind.
Wir werden sie also mit einer spätern Lieferung
zu erwarten haben, wie denn auch ein reiches Vor-
setzblatt zum Canon und ein vielfarbiges, der Pracht
des Ganzen entsprechendes Titelblatt noch nach-
folgen werden.
Bei einem liturgischen Buche, das eine lange
Reihe von Jahren, vielmebr ein paar Jahrhun-
derte in kirchlichem Gebrauch bleibeu soll, ist die
Qualität des Papiers gewiß keine Nebensache, be-
sonders in Betracht des Umstandes, daß ein Missale
täglich gebraucht wird oder werden kann und durch-
aus nicht ein bloßes Cimelion einer Bibliothek
bleibt. Der Herr Verleger hat in der That ein
pergamentartiges Papier von großer Schönheit
und Dauer versprechender Qualität gewählt, so
stark, daß er hätte kaum mehr weiter gehen können,
ohne das Gewicht des ganzen Buches zu sehr zu
steigern.
Aus dem Umstande, daß die Ausgabe mit gothi-
scher Schrift zu Stande gekommen ist, schließen
wir, daß eine hinreichende Zahl von Subscribenten
dieser Schrist den Vorzug gaben. Dieß ift ein
neuer Beweis dafür, daß man die einheitliche
Durchführung dieses Kunstwerks in dem einen
mittelalterlichen Stple in weiteren Kreisen zu
schätzen weiß. Vielleicht aber hat nvch ein anderer
Grund mitgewirkt: die leichtere Lesbarkeit, welche
dcr Probebvgen mit gothischer Schrift vor dem mit
Antiqua offenbar voraus hatte. Zwar hat die An-
kündigung jener Schrift bei einem so großartigen,
mit vielem Risiko verbundenen Unternehmen manche
Zweifel wach gerufen. Man wird auch zugeben
müssen, daß manche Druckwerke aus der Zeit des
15. Jahrhunderts für das ungeübtc Auge Schwie-
rigkeiten darbieten, dic man beim Lesen nicht gern
erst überwinden will. Dieser Mißstand rührt bei
den Druckwerken der letzten Hälfte des 15. und
dem ersteu des 16. Jahrhunderts von den meistens
noch gebrauchten Abkürzungen und hauptsächlich
von dem unentwickelten Zustande der Buchstaben
her, welcher darin bestand, daß das eigentlich Cha-
rakteristische, das Unterscheidende der einzelnen Let-
tern meistens oder wohl durchgchends wenig ent-
wickelt war. Die Erinnerung an derartige Jncu-
nabeln hat wohl manchen Leser des Prospectus be-
schlichen und unangenehm berührt; denn mit der
Ankündigung der Wiedcrbelebung der aothischen
Schrift sah er alle jene Schwierigkeiten des Lesens
wieder vor sich aufgethürmt, und in der That könnte
es Niemand zugemuthet werden, ein im Gebrauch
ftehendes Buch mit schwer zu entziffernder Schrift
zu kaufen und der Kunst auf Kosten der Brauch-
barkeit ihres Gegenstandes eineu Dienst zu leisten.
Wer aber das Missale durchliest, der wird durch
die leichte Lesbarkeit der Schrift aufs Angenehmstc
überrascht. Die Lettern gehören ihrem Charakter
nach der ausgebildetsten Schrift an; sie sind dabei
außerordentlich erakt und kräftig. Selbst diejeni-
gen, welche sich bisher mit den gothischen Schrift-
zügen weniger vertraut gemacht habeu, werden
bald finden, daß diese Ausgabe nach dieser Richtung
mehr entspricht, als die mit Antiqua.
Fehler, oder vielmehr Jnkonsequenzen, wie z. B-
S. 195 erste Spalte Zeile 6 und 7 vvn unten, wv
der Ton in Subbuti das erstemal auf der zweiten,
das anderemal auf der ersten Silbe ruht, ließen
sich bei einer zweiten Auflage verbeffern.
Jn einem Missale bildet der Choral keinen un-
tergeordneten Theil. Man darf hervorheben, daß
i der Roth- und Schwarzdruck fehlerlos aufeinander- >
Mr«. N die verkleinerte Ansicht eines
Rippholzes.
Literatur.
Ni883.lL R0IN33UM. Herausgkgeben von
Heinrich Reiß in Wien.
Unsere Leser sind mit dem Unternehmen des
Hrn. Reiß, ein Missale in mittelalterlicher Knnst-
weise herauszugeben, durch den V. Band, S. 74 ff.
unseres Archivs belannt geworden.
Als wir es das Erstemal besprachen, lagen uus
nur der Prospeetus und ein Probebogen vor; im
Uebrigen war es uns aus persönlicher Thcilnahme
an den Berathungen der mit der Prüfung sowohl
der leitenden Grundsätze, als auch einiger hienach
gefertigten Muster-Copien aus alten Missalien be-
schäftigten Commissionen der Generalversammlun-
gen des chrifflichen Kunstvereins bekannt.
Seitdem sind die vier ersten Lieferungen der ein-
facheren Ausgabe erschienen, und es ift uns deß-
halb ein tieferer Blick in das ganze Werk gestattet,
eine Empfehlung also auch um so begrüudeter.
Dem Umfang nach umfassen diefe vier Lieferun-
gen das Missale bis zum 16. Sonntag nach Pstng-
sten; also bis auf Weniges das Uropriam Nissu-
ruin äö tsmpore, einschließlich des oräo Ni8836 und
des Canons. Es könnte auffallen, daß die Uubri-
036 A6ll6r3l68 Ni883Ü8, welche selbstverständlich
das Missale eröffnen, nicht schon publicirt sind.
Wir werden sie also mit einer spätern Lieferung
zu erwarten haben, wie denn auch ein reiches Vor-
setzblatt zum Canon und ein vielfarbiges, der Pracht
des Ganzen entsprechendes Titelblatt noch nach-
folgen werden.
Bei einem liturgischen Buche, das eine lange
Reihe von Jahren, vielmebr ein paar Jahrhun-
derte in kirchlichem Gebrauch bleibeu soll, ist die
Qualität des Papiers gewiß keine Nebensache, be-
sonders in Betracht des Umstandes, daß ein Missale
täglich gebraucht wird oder werden kann und durch-
aus nicht ein bloßes Cimelion einer Bibliothek
bleibt. Der Herr Verleger hat in der That ein
pergamentartiges Papier von großer Schönheit
und Dauer versprechender Qualität gewählt, so
stark, daß er hätte kaum mehr weiter gehen können,
ohne das Gewicht des ganzen Buches zu sehr zu
steigern.
Aus dem Umstande, daß die Ausgabe mit gothi-
scher Schrift zu Stande gekommen ist, schließen
wir, daß eine hinreichende Zahl von Subscribenten
dieser Schrist den Vorzug gaben. Dieß ift ein
neuer Beweis dafür, daß man die einheitliche
Durchführung dieses Kunstwerks in dem einen
mittelalterlichen Stple in weiteren Kreisen zu
schätzen weiß. Vielleicht aber hat nvch ein anderer
Grund mitgewirkt: die leichtere Lesbarkeit, welche
dcr Probebvgen mit gothischer Schrift vor dem mit
Antiqua offenbar voraus hatte. Zwar hat die An-
kündigung jener Schrift bei einem so großartigen,
mit vielem Risiko verbundenen Unternehmen manche
Zweifel wach gerufen. Man wird auch zugeben
müssen, daß manche Druckwerke aus der Zeit des
15. Jahrhunderts für das ungeübtc Auge Schwie-
rigkeiten darbieten, dic man beim Lesen nicht gern
erst überwinden will. Dieser Mißstand rührt bei
den Druckwerken der letzten Hälfte des 15. und
dem ersteu des 16. Jahrhunderts von den meistens
noch gebrauchten Abkürzungen und hauptsächlich
von dem unentwickelten Zustande der Buchstaben
her, welcher darin bestand, daß das eigentlich Cha-
rakteristische, das Unterscheidende der einzelnen Let-
tern meistens oder wohl durchgchends wenig ent-
wickelt war. Die Erinnerung an derartige Jncu-
nabeln hat wohl manchen Leser des Prospectus be-
schlichen und unangenehm berührt; denn mit der
Ankündigung der Wiedcrbelebung der aothischen
Schrift sah er alle jene Schwierigkeiten des Lesens
wieder vor sich aufgethürmt, und in der That könnte
es Niemand zugemuthet werden, ein im Gebrauch
ftehendes Buch mit schwer zu entziffernder Schrift
zu kaufen und der Kunst auf Kosten der Brauch-
barkeit ihres Gegenstandes eineu Dienst zu leisten.
Wer aber das Missale durchliest, der wird durch
die leichte Lesbarkeit der Schrift aufs Angenehmstc
überrascht. Die Lettern gehören ihrem Charakter
nach der ausgebildetsten Schrift an; sie sind dabei
außerordentlich erakt und kräftig. Selbst diejeni-
gen, welche sich bisher mit den gothischen Schrift-
zügen weniger vertraut gemacht habeu, werden
bald finden, daß diese Ausgabe nach dieser Richtung
mehr entspricht, als die mit Antiqua.
Fehler, oder vielmehr Jnkonsequenzen, wie z. B-
S. 195 erste Spalte Zeile 6 und 7 vvn unten, wv
der Ton in Subbuti das erstemal auf der zweiten,
das anderemal auf der ersten Silbe ruht, ließen
sich bei einer zweiten Auflage verbeffern.
Jn einem Missale bildet der Choral keinen un-
tergeordneten Theil. Man darf hervorheben, daß
i der Roth- und Schwarzdruck fehlerlos aufeinander- >